Die Salzburger Geschichts- und Politikdidaktik versucht, die Bereiche der akademischen Theoriebildung, der empirischen Erforschung historischen Denkens und der Unterrichtspraxis eng zu verzahnen, sodass die Studierenden von den Vorteilen einer forschungsgeleiteten universitären Lehre profitieren können. Wir konzentrieren uns in der Geschichts- und Politikdidaktik auf die Frage, wie kompetenzorientierter Geschichts- und Politikunterricht empirisch fundiert und pragmatisch effizient umgesetzt werden kann. Zudem betrachten wir, wie die etablierte fachspezifische Kompetenzorientierung auf theoretischer, empirischer und pragmatischer Ebene weiterentwickelt werden kann.
Inhaltlich ist die Salzburger Geschichts- und Politikdidaktik subjektorientiert angelegt. Das bedeutet, dass Geschichtsunterricht primär von den historischen und politischen Orientierungsbedürfnissen, Interessen, Vorerfahrungen und Fähigkeiten der Lernenden her gedacht wird, mit dem Ziel, deren Vorstellungen vom Historischen und Politischen wissenschaftsorientiert weiterzuentwickeln. Eine subjektorientierte Geschichtsdidaktik bedient sich konstruktivistischer Grundsätze und will den Schüler*innen den Konstruktionscharakter von Geschichte nahebringen; sie versteht menschliches Geschichtsbewusstsein als ein zu entwickelndes kognitives Werkzeug, das es Individuen erlaubt, sich in Beziehung zur Vergangenheit zu setzen, um so besser auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Eine subjektorientierte Politikdidaktik wiederum sieht Politik als einen öffentlichen Handlungsraum, in dem unterschiedliche Interessen und Konfliktlagen abgeglichen werden müssen. Sie versucht, jene Konzepte wissenschaftsnah zu entwickeln und zu diskutieren, welche die Schüler*innen auf den politischen Alltag vorbereiten.
Subjektorientierte Geschichts- und Politikdidaktik will die Studierenden befähigen, ihren Schüler*innen ein fundiertes historisches bzw. politisches Orientierungswissen sowie grundlegende fachmethodische Fähigkeiten zu vermitteln und sie bei der Weiterentwicklung und Reflexion ihrer historischen und politischen Sinnbildungsprozesse kompetent zu unterstützen.
Projekte
Public History: HiTCH-Projekt (Historical Thinking Competencies in History), 3. Stufe, in Kooperation mit den Universitäten Bochum, Eichstätt-Ingolstadt, Hamburg und Konstanz, der Fachhochschule Nordwestschweiz, der Pädagogischen Hochschule Salzburg und dem Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung
Das Projekt zielt in seiner dritten Stufe erneut auf die Entwicklung eines standardisierten Tests zur Erfassung historischer Kompetenz auf Basis des FUER-Kompetenzstrukturmodells. Der Fokus liegt auf der Entwicklung standardisierter Aufgaben, die in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen bearbeitet und ausgewertet werden können. Hierfür ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Fachdidaktik Geschichte und Empirischer Bildungsforschung notwendig. Die Entwicklung eines standardisierten Tests zur Erfassung historischer Kompetenz soll die fachdidaktische Diskussion darüber schärfen, wie Kompetenzen im Fach Geschichte gemessen werden können, Nachweise darüber bringen, dass kompetenzorientierter Unterricht im Fach Geschichte tatsächlich lernwirksam ist und schließlich Einsatz in großen Schulleistungsstudien finden.
Projektkonsortium (Standort Salzburg): Heinrich Ammerer, Wolfgang Buchberger, Christoph Kühberger, Herbert Neureiter
Weiteres Team (Standort Salzburg): Beatrix Brückl, Simon Mörwald
Public History/Politische Kulturen: Projekt PoliDeE (Politisches Denken empirisch) in Kooperation mit dem Bundeszentrum für Gesellschaftliches Lernen/PH Salzburg
Die Absicht des empirischen Forschungsprojektes PoliDeE ist es, politisches Denken im Format einer Large-Scale-Testung diagnostizierbar zu machen. Vor dem Hintergrund der Diskussionen um fachspezifischen Wissens- und Kompetenzerwerb in der schulischen Politischen Bildung wird mit SchülerInnen der 8. Schulstufe gearbeitet. Als theoretische und konzeptionelle Grundlage dafür werden das Österreichische Kompetenzmodell für Politische Bildung (Krammer/ Kühberger/ Windischbauer et al. 2008) herangezogen und um die in der Politikdidaktik diskutierten Anforderungen für politisches Denken ergänzt. Erfahrungen aus dem HiTCH-Projekt (Trautwein/Bertram/ Borries et al. 2017) werden dabei für den Kontext der Politischen Bildung fachlich gewendet.
Ziele des Projekts sind die Entwicklung von Items für eine politikdidaktisch fundierte Annäherung an fachspezifischen Leistungen aus dem Bereich der Politischen Bildung nach curricularer Implementierung in Österreich sowie die Erprobung eines neuen Zugangs zur Überprüfung von politischen Denkakten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen über die entwickelte Items.
Projektleitung: Wolfgang Buchberger, Christoph Kühberger
Team: Heinrich Ammerer, Beatrix Brückl, Wolfgang Buchberger,Robert Hummer, Christoph Kühberger, Elmar Mattle, Simon Mörwald, Christoph Stuhlberger
Materielle Kultur: Geschichtskultur im Kinderzimmer – Ethnographische Untersuchungen zur Formierung historischen Denkens
Die Lernvoraussetzungen von Kinder und Jugendlichen für das schulische historische Lernen werden im Privaten grundgelegt. Das Projekt beschäftigt sich daher mit den unterschiedlichen Dimensionen dieser Geschichts- und Erinnerungskultur von Kindern und Jugendlichen im privaten Bereich. Neben theoretischen Momenten werden auch ethnographische Untersuchungen vorgenommen. Das Projekt fokussiert dabei unterschiedliche Teilaspekte, insbesondere Spielzeug als Teil der materiellen Kultur und erinnerungskulturelle „Schätze“.
Projektleitung: Christoph Kühberger
Materielle Kultur: Mit Geschichte spielen – Ausstellungsprojekt mit dem Salzburg Museum
Das Ausstellungsprojekt, das in Kooperation zwischen dem Bereich Geschichts- und Politikdidaktik am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg und dem Salzburg Museum realisiert wird, stellt Spielzeug und Spiele in den Mittelpunkt, die sich mit der Vergangenheit beschäftigen oder sie als Folie nutzen. Zur Vorbereitung der Ausstellung wurde bereits im November 2019 eine große internationale Tagung zu diesem Thema veranstaltet. Der Tagungsband dazu erscheint 2021 im transcript-Verlag. Gleichzeitig laufen auch die Vorbereitungen zu einer Ausstellungen in der Neuen Residenz, die im Herbst/Winter 2022 gezeigt wird.
Projektleitung: Christoph Kühberger
Kooperationspartner: Salzburg Museum
Kuratoren: Peter Husty; Christoph Kühberger
Public History: Geschichte im Kindergarten – Spielzeug als Darstellung der Vergangenheit
Die Intervention im Rahmen der Pilotstudie „Geschichte im Kindergarten“ besteht darin, Kindern in einer altersgemischten Kindergartengruppe in einem städtischen Kindergarten der Stadt Salzburg nach einer Einführung in das Thema „Ritterzeit“, eine Spielzeug-Ritterburg zur Verfügung zu stellen. Dabei werden – entlang methodischer Zugänge der Ethnographie – die Kinder über einen längeren Zeitraum hinweg im Spiel mit dem Angebot beobachtet, um dies zu dokumentieren. Anhand dieses Datenmaterial soll in Kombination mit Pre- und Post-Interviews mit den Kindern und den Elementarpädagoginnen herausgefunden werden, wie die Kinder den Impuls verarbeitet haben. Dabei stehen neben dem Geschichtsverständnis der Kinder auch Geschichtsbilder und deren Herkunft im Mittelpunkt. Es soll dabei u.a. herausgefunden werden, wie Kinder heute mit derartigen Spielsachen spielen und welche Vorstellungen über die Vergangenheit bzw. Geschichte dabei generiert werden.
Projektleitung: Christoph Kühberger
Projektteam: Kristina Karl, Christoph Kühberger
Professionsforschung: „Angehende Lehrpersonen schreiben Geschichte. DerVersuch einer Kompetenzerfassung durch die Analyse ihrer Darstellungen von Vergangenheit.” Das Dissertationsprojekt untersucht inwiefern zukünftige Geschichtslehrer/innen in der Lage sind historische Ereignisse und belegbare Aussagen aus Quellen durch Sinnbildung zu einer Geschichte zu verbinden und diese in historisch reflektierter Weise zu verschriftlichen. Die Entwicklung der historischen (Schreib-)Kompetenzen wird durch zwei verschiedene Messzeitpunkte herausgearbeitet. Insgesamt 177 Texte von Lehramtsstudierenden der Universität Salzburg wurden dafür analysiert und ausgewertet.
Dissertantin: Kristina Karl
Hauptbetreuer: Christoph Kühberger
Partner und Vernetzung
HitCH-Konsortium – Historial Thinking – Competencies in History
Gesellschaft für Geschichtsdidaktik Österreich
Interessengemeinschaft für Politische Bildung
Publikationen
Ammerer, Heinrich: Historische Orientierung im Geschichtsunterricht, Frankfurt/Main (Wochenschau) 2019.
Ammerer, Heinrich/Geelhaar, Margot/Palmstorfer, Rainer (Hrsg.): Demokratie lernen in der Schule. Politische Bildung als Aufgabe für alle Unterrichtsfächer, Münster (Waxmann) 2020, open-access, peer-reviewed,
Ammerer, Heinrich: Geschichtsunterricht vor der Frage nach dem Sinn. Geschichts(unter)bewusstsein und die Optionen eines sinnzentrierten Unterrichts, Frankfurt/Main (Wochenschau) 2021 (in Vorbereitung), open-access, peer-reviewed.
Ammerer, Heinrich: Konzepte historischen Denkens und ihre Entwicklungslogik. Eine Studie zur Genese historischer Verständnishorizonte, Frankfurt/Main (Wochenschau) 2021 (in Vorbereitung), open-access, peer-reviewed.
Barsch, Sebastian/Degner, Bettina/Kühberger, Christoph/Lücke, Martin (Hrsg.): Handbuch Diversität im Geschichtsunterricht. Inklusive Geschichtsdidaktik, Frankfurt/ Main (Wochenschau) 2020.
Bouchat, Pierre/Licata, Laurent/Rosoux, Valérie/Allesch, Christian/ Ammerer, Heinrich et al.: Greedy elites and poor lambs: How young europeans remember the great war, in: Journal of Social and Political Psychology 1/2019, S. 52-75, open-access, peer-reviewed.
Karl, Kristina: Förderung narrativer Kompetenzen und ihre Auswirkungen auf das historische Lernen in der Primarstufe. In: Historisches Lernen in der Primarstufe. Hgg. v. W. Buchberger/ Ch. Kühberger, Innsbruck – Wien (Studienverlag) 2021, S. 23-44.
Kipman, Ulrike/ Kühberger, Christoph: Zur Nutzung des Geschichtsschulbuches. Eine Large-Scale-Untersuchung bei Schüler_innen und Lehrer_Innen, Wiesbaden (Springer VS) 2019.
Kühberger, Christoph: Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen. Methodische und didaktische Annäherungen an Geschichte, Sozialkunde und politische Bildung, Innsbruck – Wien (Studienverlag), 3. Auflage 2015.
Kühberger, Christoph (Hrsg.): Ethnographie und Geschichtsdidaktik, Frankfurt/ Main (Wochenschau) 2021.
Kühberger, Christoph/Bramann, Christoph/Bernhard, Roland (Hrsg.): Das Geschichtsschulbuch: Lernen. Lehren. Forschen, Münster 2018, S. 125-146, open-access, peer-reviewed.
Kühberger, Christoph/Karl, Kristina: Die Ritterburg im Kindergarten. Ethnographische Annäherungen an den Umgang mit einem geschichtskulturellen Produkt. In: Ethnographie und Geschichtsdidaktik. Hgg. v. Christoph Kühberger, Frankfurt/Main 2021 (Wochenschau), S. 180-211.
Schreiber, Waltraud/ Ziegler, Béatrice/ Kühberger, Christoph (Hrsg.): Geschichtsdidaktischer Zwischenhalt. Beiträge aus der Tagung «Kompetent machen für ein Leben in, mit und durch Geschichte» in Eichstätt vom November 2017. Münster – New York (Waxmann) 2019.
Herausgabe von wissenschaftlichen Reihen
Österreichische Beiträge zur Geschichtsdidaktik. Geschichte – Sozialkunde – Politische Bildung (Hgg. v. Ch. Kühberger, W. Buchberger und H. Ammerer)
Kleine Reihe Geschichte (Hgg. v. B. Degner, B. Debus, S. Handro und Ch. Kühberger)
Team
AMMERER Heinrich, Univ.-Ass. Priv.-Doz. MMag. Dr.
KATZIER Jasmin, MEd, Wiss. Mitarbeiterin (Dissertantin)
KÜHBERGER Christoph, Univ. Prof. Dr. phil. Dr. habil., Fachbereichsleiter
OBERMAIR Robert, Mag. Dr., Wiss. Mitarbeiter (Postdoc Public History)