Uwe Neumayr erhält Raimund Bollenberger Preis 2024
DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte vergab Mitte Oktober bereits zum fünften Mal den Raimund Bollenberger Preis für herausragende wissenschaftliche Arbeiten junger Akademikerinnen und Akademiker. In diesem Jahr wurde der Preis an Dr. Uwe Neumayr, Universitätsassistent (Postdoc) am Fachbereich Privatrecht der PLUS, für seine Dissertation „Obsoleszenz im Zivilrecht“ und an Dr. Felix Artner von der WU Wien für seine Arbeit zum Thema „Der Beweis im Versicherungsrecht“ verliehen.
Der Raimund Bollenberger Preis wird von DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte jährlich zum Andenken an Raimund Bollenberger vergeben. Raimund Bollenberger war Universitätsprofessor für Zivil- und Unternehmensrecht an der WU Wien sowie Rechtsanwalt und Partner bei DSC Doralt Seist Csoklich.
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„Obsoleszenz im Zivilrecht“
Die prämierte Dissertation von Dr. Uwe Neumayr untersucht die zivilrechtliche Erfassung der Obsoleszenz von Waren. Obsoleszenz liegt dann vor, wenn die tatsächliche Lebens- bzw Nutzungsdauer die berechtigterweise erwartete Lebens- bzw Nutzungsdauer unterschreitet. Behandelt wird dabei auch, wie das Zivilrecht zur Verlängerung der Produktlebens- und Nutzungsdauer und damit zu einer nachhaltigen Wirtschaftsform beitragen kann. Der Untersuchungsgegenstand lässt sich grob in vier Fallkonstellationen unterteilen: geringe Haltbarkeit, fehlende Reparierbarkeit, unzureichend Kompatibilität und fehlende Aktualisierungen.
Obsoleszenz ist ein Fall des qualitativen Marktversagens, das primär auf Informationsdefizite und Informationsasymmetrien zurückgeführt werden kann. Dem kann durch vorvertragliche Informationspflichten entgegengewirkt werden. Im Einzelfall kann der Verkäufer dazu verpflichtet sein, den Käufer über Eigenschaften wie Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Kompatibilität zu informieren. Er trägt dabei die vertragliche Verantwortung dafür, dass der Käufer vollständig und richtig informiert wird. Verfügt der Verkäufer nicht über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, so muss er sich die Informationen von einem Dritten beschaffen, der ihm als Erfüllungsgehilfe zugerechnet wird. De lege ferenda können standardisierte Informationspflichten über obsoleszenzrelevante Eigenschaften und Kosten des Produkts pro Nutzungsperiode für Markttransparenz sorgen und ein Marktversagen verhindern.
Weicht die Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Kompatibilität vom vernünftigerweise erwarteten und üblichen Standard ab oder wird eine Ware mit digitalen Elementen nicht ausreichend aktualisiert, so liegt darin ein gewährleistungsrechtlicher Mangel, der – in den ersten drei Fällen – aufgrund seiner Ursache im Herstellungsprozess regelmäßig schon bei Übergabe vorgelegen hat. Aufgrund der kurzen Gewährleistungsfristen können aber kaum Ansprüche geltend gemacht werden. De lege lata lässt sich dies im Wege der Vertragsauslegung in bestimmten Fällen abschwächen. Darüber hinaus kann die kurze Frist mit Schadenersatz statt Gewährleistung umgangen werden. Entgegen der hA sind Hersteller nämlich Erfüllungsgehilfen des Verkäufers. De lege ferenda zeigt sich anhand einer – auch ökonomischen – Analyse des Gewährleistungsrechts, dass das Fristenproblem durch kenntnisabhängige Gewährleistungsfristen gelöst werden kann, ohne die Interessen des Verkäufers zu vernachlässigen.
Die prämierten Arbeiten wurden ausgewählt von einer dreiköpfigen Jury, bestehend aus Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski, Univ.-Prof. Dr. Stefan Perner und DSC-Partner Hon.-Prof. Dr. Peter Csoklich, und im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung in der Sky Lounge der WU Wien übergeben.