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Presentations as part of the Appointment Process to Assign the Professorship of “Judaistik unter besonderer Berücksichtigung der Jüdischen Kulturgeschichte”

Donnerstag, 23. April 2015  
10.30 Uhr, SR E.33 (Abguss-Sammlung, Residenzplatz 1, Salzburg)
Dr. Ottfried Fraisse
Grenzgänger oder Schmuggler? Die (Wieder)Entdeckung der Aggada im 19. Jahrhundert und ihr Grenzverkehr mit dem Islam
Abstract
Noch nicht in der jüdischen Aufklärung (Haskala), aber in der sich anschließenden wissenschafts-politischen Bewegung der Wissenschaft des Judentums erlebte die Aggada eine ungewöhnliche Karriere. Es war Leopold Zunz, der die Aggada sowohl als ein Mittel zur Historisierung als auch zum Nachweis der Kontinuität der jüdischen Traditionen (wieder-) entdeckte. Die Konzeptionalisierung der Aggada als ein Mittel zur Historisierung der eigenen Tradition, aber auch zur Selbstvergewisserung innerhalb der Moderne hat Abraham Geiger nach früheren Modellen dieser doppelten Aktivität der Aggada fragen lassen. Ich möchte zeigen, dass Geiger in der Freilegung des Verhältnisses zwischen der jüdischen Aggada und dem Koran einerseits die Gelegenheit zur kulturübergreifenden Historisierung erkannte; andererseits folgte er auch Zunz’ Konzept der Aggada, insofern dieses für einen Akt kultureller Selbstbehauptung und Grenzziehung stand – eine Spannung, von der nicht nur Geigers, sondern auch die spätere jüdische Koranforschung zeugt.  
Im Anschluss:
15-minütiger Lehrvortrag zum ersten Kapitel des Mischna-Traktats „Pirqe Avot“ (Sprüche der Väter) (1,1-5)

13.20 Uhr, SR 0.18 (Altphilologie, Residenzplatz 1, Stiege 1, Salzburg)
Prof. Dr. Johannes Heil
„Apostoloi“ und „Rebbites“ im spätantiken Venusia – Zur Rezeption des rabbinischen Judentums im westlichen Mittelmeerraum
Abstract
Zeugnisse jüdischen Lebens in der spätantiken mediterranen Diaspora abseits Eretz Israel sind spärlich. Betrachtet man sie nicht isoliert, sondern in ihrem kulturellen Kontext, dann sind sie sehr wohl aussagekräftig und geben Hinweise zur Entwicklung jüdischen Lebens fernab der Kernlande des rabbinischen Judentums. Der Vortrag befasst sich mit Venusia/Venosa an der Via Appia, wo sich Präsenz und Wandlung jüdischer Kultur, wenngleich mit Brechungen, vom ca. 4. bis Mitte des 9. Jh. verfolgen lassen. Im Zentrum steht eine Inschrift aus den spätantiken Katakomben der Stadt zum Gedenken an die 14-jährige Faustina, die Rangtitel (rebbites) nennt und Hinweise auf überregionale Kommunikation (apostoloi) gibt. Sie ist in der Forschung wiederholt diskutiert worden und entzieht sich einer einfachen Deutung. Der Vortrag geht der Frage nach, welche Hinweise auf Bedingungen und Verlauf der Ausbreitung des rabbinischen Judentums nach Westen sich daraus beziehen lassen.  
Im Anschluss:
15-minütiger Lehrvortrag zum ersten Kapitel des Mischna-Traktats „Pirqe Avot“ (Sprüche der Väter) (1,1-5)

15.10 Uhr, SR 0.18 (Altphilologie, Residenzplatz 1, Stiege 1, Salzburg)
apl. Prof. Dr. Gerold Necker
Weltordnung und Lebenswelt: Eine kurze rabbinische Geschichte der Zeit
Abstract
Die hebräische Schrift Seder Olam Rabba („Große Weltordnung“) gilt als ältester Versuch des rabbinischen Judentums, die biblischen Angaben von der Schöpfung bis zur Zeit des Zweiten Tempels chronographisch zu verbinden. Auf dieser Grundlage soll die traditionelle Jahreszählung des jüdischen Kalenders entstanden sein. Wann und gegen welche konkurrierenden Berechnungen sie sich durchsetzen konnte, ist historisch und geographisch noch immer nicht eindeutig zu belegen. Zur möglichen Beantwortung dieser Fragen wird der Vortrag auf literarische und konzeptionelle Aspekte der „Großen Weltordnung“ eingehen und am Ende die frühe Rezeptionsgeschichte jüdischer Zeitrechnungen in der spätantiken Lebenswelt in den Blick nehmen.  
Im Anschluss:
15-minütiger Lehrvortrag zum ersten Kapitel des Mischna-Traktats „Pirqe Avot“ (Sprüche der Väter) (1,1-5)

17.00 Uhr, SR 0.18 (Altphilologie, Residenzplatz 1, Stiege 1, Salzburg)
Univ.-Prof. Dr. Susanne Plietzsch
Das (vergessene) Wissen des Säuglings. Person und Tora in bNidda 30b
Abstract
Die hermeneutische Reflexion dessen, was ‚Tora‘ ist, entwickelt sich, beginnend in der Mischna, in der rabbinischen Literatur zu einem Leitdiskurs. Während ‚Tora‘ in früheren rabbinischen Werken eher auf den Text des Pentateuch bzw. auf die Torarolle referiert, wird der Begriff in weiterer Folge zu einem identitätsstiftenden Konzept entfaltet, mit dem Welt und Geschichte gedeutet werden können. Insbesondere gehören Tora und Anthropologie zusammen, was anhand des Abschnitts Nidda 30b im Babylonischen Talmud gezeigt werden soll, jener Passage, in der dargelegt wird, dass dem menschlichen Fötus noch vor der Geburt die ‚ganze Tora‘ gelehrt würde. In welches Verhältnis setzen die rabbinischen Autoren mit dieser Metapher (die sich in den verschiedensten philosophischen und literarischen Kontexten wieder auffinden lässt) die Tora und die menschliche Person? Und: Gibt es einen Subtext jenseits religiöser Festschreibungen?  
Im Anschluss:
15-minütiger Lehrvortrag zum ersten Kapitel des Mischna-Traktats „Pirqe Avot“ (Sprüche der Väter) (1,1-5)

Freitag, 24. April 2015  
9.00 Uhr, SR E.33 (Abguss-Sammlung, Residenzplatz 1, Salzburg)
Prof. Dr. Nathanael Riemer
Quelle eines gemeinsamen Wertekanons oder willkommener Anlass zur Polemik? Eine jüdisch-christliche Freundschaft aus dem Wien des 17. Jahrhunderts im Spannungsbogen zwischen Scheitern und Modellcharakter für interkulturelle Beziehungen
Abstract
In meinem Vortrag möchte ich anhand zweier ausgewählter Personen, Johann Christoph Wagenseil und Chaggai Chanoch Fränkel, einen Einblick in die Arbeitsgemeinschaft zwischen einem Juden und Christen gewähren, die für die Frühe Neuzeit außergewöhnlich ist. Ergebnisse dieser Beziehung schlagen sich in den gedruckten Werken des christlichen Hebraisten wie auch in der Korrespondenz beider Gelehrten nieder. Im Gegensatz zu den polemischen Literaturen, welche die zahlreichen Kontakte zwischen Juden und Christen im Alltag durch verzerrte Fremdbilder zu verhindern suchten, können die Briefe als Dokumente gelten, welche unmittelbar aus den Begegnungen verschiedener Kulturen entspringen. Ziel meines Vortrages ist es, zu überlegen, wozu das Studium von frühneuzeitlichen Texten für uns heute relevant sind, in denen sich sowohl Diskurse über gemeinsame Quellentexte als auch divergente Narrationen abzeichnen.  
Im Anschluss:
15-minütiger Lehrvortrag zum ersten Kapitel des Mischna-Traktats „Pirqe Avot“ (Sprüche der Väter) (1,1-5)

10.50 Uhr, SR E.33 (Abguss-Sammlung, Residenzplatz 1, Salzburg)
PD Dr.phil. Ursula Schattner-Rieser
„Und man fand ein Buch … verborgen unter einer Schicht“* Jüdisches Handschriftenerbe in mittelalterlichen Bucheinbänden. Ein Beitrag zur Geschichte des Kulturraubs
Abstract
Die jüdische Schriftkultur gehört zu den ältesten der Welt – seit Jahrhunderten wird das handschriftliche Kulturerbe mit der gleichen Sorgfalt weitertradiert. Da oftmals Opfer von Kulturraub und Vandalismus, ist das jüdische Kulturerbe ähnlich dem jüdischen Volk selbst, über die ganze Welt zerstreut. Wertvolle Bruchstücke der literarischen Produktion überlebten jedoch in mittelalterlichen christlichen Bucheinbänden. Diese Fragmente bieten einzigartige Einblicke in die jüdische Geschichte und seine Buchkultur im mittelalterlichen Europa, sowie in Philologie und Geschichte allgemein. Zugleich sind sie Zeugnisse einer bewegten Vergangenheit zwischen Christen und Juden, gezeichnet von Antisemitismus und Intoleranz. Der Vortrag gibt einen Einblick in diese fragmentierte Welt mit Bezugnahme auf die schlummernden Schätze in österreichischen Bibliotheken. 
Im Anschluss:
15-minütiger Lehrvortrag zum ersten Kapitel des Mischna-Traktats „Pirqe Avot“ (Sprüche der Väter) (1,1-5)

12.40 Uhr, SR E.33 (Abguss-Sammlung, Residenzplatz 1, Salzburg)
Dr. Willem F. Smelik
Die Sprachen des Wissenstransfers in der frührabbinischen Kultur
Abstract
Inwieweit die Juden im ersten, zweiten und dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung noch hebräisch sprachen, ist öfters im Zusammenhang der mehrsprachlichen Welt im römischen Palästina diskutiert worden, die ihren Niederschlag unter anderem in der zweisprachig abgefassten Literatur des frühen Judentums gefunden hat. Mittlerweile bleibt das Verständnis der Landessprache in Modellen der Diglossie oder alternative Gliederungen der Sprachen einerseits und in einer eingleisigen Auffassung der jüdischen Sprachtheorie angesichts der Heiligen Zunge andererseits stecken. Die vielfältigen Weisen auf der die aramäische und hebräische Sprachen sich in den unterschiedlichen Dokumenten auf einander beziehen sind bis jetzt unvollständig erarbeitet und verstanden worden. Diese Veranstaltung befasst sich deshalb insbesondere mit der sprachlichen Wirklichkeit des Wissenstransfers der rabbinischen Kultur vor dem Hintergrund der Landessprachen, des Begriffs der Heiligen Sprache und der sich entfaltenden funktionellen Auslese und Differenzierung der verschrifteten Sprachen. Zuerst wird der Einsatz von Sprachen im Talmud Jeruschalmi im Rahmen von zeitgenössischen Dokumenten und sozio-linguistischen Theorien betrachtet. Die Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die Eigenschaften der damaligen Landessprache und auf das entsprechende, sich herausbildende Sprachverständnis der rabbinischen Gelehrten ins talmudische Zeitalter, und damit schließlich auf die Epistemologie der talmudischen Epoche.  
Im Anschluss: 15-minütiger Lehrvortrag zum ersten Kapitel des Mischna-Traktats „Pirqe Avot“ (Sprüche der Väter) (1,1-5)

Margarete Heinz

Sekretariat

Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte

Residenzplatz 1, 5010 Salzburg

Tel: 0662-8044-2961

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