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„Neue Globalität“ durch Corona?

2015 beschlossen die Vereinten Nationen die ‚Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung‘. Sie wiesen auf „weltweite Gesundheitsgefahren“ hin, die drohten „einen Großteil der in den letzten Jahrzehnten erzielten Entwicklungsfortschritte zunichte zu machen“. Damals ahnte niemand, wie real dieses Gefahrenszenario wenige Jahren später werden würde – mit massiven Auswirkungen für praktisch die gesamte Welt.
Überall sind wir Menschen von Folgen der Pandemie betroffen: Gesundheit, Wirtschaft, soziale Sicherheit, Freiheit und Demokratie, Bildung und nicht zuletzt psychische Stabilität werden berührt, teilweise erschüttert. Die Corona-Krise wirkt nicht allein im konkreten Alltag. Ein erweitertes Denken hält durch sie Einzug in Fachgespräche und Debatten über das Verhältnis von Markt und Politik, Überwachung und Datenschutz, Sicherheit und Versammlungs- sowie Religionsfreiheit, usw. 
Veraltetes Modell ‚Globalisierung‘?
Auch das bisherige Modell ‚Globalisierung‘, das sich auf Profitmaximierung, Umweltzerstörung und Deregulierung staatlicher Strukturen gründet, gilt es im Schatten des Virus‘ neu zu verorten. Kritische Stimmen aus Ökologie, Entwicklungsforschung und Wirtschaftswissenschaften zeigen auf: Dieses Wirtschafts- und Politikmodell hat sich angesichts der Corona-Pandemie (einmal mehr, denkt man an die Zerstörung des Regenwaldes im Amazonasgebiet) als ungeeignet, ja desaströs erwiesen. Hinzu kommt, dass die „Vorreiterländer“ (USA, EU, China) keineswegs bei der Bewältigung der Corona-Krise als Vorbilder für den „Rest der Welt“ in Erscheinung traten. Das wirft ein anderes Licht auf das noch geltende Konzept, dass Länder der ‚Dritten Welt‘ in punkto Modernisierung nachzuholen hätten.
Die neue Globalität
Die kritische Diskussion rund um eine internationale Politik, in der Industriestaaten sich die Kontrolle über Ressourcen und Märkte in ärmeren Länder zu sichern versuchen (Neokolonialismus), hat durch die aktuelle Krise neuen Auftrieb erhalten. Kann nach Corona der „Westen“ einzig und allein als Zentrum der „Entwicklung“ bestehen bleiben? Meiner Ansicht nach nicht. Wir brauchen eine neue Globalität als Prozess des Lernens von Anderen; eine Kooperation auf Augenhöhe, wie sie etwa Erwin Kräutler, Träger des Alternativen Nobelpreises, vorlebt, indem er indigene Ortskirchen als Teil eines weltkirchlichen Zusammenhangs wertschätzt.
Das Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen erforscht im Dialog mit Globalisierungstheorien und Entwicklungsforschung neue Wege und Modelle einer partnerschaftlichen Form von Globalität.
Franz Gmainer-Pranzl leitet das Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen der PLUS
Weitere Informationen: www.uni-salzburg.at/ztkr/

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