Salzburger Forscher erstellen Risikokarte für Opium-Anbau in Afghanistan
Wissenschaftler des Interfakultären Fachbereichs Geoinformatik ̶ Z_GIS der Universität Salzburg haben gemeinsam mit dem United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) Risikokarten entwickelt, die die Anfälligkeit für den Opium-Anbau in Afghanistan zeigen. Erstmals werden dabei Umweltfaktoren und vor allem sozio-ökonomische Aspekte berücksichtigt. Die Ergebnisse dienen dazu, mögliche Risikogebiete auszuwiesen und zu charakterisieren.
Zusätzlich unterstützen sie Entscheidungsträger vor Ort, passende Entwicklungsmaßnahmen zu identifizieren. Diese mittel- bis langfristigen Maßnahmen zielen vor allem auf soziale und ökonomische Aspekte ab.
Integrative Ausweisung von Risikogebieten
Das Ergebnis zeigt eine Risikokarte für Afghanistan. Durch den gewählten Ansatz wird eine Vielzahl von Faktoren mit entsprechenden Daten in einer Karte integriert. Entscheidungsträger erhalten so einen ersten Überblick über die Risikolandschaft. Zusätzlich lassen sich die Regionen nach Umweltbedingungen und sozio-ökonomischen Faktoren charakterisieren. Dadurch können bestimmte Faktoren genauer untersucht und beobachtet – bzw. übergreifende Entwicklungsmaßnahmen identifiziert werden.
Wesentliche Rolle: Sozio-ökonomische Faktoren und naturräumliche Eignung des Landes
„Zum einen stellt sich die Frage, ob die Region überhaupt für den Anbau von Opium geeignet ist. Dafür sind Faktoren wie die Bodenbeschaffenheit, die klimatischen Bedingungen und die Verfügbarkeit von Wasser ausschlaggebend. Auch die Frage, wie das Land derzeit genutzt wird, spielt eine Rolle“, so Dr. Stefan Kienberger, Projektleiter Z_GIS, „ist die Region geeignet und kommen Faktoren wie Armut, schlechte Bildung und mangelnde Information oder politische Instabilität dazu, sind diese Regionen in höchstem Maß gefährdet.“ Die Auswahl der Faktoren wurde gemeinsam mit Vertretern des UNODC bzw. Experten aus Afghanistan erstellt und bewertet.
Neun Faktoren ausschlaggebend für die sozio-ökonomische Verwundbarkeit einer Region
Die Forscher haben insgesamt neun Indikatoren ausgemacht, die für die Verwundbarkeit ausschlaggebend sind. Entscheidend ist, ob es für Bauern auch alternative Einkommensmöglichkeiten gibt oder ob für einen Neustart Kredite zur Verfügung stehen.
Ein weiterer wesentlicher Faktor ist der Zugang zu Bildung, aber auch zu Informationen über Projekte zur Unterstützung der Bauern. „Es gibt einige Initiativen, die Bauern dabei helfen, alternative Möglichkeiten für ihren Lebensunterhalt zu nutzen“, so Kienberger, „allerdings ist das Bewusstsein darüber nicht in allen Regionen gleich stark ausgeprägt.“
„Ob sich Bauern zum Opium-Anbau verleiten lassen, darüber entscheidet neben den wirtschaftlichen Möglichkeiten vor allem auch der Zugang zu öffentlichen und wirtschaftlichen Einrichtungen“, so Kienberger weiter, „leben sie in zentraler Lage oder können sie zumindest relativ einfach und schnell die nächste Stadt erreichen, verschafft ihnen das Zugang zu verschiedenen Dienstleistungen. Dadurch verringert sich das Risiko.“ Als Kriterium haben die Forscher die Fahrzeit zur nächstgelegenen Stadt mit mindestens 50.000 Einwohnern herangezogen.
Nicht zuletzt sind die (politische) Stabilität und die Regierungsführung einer Region ausschlaggebend dafür, ob diese anfällig für den Opium-Anbau ist. Dieses Kriterium geht einher mit der Frage, ob die politischen Autoritäten von den Bürgern anerkannt werden.
Räumliche Genauigkeit des Forschungsansatzes ermöglicht punktgenaue soziale Maßnahmen
Für die Analyse wurden frei verfügbare Geodaten und von UNODC und dem afghanischen Ministry of Counter Narcotics (Ministerium für Drogenbekämpfung) erhobene Datensätze verwendet, insbesondere auch die Daten des Opium Survey des UNODC und des Ministeriums. Auf Basis dieser georeferenzierten Umfrage wurde eine Reihe von sozialen und ökonomischen Daten gesammelt. In Kombination mit neuen, von Z_GIS- Forschern entwickelten Ansätzen lassen sich Risikoregionen unabhängig von administrativen Einheiten ausweisen. Dadurch wird die räumliche Genauigkeit der Ergebnisse erhöht. Gleichzeitig lassen sich mit diesem Ansatz die notwendigen Defizitfaktoren für jede Region individuell identifizieren. Entscheidungsträger können auf dieser Basis die jeweils erforderlichen sozialen Maßnahmen setzen, um das Risiko für den Opium-Anbau zu reduzieren.
Risiko-Faktoren variieren
Die Risiko-Faktoren variieren von Region zu Region. So halten beispielsweise in einigen Regionen der Provinz Badakhshan im Nordosten Afghanistans Umweltbedingungen ̶ speziell das Klima ̶ das Risiko vergleichsweise niedrig, obwohl sozio-ökonomische Faktoren zum Anbau verleiten könnten. In der Provinz Nangarhar im Süden Afghanistans stieg der Opium-Anbau im Jahr 2014, obwohl die Region nach sozio-ökonomischen Faktoren kaum gefährdet war. „Das zeigt, dass viele verschiedene Antriebsfaktoren für den Opium-Anbau relevant sind“, so UNDOC-Vertreterin und Projektverantwortliche Irmgard Zeiler, „Initiativen, mit denen Risikofaktoren ausgeglichen werden sollen, müssen daher sehr genau an die lokalen Bedingungen angepasst werden. Dafür sind die vom Z_GIS entwickelten Risikokarten ein sehr wertvolles Werkzeug.“
Die Forschung wurde von der Europäischen Kommission innerhalb des FP7-Projektes G-SEXTANT unterstützt (Fördernummer 312912).
Bild 1: Opiumanbau in Afghanistan – Die Mohnkapseln werden angeritzt, um den Milchsaft zu gewinnen, aus dem Opium gewonnen werden kann (©: UNODC/MCN)
Bild 2: Risikokarte des Opium-Mohnanbaus in Afghanistan. Rote Regionen weisen eine besonders hohe Anfälligkeit für Mohnanbau auf (©: Z_GIS/UNODC)