Neues Ethik-Projekt: Kann die Digitalisierung menschenwürdig gestaltet werden?
Wie sehr prägt die Digitalisierung unser Menschenbild, also die Vorstellungen, die wir von Menschen haben? Dieser Frage gehen der Ethiker Michael Zichy und der Rechtsphilosoph Stephan Kirste nach – in dem mit 350.000 Euro vom Land Salzburg geförderten Projekt „Digitalisierung, Menschenbild und Menschenwürde“ (im Rahmen der „Digital Humanities Initiative“). Im Fokus des Projekts stehen der Einsatz von Pflegerobotern und die Verwendung von Datenprofilen. Ziel des Projekts ist es, Empfehlungen für eine menschenwürdig gestaltete Digitalisierung zu formulieren.
Unser Denken und Verhalten wird durch Vorannahmen beeinflusst, was und wie ein Mensch zu sein hat. Diese Menschenbilder bilden den Menschen aber nicht nur ab, sie bilden ihn vielfach mit, sie sind fundamental für eine Gesellschaft, sie durchziehen ihre Ordnungen, ihre Moral, ihr Rechtssystem, ihre Pädagogik, betont Michael Zichy vom Fachbereich Philosophie KTH der Paris Lodron Universität Salzburg. „Man könnte sagen, dass eine Gesellschaft sich im Laufe der Zeit immer mehr dem annähert, was sie glaubt, dass der Mensch ist. Sind die entscheidenden Fähigkeiten die Vernunft, die Empathie-Fähigkeit, die Tapferkeit oder die Fähigkeit, sich sozial unterzuordnen? Verschiedene Gesellschaften setzen verschiedene Schwerpunkte und je nachdem welchen Schwerpunkt eine Gesellschaft setzt, wird sie die nachfolgende Generation genau dahingehend erziehen. Es handelt sich um eine Art selbsterfüllende Prophezeiung.“
Mit der Digitalisierung werden – so Zichy – reduktionistische Menschbilder transportiert, Menschen sehen sich ständig unter einer Datenbrille. „Die Reduktion auf Daten ist zwar kein neuer Aspekt, man kennt sie etwa in der Bürokratie, neu aber ist das enorme Ausmaß und das Vertrauen, das Menschen in die Zuverlässigkeit der Daten haben. Denken Sie zum Beispiel an die Quantified Self– Bewegung, also den Trend zur digitalen Selbstvermessung und Selbstoptimierung, etwa mit Smartwatches, die alle körperlichen Daten erfassen. Menschen, die sich zunehmend auf diese Maschinen verlassen, laufen Gefahr, das Gespür für ihren Körper zu verlieren. Dazu kommt, dass diese Technologie ungeheuer immersiv ist, sie ist überall, heute liegt das Smartphone am Esstisch.“
Zichy und Kirste, der Leiter des Fachbereichs Fachbereich Völkerrecht, Europarecht und Grundlagen des Rechts, wollen in dem Projekt herausfinden, worauf man achten müsse, wenn die Digitalisierung menschenwürdig gestaltetet sein soll. Moderne Gesellschaften haben den Anspruch, dass Menschenwürde ihr Leitwert ist. Menschenwürde ist ein sehr vager Begriff, der jedoch vor dem Hintergrund von Menschenbildern ausgedeutet werden könne, sagt Zichy. Das betrifft zum Beispiel den Pflegebereich.
Wie der Begriff Menschenbild in den verschiedenen Pflege-Lehrbüchern konkret verwendet und den Pflegefachkräften vermittelt wird, das untersucht der Philosoph und Projektmitarbeiter David Jost von der PLUS in seiner Dissertation zum Thema Pflegeroboter und Menschenwürde. „In der Pflege geht man davon aus, dass der Mensch stark nach Selbständigkeit strebt. Hier könnte die Digitalisierung im Positiven eingesetzt werden. Menschen wollen aber auch soziale Beziehungen mit anderen Menschen haben. Da ist der Einsatz von Robotern, die zunehmend dafür entwickelt werden, um soziale Interkationen zu ersetzen, problematisch“, so Jost.
Ein zweiter, von Kirste betreuter inhaltlicher Schwerpunkt des Projekts fokussiert auf Datenprofile. Der Rechtsphilosoph und Projektmitarbeiter Marco Leitner vom Fachbereich Völkerrecht, Europarecht und Grundlagen des Rechts an der PLUS untersucht in seiner Dissertation, auf welche Art Datenprofile Menschenwürde-gerecht eingesetzt werden können. Leitners Ausgangspunkt ist die DSGVO Datenschutzgrundverordnung. „Positive Aspekte von Datenprofilen gibt es zum Beispiel in der Medizin, wo Datenprofile individuelle Behandlungen ermöglichen. Negative Aspekte sind die enormen Manipulationsmöglichkeiten, denken Sie an das politisch hoch problematische „Bubble Building“, also wenn Menschen die Realität immer nur so präsentiert bekommen, wie Algorithmen meinen, dass sie sie sehen wollen.“
Auch mit der Digitalisierung in Wohnräumen, dem Smart Home, setzt sich ein Abschnitt des Projekts auseinander. Die beim Projekt assoziierte Philosophin und Innenarchitektin Theres Bock erforscht, wie intelligente „mitdenkende“ Wohnumgebungen die Bedeutung von Wohn- und Wohlgefühl-Effekten verändern. „Ein Ziel des Projekts wäre, Empfehlungen für eine Regulierung zu formulieren für die engen Bereiche, die wir untersuchen, also im Pflegebereich, bei Datenprofilen, beim Smart Home“, sagt Michael Zichy, der an die Universität Bonn wechselt, aber an der PLUS assoziiert bleibt.
Das Projekt „Digitalisierung, Menschenbild, Menschwürde“ ist im Rahmen der Digital Humanities Initiative des Landes Salzburg entstanden, verfügt über eine Fördersumme von 350.000 Euro und läuft bis 2025.
Foto v.l.n.r.: David Jost, Theres Bock, Stephan Kirste, Marco Leitner, Michael Zichy