Otto Wilhelm Schwätzer
Diplomprüfung aus Strafrecht und Strafprozeßrecht
11. Mai 1999
Ein teurer Schiurlaub in der Alpenrepublik
A. Otto-Wilhelm Schwätzer aus Wuppertal (D) verbringt zusammen mit seiner Frau Heidelore und seinem 10 jährigen Sohnemann Heinz-Uwe den diesjährigen Schiurlaub in Lech am Arlberg. Verärgert über die hohen Hotel- und Gastronomiepreise in der Alpenrepublik, welche in keinem Verhältnis zum Preisniveau im ebenfalls sonnigen und reizvollen Wuppertal stehen, sinnt Otto-Wilhelm nach Möglichkeiten, wie er sich seinen Schiurlaub verbilligen könnte. Seiner Frau Heidelore kommt dabei die Idee, die mitgebrachten 2 Paar Schi und das Snowboard als gestohlen zu melden, da diese gegen Diebstahl versichert seien und man so die Versicherungssumme kassieren könnte. Otto-Wilhelm hält dies für einen ausgezeichneten Vorschlag. Nachdem er Schi und Snowbard im Heizungskeller des Hotels versteckt hatte, damit sie auch wirklich unauffindbar sind, geht er zum örtlichen Gendarmerieposten, um den Diebstahl zu melden. Hansi-Schlau, örtlicher Gendarmeriepostenkommandant, glaubt dem Schwätzer freilich kein Wort. Seine jahrzehntelange Erfahrung mit den Urlaubsgästen hat ihn gelehrt, daß nur wenige Diebstähle auch wirkliche Diebstähle sind. Dennoch protokolliert er gewissenhaft und freundlich zuvorkommend die Diebstahlsanzeige des deutschen Urlaubsgastes, ohne sich sein Mißtrauen anmerken zu lassen.
Im Hotel hatte in der Zwischenzeit Heidelore Schwätzer eine verbale Auseinandersetzung mit dem Hoteldirektor. Dieser wollte nämlich die auf das Zimmer geschriebene Rechnung für die Konsumationen an der Hotelbar und im Hotelrestaurant kassieren. Heidelore Schwätzer weigerte sich jedoch, diese zu bezahlen, da das Essen wesentlich schlechter und teurer als daheim in Wuppertal gewesen sei. Der Hoteldirektor ließ daraufhin die Bemerkung fallen, daß er im Heizungskeller zwei Paar Schi und ein Snowboard gefunden habe. Dies erwecke ganz den Anschein, als ob hier etwas verborgen werden sollte, um einen fingierten Verlust zu melden. Sollte die Rechnung nicht umgehend bezahlt werden, so meinte der Hoteldirektor, müsse er diesen seltsamen Fund der Gendarmerie melden. Die Nepperei beklagend zahlte Heidelore Schwätzer daraufhin die Rechnung.
Wenig später kommt Postenkommandant Hansi-Schlau ins Hotel, um zu sehen, ob die als gestohlen gemeldete Schiausrüstung auch wirklich nicht mehr vorhanden ist. Der Hoteldirektor, ein Schulfreund von Hansi-Schlau, führt diesen daraufhin rein zufällig in den Heizungskeller, wo man die gestohlenen Schi und das Snowboard findet.
Außer sich vor Wut reist Familie Schwätzer ab. Die steile, kurvige Bergstraße abwärts fahrend drängt Heidelore ihren Ehegatten, schneller zu fahren, um dieses gastfeindliche Land möglichst rasch zu verlassen. Otto-Wilhelm befolgt diesen Rat und gibt seinen Ärger an das Gaspedal weiter. Wenngleich gewohnt, sich durchzusetzen, trotzen Otto-Wilhelm dennoch die Gesetze der Physik und so ignoriert der schwere PKW die enge, steilabfallende Linkskurve, überschlägt sich mehrmals und bleibt auf dem Dach liegen. Otto-Wilhelm wird bei dem Unfall schwer verletzt, sein Sohn Heinz-Uwe trägt nur leichte Schürfwunden davon und seine Frau Heidelore bleibt überhaupt unverletzt. Die österreichischen Rettungsmannschaften sind sofort zur Stelle und leisten exzellente Hilfe:
Glück im Unglück in der gastfreundlichen Alpenrepublik.
Wie haben sich die beteiligten Personen strafbar gemacht?
B. A ist schon mehrfach wegen Diebstahls vorbestraft. Nun steht er erneut wegen drei Diebstählen (§ 127 StGB) vor Gericht. Das Gericht verurteilt A daraufhin wegen gewerbsmäßigen Diebstahls (§ 130 StGB) zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen a S 300,-. Das Gericht begründet die Gewerbsmäßigkeit damit, daß A schon mehrfach einschlägig vorbestraft sei. Zusätzlich wertet das Gericht als erschwerend die Tatsache, daß A erneut drei Diebstähle begangen hat. Als mildernd wird berücksichtigt, daß die Beute bei den einzelnen Diebstählen nur gering war. Das Gericht ist daher auch der Meinung, daß mit einer Geldstrafe das Auslangen gefunden werden kann.
a) Welche Fehler hat das Gericht gemacht?
b) Zu welchem RM würden Sie dem StA bzw dem Beschuldigten raten?
c) Die Kreditraten für seine Eigentumswohnung belasten A schwer, so daß er sich nicht in der Lage sieht, die Geldstrafe zu bezahlen.
Was könnte er tun?
Was könnte er tun, wenn nach einem vergeblichen Einbringungsversuch bereits der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet wurde?
C. B steht im dringenden Verdacht, während der Jahre 1993 bis 1997 das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB durch vielfaches, gewerbsmäßig betrügerisches Herauslocken von Geldbeträgen begangen zu haben. In einigen Betrugsfällen sollen dabei sogar Summen bis zu S 30.000,- herausgelockt worden sein. Die Gesamtschadenssumme beträgt nach Meinung des Gerichtes mehr als 2 Mio S.
a) Aufgrund der hohen Gesamtschadenssumme wird über B die Untersuchungshaft nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO verhängt. Ist dies rechtens? Wie kann B diesen Beschluß bekämpfen?
b) Die Beweislage ist dürftig und der ganze Sachverhalt nur sehr undurchsichtig. B wird daher im Zweifel freigesprochen. Die zwei-monatige Untersuchungshaft hat aber zu einem Verdienstentgang geführt. Bekommt B diesen ersetzt?
c) Aus dem Akt sind auch einige Betrugsfälle ersichtlich, die leichter zu beweisen gewesen wären. Diese waren jedoch nicht Gegenstand der Anklage und wurden in der HV auch nicht erörtert. Knapp vor Ende der HV beantragt die Verteidigerin die Verlesung des gesamten Akteninhalts, was auch geschieht.
Ist diese Vorgangsweise der Verteidigerin sinnvoll?
Nachdem B vom Gericht freigesprochen wurde, sieht die Staatsanwältin noch einmal den Akt durch, um zu entscheiden, ob ein Rechtsmittel angemeldet werden sollte. Dabei erkennt auch sie, daß noch weitere Betrugsfälle vorliegen, die nicht Gegenstand der Anklage waren. Sie möchte nun diesbezüglich eine Anklage einbringen. Was halten Sie davon?