Nationalsozialismus
Bereits Jahre vor dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde der Salzburger Universitätsverein wegen seines Strebens um eine katholische Universität von eingeschleusten Spitzeln der Nationalsozialisten beobachtet. Schon am 2. Mai 1938 wurde der Verein aufgelöst und sein Vermögen beschlagnahmt, am 15. September die Theologische Fakultät geschlossen. Um die katholische Lehre weiterführen zu können, errichtete Erzbischof Sigismund Waitz am 1. Dezember 1938 eine erzbischöfliche Lehranstalt, die – zusammen mit dem Priesterseminar – am 24. Januar 1941 wieder geschlossen werden musste. Nationalsozialistische Hochschulkurse sollten veranstaltet werden, aber wegen des Kriegsausbruchs hielt man nur im Sommer 1939 „Salzburger Wissenschaftswochen“ ab.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs konnte die Theologische Fakultät im Dezember 1945 ihre Lehrtätigkeit wieder aufnehmen.
Alexander Pinwinkler: Die „Gründergeneration“ der Universität Salzburg. Biographien, Netzwerke, Berufungspolitik, 1960–1975. Wien/Köln/Weimar 2020.
Gründergeneration
Die Universität Salzburg, ursprünglich 1622 als Benediktineruniversität gegründet und 1810 aufgelassen, wurde 1962 offiziell wiedererrichtet. Anfänglich waren es vor allem „Katholisch-Konservative“, aber auch ehemals im deutschnationalen bzw. nationalsozialistischen Lager Verankerte, welche die Inauguration der Paris-Lodron-Universität maßgeblich mitgestalteten. So hatte sich der erste gewählte Rektor der Universität, der Geograph Egon Lendl, wegen seiner NS-Vergangenheit 1953 neuerlich habilitieren müssen. Das noch in den 1960er-Jahren vorherrschende restaurative Klima änderte sich spätestens im Laufe der 1970er-Jahre. Lehrende wie die Zeithistorikerin Erika Weinzierl, die ebenfalls zur „Gründergeneration“ zählte, der Germanist Walter Weiss oder der Jurist Theo Mayer-Maly waren renommierte Wissenschaftler, die der Universität Salzburg eine breitere öffentliche Anerkennung verschafften.
Alexander Pinwinkler und Johannes Koll (Hg.): Zuviel der Ehre? Interdisziplinäre Perspektiven auf akademische Ehrungen in Deutschland und Österreich. Wien 2019.
Zuviel der Ehre?
Die Debatte um akademische Ehrungen ist Teil einer umfassenderen Erinnerungs- und Geschichtskultur. Ähnlich wie Straßennamen oder Denkmäler reflektieren akademische Ehrungen jeweils zeitgenössische Vorstellungen von „Ehre“ und „Vorbildhaftigkeit“. Doch diese unterliegen selbst dem historischen Wandel. Noch 1983 galt etwa der Nobelpreisträger Konrad Lorenz vorbehaltlos als eines Salzburger Ehrendoktorats würdig – die Universität Salzburg suchte sich durch die Verleihung wohl auch selbst zu ehren. 2015 widerrief die Alma Mater Paridiana Lorenz´ Ehrendoktorat, wobei sie als Grund dessen Involvierung in den Nationalsozialismus anführte. Rasch entbrannte um diesen Beschluss eine mediale Kontroverse. Diese verdeutlichte, dass der gesellschaftliche Umgang mit problematischen akademischen Ehrungen ein potenzielles Konfliktfeld darstellt, in welchem unterschiedliche Geschichtsbilder konkurrieren.
Ursula Schachl-Raber, Helga Embacher, Andreas Schmoller und Irmgard Lahner (Hg.): Buchraub in Salzburg. Salzburg/Wien 2012.
Restitution von Raubgut
Im Nationalsozialismus fand nicht nur ein gigantischer Kunstraub v.a. an jüdischem Eigentum statt, auch Bücher wurden im großen Stil enteignet. Dieser Buchraub war Teil eines europaweiten Unterfangens, ein erbarmungsloser Kampf um ideologische Vorherrschaft, Profit und Trophäen. Wissenschaftliche Bibliotheken waren oft Nutznießerinnen dieser Übergriffe und vereinnahmten die Beute ohne Skrupel. Auch im regionalen Umfeld Salzburgs gab es Buchraub: Schloss Leopoldskron, im Besitz Max Reinhardts, des Mitbegründers der Salzburger Festspiele, wurde samt seiner umfangreichen Büchersammlung beschlagnahmt, Klöster wurden aufgelöst. Die Verwaltung der Bibliotheken übernahm der Leiter der Studienbibliothek, Vorläuferin der Universitätsbibliothek Salzburg. Die Universitätsbibliothek durchforscht ihre Bestände nach Raubgut. Bisher konnten 82 Bücher, 66 Grafiken und 10 Handschriften restituiert werden. Als interdisziplinäre Einrichtung wurde 2004 das Zentrum für jüdische Kulturgeschichte gegründet, das sich mit Religion, Literatur und Geschichte des Judentums von der Antike bis zur Gegenwart beschäftigt.
Hier finden Sie eine Übersicht aller Werke, die bisher restituiert wurden.
Text: Christoph Brandhuber, Irmgard Lahner, Alexander Pinwinkler
Fotos: © böhlau (1,2) | PLUS, Universitätsbibliothek (3)