Verena Fuchsberger. Wie wird die Digitale Welt der Zukunft ausschauen?
Durch die Digitalisierung wird die Welt im wortwörtlichen Sinn immer weniger begreifbar. Könnte man dieser Entwicklung etwas Zukunftsfähiges für das tägliche Leben entgegensetzen? Zunächst einmal zum Beispiel beim Spielen? Etwa indem man in digitale Spiele stärker physische Elemente integriert? Wollen das die Menschen? Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich die kürzlich mit dem ersten Hedy-Lamarr-Preis ausgezeichnete Salzburger Forscherin Verena Fuchsberger.
In ihrem neuesten Projekt („re:tangent“) will die 35Jährige herausfinden, wie man Großeltern und Enkelkinder über geographische Distanzen hinweg beim Spielen „spürbar“ miteinander verbinden kann.
Bedingt durch die modernen Arbeits- und Lebensbedingungen sind heute Familienmitglieder und Freunde geographisch immer öfter voneinander getrennt. Mittels Instant Messaging Diensten wie Skype oder WhatsApp ist zwar auch über große Distanzen Kommunikation auf vielen Kanälen problemlos möglich. Aber etwa zwischen Großeltern und Enkeln nicht ideal. Denn beim Telefonieren oder Videotelefonieren fehlt kleinen Kindern oft die Konzentration, die Kommunikation reißt meist bald ab. Gemeinsam etwas tun, ist daher vielmehr gefragt. Im einfachsten Fall heißt das etwa, über zwei Standorte ein digitales Spiel spielen. Stellt sich die Frage, ob sich das digitale Spiel-Erlebnis und die Beziehung zwischen den Spielern durch die Kombination mit angreifbaren Elementen verbessern ließe, etwa durch einen Würfel, der sich wirklich bewegt? Das untersucht ein Team um Verena Fuchsberger vom Center for Human-Computer Interaction (HCI) der Universität Salzburg im Projekt „re:tangent. Remote Tangible Engagements“. Fuchsberger ist Postdoc und arbeitet an der Schnittstelle zwischen Informatik, Sozial- und Geisteswissenschaften.
„Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Eine Großmutter in Salzburg will mit ihrem Enkelkind in Berlin Mensch ärgere dich nicht spielen. Der reale Würfel liegt am Spieltisch. Wenn der eine würfelt, bewegt sich auch beim anderen der Knobel und umgekehrt. Technisch ist das machbar. Für uns stellt sich aber die Frage: Verbessert das tatsächlich das Erlebnis, und wollen es die Menschen?“ Die Antwort darauf wird sich aus der kürzlich (im Mai 2018) gestarteten Studie ergeben. „re:tangent“ ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Center for Human-Computer Interaction der Universität Salzburg und dem Meaningful Interactions Lab (Mintlab) der KU Leuven, Belgien. Es wird vom Wissenschaftsfond FWF unterstützt und läuft bis 2021.
Fuchsberger führt in dem Projekt u.a. Materialstudien durch. Materialität ist ein Kernthema ihrer Forschung. Es geht dabei um die Frage, wie man die digitale Welt in der physischen Welt gestalten kann, wie Menschen die digitalen Artefakte erleben. „Wir werden uns in dem Projekt auf Brettspiele und verschiedene Spielzeuge fokussieren. Wir wollen uns anschauen, was technisch zum Beispiel beim Würfel möglich ist, was für Aktuatoren und Sensoren kann man verwenden, welches Verhalten muss er zeigen, wieviel Verzögerung darf er haben, damit das Spiel noch spannend ist.
Für derartige Fragestellungen ist die Kooperation zwischen verschiedenen Disziplinen, wie sie am Center for HCI praktiziert wird, unabdingbar, betont Fuchsberger. Unter der Leitung des Informatikers und HCI-Forschers Professor Manfred Tscheligi arbeiten am Center for HCI Informatiker/innen, Designer/innen, Soziologen und Soziologinnen etc. eng zusammen. Einen interdisziplinären Ansatz bringt Fuchsberger auch selber mit: Die 35Jährige, die 2015 an der Universität Salzburg in Angewandter Informatik im Forschungsbereich HCI promoviert hat, verfügt auch über (Magister-) Studienabschlüsse in Erziehungswissenschaft und Psychologie von der Universität Innsbruck. („Natürlich bin ich von der Forschung in Psychologie und Erziehungswissenschaft jetzt zehn Jahre weg, aber ich weiß, wann ich psychologische Kompetenz brauche und aus der Erziehungswissenschaft kommt mir zugute, dass ich dort den Schwerpunkt Medienpädagogik hatte.“)
Fuchsberger arbeitet sowohl theoretisch (etwa zur Medientheorie) als auch empirisch (sie geht „into the wild“ wie man in der HCI sagt und befragt und beobachtet Menschen). „Ich gehe an Technologien immer von der Seite der Menschen heran. Mich interessiert weniger wie die Technologien im Detail funktionieren, sondern wie wir damit umgehen und wie ein Designprozess von Digitalem funktioniert.“
Ein Thema, das sie sehr interessiert, ist die Technologieverweigerung. „Dieses Thema kommt aus meiner Forschung mit älteren Menschen. Wenn Leute moderne Technologien nicht nutzen, finde ich das auch in Ordnung. Allerdings ist das für die Betreffenden oft mit Nachteilen verbunden. Wenn jemand am Bahnhof den Fahrkartenautomaten meidet, zahlt er zum Beispiel mehr. Wichtig finde ich aber, dass es zumindest Wahlmöglichkeiten gibt, das versuche ich Entwicklern und Entwicklerinnen und Designern und Designerinnen zu vermitteln.“
Was macht den Forschungsbereich „Interaction Design“ für sie so interessant? „Das wird unsere Zukunft sein. Wir können das Digitale nicht mehr wegdenken aus unserer Welt. Das wird uns immer mehr beschäftigen, auch wenn wir es manchmal verwünschen.“
Und wie hält sie es selber mit den neuen Technologien? „Ich probiere das meiste aus, aber ich nutze nicht extrem viel. Ich bin eine Convenience Nutzerin, alles was mir praktisch vorkommt nutze ich. Aber ich bin zum Beispiel keine große Computerspielerin und ich habe auch keine Alexa zu Hause, weil ich für mich noch nicht herausgefunden habe, was mein Benefit von Alexa ist.“
Im Oktober 2018 wurde Verena Fuchsberger mit dem heuer erstmals vergebenen Hedy-Lamarr-Preis ausgezeichnet “für ihre außergewöhnlichen Leistungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie“. Der 10.000 Euro Preis der Stadt Wien ist nach der aus Österreich stammenden Hollywood Schauspielerin und Erfinderin benannt. Er soll Vorbilder für junge Frauen im IT Forschungsbereich anspornen. Ein Role Model könnte die gerade Mutter gewordene Preisträgerin auch insofern sein als sie fest entschlossen ist, Forschung und Familie gut unter einen Hut zu bringen. Den Preis konnte sie nicht persönlich entgegennehmen, weil sie nur Stunden vor der Verleihung eine Tochter zur Welt brachte. „Hier am Center for HCI bekomme ich sehr viel Unterstützung für meine Doppelrolle, dafür bin ich sehr dankbar“. Auch ihr Mann, ein Mediziner unterstütze sie nach Kräften, die beiden teilen sich die Karenz.
Verena Fuchsberger ist die erste Akademikerin in ihrer Familie. Sie wurde 1983 in Vöcklabruck geboren. Der Vater, ein Tischler und Schulwart und die Mutter, eine Pensionistin haben viel Wert auf eine gute Ausbildung gelegt und ihr immer den Rücken gestärkt.
Kontakt
MMag. Dr. Verena Fuchsberger
Center for Human-Computer Interaction Universität Salzburg
Jakob-Haringer-Straße 8/Techno 5
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Tel.: +43 662 8044-4845