SERGIOS VON REŠʿAYNA UND DIE ANFÄNGE SYRISCHER PHILOSOPHIE
Im Mittelpunkt eines vom FWF geförderten Projekts am Zentrum zur Erforschung des Christlichen Ostens steht die Frage nach der Rolle der syrischen Christen im Prozess der mittelalterlichen Überlieferung des antiken griechischen Wissens.
Zwischen 2021 und 2025 fördert der Österreichische Wissenschaftsfond (FWF) ein Projekt von Priv.-Doz. Dr. habil. Yury Arzhanov vom Zentrum zur Erforschung des Christlichen Ostens (ZECO) der Paris Lodron Universität Salzburg. Seit 2018 unterrichtet Yury Arzhanov Geschichte der syrischen wissenschaftlichen und philosophischen Literatur im Rahmen des Universitätslehrgangs „MA in Syriac Theology“ (geleitet von Dr. Aho Shemunkasho).
Sein Projekt zu Sergios von Rešʿayna fragt nach der Rolle der syrischen Christen im Prozess der Überlieferung von antikem griechischen Wissen (vor allem der logischen Schriften des Aristoteles) im Mittelalter.
Von Alexandrien nach Bagdad
Dieser Prozess der Überlieferung wird manchmal in der wissenschaftlichen Literatur mit dem Ausdruck „von Alexandrien nach Bagdad“ beschrieben.
Eine Figur, die in diesem Zusammenhang bislang sehr wenig erforscht wurde, ist die von Sergios von Rešʿayna, der am Anfang von diesem historischen Prozess verortet ist. Unter seinem Einfluss steht die ganze syrische (und zum Teil auch die arabische) philosophische Tradition.
Sergios und die syrische philosophische Tradition
Sergios studierte am Ende des 5. Jahrhunderts Medizin und Philosophie in Alexandrien. Sein Lehrer in Philosophie war der berühmte Ammonios Hermeiou, der die philosophische Tradition des 6. Jahrhunderts wesentlich beeinflusst hat.
Nach dem Studium in Alexandrien kehrte Sergios nach Syrien zurück und fing an, griechische medizinische, philosophische und wissenschaftliche Schriften in die syrische Sprache zu übertragen. Da er in diesem Bereich kaum Vorgänger hatte, musste er die Fachsprache neu erfinden.
Die Ergebnisse seiner Arbeit haben die syrischen Gelehrten bis in die frühislamische Zeit beeinflusst (dies bestätigt auch der christlich-arabische Gelehrte, Übersetzer und Arzt Ḥunayn Ibn Isḥāq im 9. Jahrhundert). All das macht Sergios zu einer Art Brücke zwischen der spätalexandrinischen philosophischen und der frühislamischen Tradition. Er wird damit zur Schlüsselfigur in der Überlieferungskette „von Alexandrien nach Bagdad“.
Ziele des Projekts
Das Projekt von Yury Arzhanov untersucht das schriftliche Erbe von Sergios und verfolgt drei Ziele. Es möchte
- die Rolle von Sergios bei der Gestaltung der syrischen philosophischen und wissenschaftlichen Fachbegriffswelt erschließen,
- ein Wörterbuch der Fachterminologie in Sergios-Schriften zusammenfassen sowie
- eine Edition des Sergios-Kommentars zur Kategorienschrift von Aristoteles erstellen. Dieser auf Syrisch verfasste Kommentar wurde auf der Grundlage mündlicher Vorträge seines Lehrers Ammonios geschrieben.
Besonders dieses letzte Projektergebnis wird nicht nur wesentlich zu unserer Kenntnis von Ammoniosʼ philosophischem Profil beitragen, sondern es wird auch den Übergang der Philosophie von den neuplatonischen zu den christlichen Schulen in ein neues Licht stellen.
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Zum Projekt: Das Projekt wird vom österreichischen Wissenschaftsfond (FWF) für eine Laufzeit von 4 Jahren (2021 – 2025) gefördert.