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Neuerscheinung: Being Alone in Antiquity

Über 7,6 Milliarden Menschen bevölkern derzeit die Erde. Anfang 2019 waren es rund 83 Millionen Menschen mehr auf dem Planeten als ein Jahr zuvor. Paradoxerweise, je enger es auf der Welt wird, desto einsamer und isolierter fühlt man sich. Europäische Statistiken schlagen diesbezüglich Alarm: Nach einer Studie des Eurostat fühlen sich sechs Prozent der europäischen Bevölkerung über 16 Jahren alleingelassen. Im Kampf gegen dieses folgenreiche Phänomen wurde in Großbritannien 2018 sogar eine Staatssekretärin für Einsamkeit (Minister for Loneliness) ernannt. Alleinsein kann allerdings nicht nur als ein stets tragischer Zustand erlitten werden, sondern kann bisweilen auch als eine heil- und lustvolle Erfahrung gesucht, aktiv initiiert und genossen werden. Diese ambivalente Betrachtungsweise und Bewertung der Einsamkeit ist – wie das Phänomen selber – freilich kein Novum.

Das griechisch-römische Altertum bietet ein breites Spektrum an Ansichten, Vorstellungen, Vorurteilen, Theorien und Phantasien über das Alleinsein. Die Palette an Informationen zu Einsamkeitswahrnehmungen und -formen, an Isolationszielen und -zuständen, die in diversen Quellen des Altertums bezeugt sind, ist vielschichtig: Sie reicht von der wegbereitenden Auffassung des Aristoteles vom Menschen als ein von Natur aus soziales Lebewesen (und damit von der Absonderung als widernatürliche Anomalie) über die Aufforderungen – wie Epikurs lathe biosas – zum Leben „im Verborgenen“, zurückgezogen von der Welt, bis hin zur effektvollen, quasi-schauspielerischen, da Unmengen von Schaulustigen anziehenden Einsamkeit etlicher Asketen, wie jene des Simeon Stylites. Alleinsein ist aber nicht gleich Alleinsein. Die innere, introvertierte Einsamkeit Mark Aurels war in jeder Hinsicht anders als die reale, durch relegatio erzwungene Einsamkeit Ovids. Auch die freiwillige Absonderung, wie die der christlichen Anachoreten und Eremiten, war verschiedentlich motiviert und nahm unterschiedliche Zwischenformen an.

Der antike öffentliche Diskurs bietet vielfältige Informationen, Deutungen und Bewertungen, die einer näheren wie differenzierten Betrachtung bedürfen und die solche Fragen erlauben wie: Wozu (ver)führt Einsamkeit? Zur Gottesnähe und Erlösung, zur Verzweiflung und zum Selbstmord, zum Erfinden und zur Selbsterkenntnis, zum Irrsinn und zur Glückseligkeit? Wie wurden Misanthropen und die mit-sich-allein lebenden Menschen, wie beispielsweise der sprichwörtliche Menschenhasser Timon von Athen, perzipiert und rezipiert? Bedeutete die Lösung aus der Bindung an die Gesellschaft immer den sozialen Tod? Welche Strategien der Einsamkeitsbekämpfung und Integrationsunterstützung gab es in der Antike? Welche gesellschaftlichen Folgen gingen mit den Tendenzen zu Vereinzelung und Individualisierung einher? War die Idee der Selbstgenügsamkeit des Einzelnen stets als Wunsch- oder auch als Schreckbild konzipiert? Worin bestanden die Vorteile, Gefahren, Risiken und der Nutzen des Alleinseins?

Diesen und weiteren Fragen widmet sich der von Dr. Rafal Matuszewski (FB Altertumswissenschaften/Alte Geschichte) herausgegebene Sammelband Being Alone in Antiquity. Greco-Roman Ideas and Experiences of Misanthropy, Isolation and Solitude (2021, De Gruyter).

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Being Alone in Antiquity

Sieglinde Fuger

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