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Unbekannte Stimmen im Schlafzimmer? Das Gehirn merkt’s!

Eine gute Nachtruhe ist komplexer als es zunächst scheint. Während wir schlafen, «beobachtet» das Gehirn weiterhin die Umgebung. Diese Fähigkeit erlaubt es, das Bedürfnis nach ungestörtem Schlaf mit der Notwendigkeit auf Ungewöhnliches reagieren zu können, in Einklang zu bringen. Ein Beispiel dafür, wie das Gehirn dies bewerkstelligt, ist die selektive Reaktion auf unbekannte im Vergleich zu vertrauten Stimmen, wie eine neue im Journal of Neuroscience veröffentlichte Studie zeigt.

Forschende der Paris Lodron Universität Salzburg untersuchten die Gehirnaktivität von schlafenden Erwachsenen als Reaktion auf die Präsentation bekannte und unbekannte Stimmen. Unbekannte Stimmen lösten mehr sogenannte K-Komplexe aus als bekannte Stimmen.

Bei den K-Komplexen handelt es sich um ein spezielles Muster von Gehirnwellen, das mit der Verarbeitung akustischer Reize während des Schlafs verbunden ist.

Zwar konnten auch vertraute Stimmen K-Komplexe auslösen, doch nur die von unbekannten Stimmen ausgelösten gingen mit weitreichenden Veränderungen der Gehirnaktivität einher, die auf eine tiefergehende sensorische Verarbeitung hindeuten.Die Reaktionen des Gehirns auf die unbekannte Stimme traten zudem seltener auf, je länger die Nacht dauerte und damit je vertrauter die Stimme wurde.

Das deutet darauf hin, dass das Gehirn im Schlaf noch in der Lage ist zu lernen. Die Ergebnisse der Salzburger Forschenden deuten darauf hin, dass K-Komplexe es dem Gehirn ermöglichen, in einen „Wächter-Verarbeitungsmodus“ einzutreten, in dem das Gehirn zwar schläft, aber in der Lage ist, auf relevante Reize zu reagieren.

Zur Studie im Journal of Neuroscience

Titel:  „The brain selectively tunes to Unfamilair Voices during Sleep.“ by Mohamed Ameen, Chrisitne Blume, Domink Heib & Manuel Schabus. Online tonight after 7pm CET (   https://www.jneurosci.org/lookup/doi/10.1523/JNEURO)

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“Virtuelles Schlaflabor “ in den eigenen vier Wänden

Zurzeit arbeitet das Forschungsteam des Schlaflabors der PLUS auch an einem digitalen Angebot, das mit wissenschaftlich evaluierten Elementen ähnlich einer Verhaltenstherapie den Schlaf verbessern soll. Ein ambulantes Monitoring mit einfachen Brustgurten erlaubt zudem ein methodisch hochwertiges Vermessen des Schlafs und stellt eine Art “Virtuelles Schlaflabor “ in den eigenen vier Wänden dar. Unter    www.gesunderschlaf.coach kann jede*r das kostenlos ausprobieren. Die nächste Studie der Forschenden beginnt Ende Februar 2022 und wird mit einer professionellen App “Nukkuaa” versuchen, Schlafcoaching und Schlafanalyse günstig nach Hause zu bringen.

Argumente für gesunden Schlaf

Dass gesunder Schlaf nicht nur in Hinblick auf beruflichen Erfolg Sinn macht, erklärt der Schlafforscher Universitätsprofessor Dr. Manuel Schabus vom Fachbereich Psychologie sowie vom Schwerpunkt Centre for Cognitive Neuroscience Salzburg (CCNS) der PLUS:

„Der Zustand unter Schlafmangel zeichnet sich durch vermindertes Bewusstsein und weniger Kontrolle und Selbsteinsicht aus. Schlafmangel macht uns weniger leistungsfähig, weil sich das Gehirn im Schlaf erholt, speziell der Frontallappen, der für Exekutive Funktionen notwendig ist. Deswegen machen wir unter Schlafmangel auch wesentlich mehr Fehler bei der Arbeit, konzentrieren uns schlechter und sie sind emotional irritierter. Es kommt zu einer Steigerung automatisierter Verhaltensweisen, die weniger gut kontrolliert und gesteuert werden können. Unter schwerem Schlafmangel können monotone Aufgaben weiterhin sehr gut durchgeführt werden, aber es passieren sehr viele Fehler unter komplexen Entscheidungssituationen.

Gerade in Berufen mit hohem Anforderungsprofil ist ausreichend und viel Schlaf für gute Entscheidungen also zentral. Zudem darf man nicht vergessen, dass sowohl die psychische Stabilität als auch das Immunsystem von der Erholung im Schlaf abhängen und man wenig gewonnen hat, wenn man aufgrund von zu wenig Schlaf öfter als nötig im Krankenstand angeschlagen zu Hause liegt.

Wieviel Schlaf man braucht, ist individuell unterschiedlich und lässt sich im Urlaub oder den Ferien austesten. Grundsätzlich lautet die Empfehlung der Fachgesellschaften circa acht Stunden im Bett zu liegen. Man kann zwar punktuell auch am Nachmittag etwas vor- und nachschlafen, aber hat man erst einmal mehrere Stunden Schlaf in einer Woche „verloren“, so bekommt man diese Form der Erholung nie wieder zurück. Abgerechnet wird am Lebensende und es gibt erschreckende Zusammenhänge zwischen verkürzter Lebenszeit und chronisch zu kurzem Schlaf, was jedem Menschen zu denken geben sollte.“

Weiterführendes

Univ.-Prof. Dr. Manuel Schabus

Paris Lodron Universität Salzburg | FB Psychologie | Centre for Cognitive Neuroscience Salzburg (CCNS)

Hellbrunnerstraße 34 | A-5020 Salzburg

E-Mail an Univ.-Prof. Dr. Manuel Schabus

Foto: © Luigi Caputo

Gehirnstrom-Messung