Online-Meldesysteme von Kindern kaum genutzt
Die bisherigen Online-Meldesysteme werden offenbar nur selten genutzt lediglich 13 Prozent der europäischen Kinder, die im Internet Belastendes erlebt haben, haben dies mit Hilfe eines solchen Systems angezeigt, in Österreich taten dies elf Prozent. In dieser Hinsicht gibt es noch viel zu tun, so die Schlussfolgerung eines neuen Berichts des Forschungsnetzwerks EU Kids Online.
Neue Befunde einer europäischen Studie zum Schutz von Kindern vor Internet-Risiken:
Anlass für den Forschungsbericht ist ein Treffen am 11. Juli 2012 in Brüssel, bei dem führende Vertreter aus Internetwirtschaft, Politik und Nichtregierungsorganisationen über Maßnahmen beraten, die das Internet für Kinder sicherer machen sollen. Die als „Coalition to make the internet a better place for kids“ bezeichnete Gruppe arbeitet an folgenden Schwerpunktthemen: einfach bedienbare Online-Meldesysteme, altersangemessene Privatheitseinstellungen, verstärkte Nutzung von Klassifikationssystemen für Internet-Inhalte und größere Verbreitung von Softwarehilfen für Eltern. Der Bericht von EU Kids Online liefert dazu auf der Grundlage einer Befragung bei 25.000 Kindern zwischen neun und 16 Jahren in 25 europäischen Ländern Hintergrundinformationen und weist auf Probleme der einzelnen Maßnahmen hin.
Online-Meldesysteme
Zu der bisher seltenen Nutzung von Meldesystemen sagt Univ.-Prof. Dr. Ingrid Paus-Hasebrink, Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg und verantwortlich für den österreichischen Teil der EU Kids Online-Studie: „Es muss sichergestellt sein, dass Kindern Möglichkeiten geboten werden, Hilfe zu finden oder sich schlicht zu beschweren, wenn sie sich im Internet verletzt fühlen. Online-Meldesysteme sind dafür ein erster, wichtiger Schritt – dies jedoch nur, wenn sie gut sichtbar angebracht und leicht bedienbar sind. Besonders wichtig ist ein vertrauensvolles Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern und dass diese ein offenes Ohr für die Belange ihrer Kinder haben.“
Privatheitseinstellungen
Rund ein Viertel der Neun- bis 16-Jährigen, die ein Profil auf einer sozialen Netzwerkplattform eingerichtet haben, machen ihre Informationen öffentlich zugänglich. Dabei spielt Kompetenz eine wesentliche Rolle: In dieser Gruppe ist der Anteil derjenigen, die nicht wissen, wie man die Privatheitseinstellungen ändern kann, besonders hoch. Auch die Haltung der Eltern spielt eine Rolle: Öffentliche Profile sind vor allem bei denen zu beobachten, denen die Eltern verboten haben, überhaupt ein Profil einzurichten. Dass die Profile von Jüngeren seitens der Anbieter auf „privat“ voreingestellt sein sollten und dass ansonsten gezielte Kompetenzförderung erforderlich ist, sind die Hauptschlussfolgerungen zu diesem Bereich.
Klassifikation von Internet-Inhalten
Wie frühere Berichte aus dem EU Kids Online-Netzwerk gezeigt haben, werden viele Kinder im Internet mit potenziell belastenden Inhalten konfrontiert; neben Pornographie (14% der Neun- bis 16-Jährigen) gehören dazu z.B. Hassseiten (12% der Elf- bis 16-Jährigen) oder Magersucht- (10% der Elf- bis 16-Jährigen, aber 20% der 14- bis 16jährigen Mädchen) und Suizid-Foren (5% der Elf- bis 16-Jährigen). Dies unterstreicht die Bedeutung der laufenden Bemühungen um Klassifikationssysteme, die dem Kinder- und Jugendschutz gerecht werden, ohne die Zugänglichkeit von Informationen im Internet nachhaltig zu beschneiden.
Jugendschutzprogramme
Technische Filter und andere Jugendschutzprogramme werden von etwa einem Drittel der Eltern (33%) von Neun- bis 16-Jährigen in Europa eingesetzt, in Österreich liegt dieser Anteil exakt im europäischen Mittel von 33 Prozent. Ausschlaggebend für die Nutzung ist die Internetkompetenz der Eltern; außerdem spielen diese Maßnahmen insbesondere bei jüngeren Kindern eine Rolle. Univ.-Prof. Dr. Ingrid Paus-Hasebrink merkt zu diesem Thema an: „Da zunehmend jüngere Kinder das Internet nutzen, bieten sich technische Systeme als zusätzliche Maßnahme zur Vermeidung von Risiken an. Allerdings kennen viele Eltern diese Systeme bisher noch nicht. Daher erscheint es überfällig, entsprechende Aufklärung bei Eltern zu betreiben und sie auf unterschiedlichen Ebenen, unter anderem durch Informationen in den Medien, immer wieder auf Möglichkeiten einer sichereren Online-Nutzung für ihre Kinder hinzuweisen.“
Rückfragen:
Univ.-Prof. Dr. Ingrid Paus-Hasebrink
oder Philip Sinner, und Fabian Prochazka,(0662 8044 4195).
Das österreichische Teilprojekt wird gefördert von den Landesjugendräten der Bundesländer der Republik Österreich sowie vom Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ).
Die Ziele der „Coalition to make the internet a better place for kids“ sind hier dokumentiert: http://ec.europa.eu/information_society/activities/sip/self_reg/index_en.htm
Weitere Informationen zu Jugendschutz im Internet und zu www.stopline.at finden sich unter http://www.saferinternet.at/themen/jugendschutz/ auf dem Online-Angebot von www.saferinternet.at .
Informationen zu EU Kids Online und zu der europaweiten Befragung:
Der Forschungsverbund EU Kids Online verfolgt das Ziel, das Wissen über positive und negative Erfahrungen von Kindern und Eltern mit dem Internet zu erweitern und damit eine empirische Grundlage für Maßnahmen zur Förderung des sicheren Umgangs mit dem Internet zu bieten. Das Verbundprojekt wird im Rahmen des EU Safer Internet Programms gefördert (SI-2010-TN-4201001).
Die Studie basiert auf rund 25.000 Interviews in 25 europäischen Ländern. In jedem Land wurde im Sommer 2010 eine repräsentative Stichprobe von neun- bis 16-jährigen Internetnutzern befragt; die Befragung fand zu Hause statt; heikle Passagen des Fragebogens konnten die Kinder und Jugendlichen mit Hilfe eines selbst auszufüllenden Fragebogens beantworten.
Folgende Ländern waren an der Erhebung beteiligt: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Litauen, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowenien, Spanien, Tschechien, Türkei, Ungarn und Zypern. Zusätzlich gehören dem Verbund Teams aus Island, Kroatien, Lettland, Luxemburg, Malta, Russland, der Schweiz und der Slowakischen Republik an.
Ausführliche Ergebnisse der Studie enthält der folgende Bericht: Livingstone, S., Haddon, L., Görzig, A., and Ólafsson, K. (2011). Risks and safety on the internet: The perspective of European children. Full findings. LSE, London: EU Kids Online. Weitere Berichte und Angaben zur Methode finden sich unter www.eukidsonline.net.