Zwei Salzburger Jungwissenschaftler mit Staatspreis für beste Dissertationen ausgezeichnet
Der Sportwissenschaftler Hans-Peter Wiesinger und die Juristin Natascha Brandstätter von der Universität Salzburg sind für ihre Dissertationen über die Sehnenanpassung bzw. über die Verjährung von Schadenersatzansprüchen mit dem „Award of Excellence“, dem Staatspreis für die besten Dissertationen, ausgezeichnet worden.
Wiesingers Untersuchungen über die Anpassung der menschlichen Patellar- und Achillessehne auf erhöhte mechanische Belastungen sind nicht nur für die Rehabilitation nach Verletzungen und Trainingsinterventionen von Bedeutung, sondern auch für die Robotik oder die Materialforschung. Natascha Brandstätters Arbeit schafft mehr Rechtssicherheit bei der scheinbar simplen Frage, wie lange ein Schadenersatzanspruch durchgesetzt werden kann, denn die diesbezügliche Bestimmung unseres Gesetzes lässt einen breiten Interpretationsspielraum.
Der mit 3000 Euro pro Preisträger dotierte Award of Excellence wurde den Ausgezeichneten am 7. Dezember 2017 im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft feierlich überreicht.
Wenn beim Laufen das untere Ende der Kniescheibe schmerzt, dann ist meist die Patellarsehne betroffen. Profisportlern wie Cristiano Ronaldo macht das des Öfteren zu schaffen, aber auch Menschen im fortgeschrittenen Alter, die an Erkrankungen wie Diabetes leiden. Die Patellarsehne verbindet über die Kniescheibe (Patella) den größten Oberschenkelmuskel mit dem Schienbein und wird so bei jeder Beugung und Streckung des Knies beansprucht, insbesondere bei abrupten Bewegungen. Die Patellarsehne passt sich allerdings gut an mechanische Belastungen an. Dasselbe gilt für die dickste und stärkste Sehne des Menschen, die Achillessehne, die das Fersenbein mit der Wadenmuskulatur verbindet.
Doch unklar ist, was bei der Anpassung genau geschieht (bezüglich Dicke der Sehne, molekularer Struktur oder Materialeigenschaft wie Bildung neuer Kollagenfasern). Ebenso unklar ist, wie lang Trainingsinterventionen dauern müssen, um Sehnen zu stärken, und ob es eine klare Dosis-Wirkung-Beziehung gibt. „Das Ziel der Arbeit war, anhand einer Metaanalyse ein besseres Verständnis zu erlangen, welche mechanischen Reize zu welchen Anpassungen der Sehne führen, was sowohl für die Prävention als auch für die Therapie nach Verletzungen von Bedeutung ist“ sagt Wiesinger. Mit in vivo Untersuchungen an Top-Athleten (Skispringer, Wasserballspieler, Langstreckenläufer) konnte Wiesinger zudem zeigen, dass die Sehnen sportartspezifisch adaptieren.
„Was die Arbeit in besonderem Maß auszeichnet, ist der interdisziplinäre Ansatz, in dem sich Bewegungswissenschaft und medizinische Aspekte kreuzen“, sagt Doktorvater Professor Erich Müller. Die Erkenntnisse aus Wiesingers Forschung könnten auch für die Materialwissenschaft und die Robotik von Interesse sein. Am MIT, in Harvard oder in Berkeley arbeiten zum Beispiel Wissenschaftler daran, noch besseres viskoelastisches Material – dieses charakterisiert die Sehnen – zur Kraftübertragung zwischen Aktuatoren und Ansatzstelle bei Robotern einzubauen, damit diese noch feinfühligere Bewegungen ausführen können.
MMMag. Dr. Hans-Peter Wiesinger, LLB.oec. (geb. 1985 in Eferding) ist Projektmitarbeiter in der Arbeitsgruppe Trainings- und Bewegungswissenschaft am Interfakultären Fachbereich Sport- und Bewegungswissenschaft der Universität Salzburg, 5400 Hallein/Rif, Schlossallee 49 Titel der Dissertation: „Effects of increased mechanical loading on in vivo patellar and Achilles tendon properties. Structural integrity and/or function?“ (Die Anpassung der menschlichen Patellar- und Achillessehne in vivo auf verstärkte mechanische Belastung“)
Natascha Brandstätter vom Fachbereich Privatrecht der Universität Salzburg hat in ihrer Dissertation untersucht, wie es nach österreichischer Rechtslage um die Verjährung von Schadenersatzansprüchen steht. Diese ist in § 1489 ABGB geregelt, der sowohl eine Verjährungsfrist von drei Jahren (ab Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger) als auch eine Höchstfrist von dreißig Jahren (wenn man keine Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt oder die Schädigung auf einer qualifizierten strafbaren Handlung beruht) beinhaltet. Was nach einer klaren Regelung klingt, ist in der Praxis weit davon entfernt, denn der Auslegungsspielraum ist sehr groß, sowohl was die Begriffe Schaden, Schädiger als auch Kenntnis betrifft. „Mein Anliegen war es, Rechtsicherheit zu schaffen bei der eigentlich simplen Frage, wie lange habe ich Zeit, um einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen bzw. wann kann ich meinen Anspruch nicht mehr durchsetzen, zum Beispiel bei Anleger-Schäden. Tritt der Schaden und damit der mögliche Verjährungsbeginn schon in dem Moment ein, wo ich das Produkt erwerbe oder erst später bei den Kursverlusten oder wenn ich das Produkt verlustbringend verkaufe?“ Um mehr Klarheit in die Verjährungs-Materie zu bringen, hat Natascha Brandstätter enorm viele juristischen Entscheidungen gelesen (es waren an die tausend) und daraus allgemeine Prinzipien destilliert. „Die Arbeit von Frau Brandstätter ist eine der besten, die ich je betreut habe, wegen der Fähigkeit, mit einer sehr großen Menge von Material umzugehen und der Kunst, das auf praktisch relevante Art zu schaffen. Das kann neue Leitlinien für die Rechtsprechung geben,“ sagt Doktorvater Professor Georg Graf.
Mag. Dr. iur. Natascha Brandstätter, (geb. 1989 in Salzburg), arbeitet als Senior Scientist am Fachbereich Privatrecht der Universität Salzburg, Churfürststraße 1, 5020 Salzburg
Titel der Dissertation: „Verjährung und Schaden“ – https://www.uni-salzburg.at/index.php?id=28934&MP=96-44801
Der Award of Excellence – Staatspreis für die besten Dissertationen wird aus dem Mitteln der Studienförderung finanziert und ist pro Preisträger mit 3000 Euro dotiert. Mit dem Award werden die besten 40 Dissertationen des abgelaufenen Studienjahres honoriert. Die Vorschläge dafür kommen von den Universitäten.
Foto v.l.n.r.: Dr. Hans-Peter Wiesinger, Dr. Natascha Brandstätter, Univ.-Prof. Dr. Georg Graf, Mag. Dr. Iris Rauskala – Sektionsleiterin der Sektion VI, Vizerektor Univ.-Prof. Erich Müller | © Willy Haslinger