Erika Weinzierl

Biografie

Erika Weinzierl *1925 Wien, † 2014 Wien. Historikerin, Pionierin der Zeitgeschichtsforschung in Österreich. Professorin an der Paris Lodron Universität Salzburg (1967-1979) und an der Universität Wien (1979-1995). Begründerin der Zeitschrift Zeitgeschichte und Mitbegründerin des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Geschichte der Gesellschaftswissenschaften. Autorin von Österreichs Katholiken und der Nationalsozialismus 1938–1945 (1963), Zu wenig Gerechte. Österreicher und Judenverfolgung 1938–1945 (1969) und Emanzipation? Österreichische Frauen im 20. Jahrhundert (1975).

Fotocredit: Hanns Haas

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Erika Weinzierl

Erika Weinzierl war eine beispielgebende Historikerin, eine Pionierin der österreichischen Zeitgeschichtsforschung, eine inspirierende Hochschullehrerin und eine streitbare Intellektuelle.

Als erste Frau in Österreich überhaupt übernahm sie im Jahr 1969 an der Universität Salzburg eine ordentliche Professur für Geschichte. Zehn Jahre lang war sie die einzige Professorin an ihrer Fakultät. In ihrer Antrittsvorlesung hielt sie ihrer eigenen Zunft – auch einigen ihrer Salzburger Professorenkollegen – den Spiegel vor: Die Erste Republik Österreich sei auch deswegen gescheitert, weil die Universitäten zu wenig dazu beigetragen hätten, in Österreich ein demokratisches Bewusstsein herauszubilden. Erika Weinzierl verstand ihr eigenes Wirken als Mitarbeit an der Stärkung der Demokratie.

Weinzierl studierte Geschichte und Kunstgeschichte. Nach ihrer Promotion an der Universität Wien im Jahr 1948 arbeitete sie über 15 Jahre lang im Haus-, Hof- und Staatsarchiv. In dieser Zeit verfasste sie auch ihre Habilitationsschrift.

Einer breiteren Öffentlichkeit wurde sie 1963 mit ihrem Aufsatz „Österreichs Katholiken und der Nationalsozialismus“ bekannt. Weinzierl – selbst im linkskatholischen Milieu sozialisiert – setzte sich in dieser und in zahlreichen weiteren Publikationen kritisch mit der Rolle der katholischen Kirche in der NS-Zeit auseinander.

Im Jahr 1964 übernahm Weinzierl die Leitung eines Salzburger Instituts, des Instituts für kirchliche Zeitgeschichte, das organisatorisch dem Katholischen Hochschulwerk angegliedert war. Kurz darauf begann sie an der noch jungen Universität Salzburg zu lehren. 1967 wurde sie dort zur außerordentlichen, 1969 zur ordentlichen Professorin für Österreichische Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Zeitgeschichte berufen. 1979 wechselte sie an die Universität Wien. Darüber hinaus leitete sie ab 1977 das von ihr mitgegründete Ludwig-Boltzmann-Institut für Geschichte der Gesellschaftswissenschaften.

Als wichtigste ihrer wissenschaftlichen Arbeiten hat Weinzierl selbst ihr Buch „Zu wenig Gerechte. Österreicher und Judenverfolgung 1938–1945“ bezeichnet. Sie beleuchtete darin den österreichischen Antisemitismus, die Verfolgung der Jüdinnen und Juden in Österreich nach dem „Anschluss“ 1938 und die Hilfe nichtjüdischer Österreicher:innen für die Verfolgten. Das Zurückdrängen des Antisemitismus war Weinzierl ein großes Anliegen, für das sie sich zeitlebens einsetzte.

Mit ihrem Buch „Emanzipation? Österreichische Frauen im 20. Jahrhundert“ gab Weinzierl der Frauenforschung in Österreich bedeutende Impulse.

Erika Weinzierl hinterließ durch ihre wissenschaftlichen Beiträge und ihr Durchsetzungsvermögen bleibende Spuren in einer von Männern dominierten akademischen Welt. Ihr öffentliches Engagement für ein offenes und demokratisches Österreich, gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus zeichnete sie ebenso aus. Da sie sich nicht scheute, in kontroversen Debatten Stellung zu beziehen, wurde sie als „moralische Instanz“ und „Gewissen Österreichs“ beschrieben.

Johannes Dafinger, Laura Szentivanyi, 12. Juni 2024