Nachtaktiv – unser Gehirn schläft nicht!
Dass der Schlaf unser Gedächtnis festigt, konnte die Schlafforschung bereits nachweisen. Forscherinnen und Forscher der Universität Salzburg möchten nun herausfinden, was genau wir während dieser Ruhephase lernen. Erste Tests eines vom Wissenschaftsfonds (FWF) geförderten Projekts zeigten, dass auch unser Bewegungslernen tatsächlich im Schlaf passiert.
Fotonachweis: Universität Salzburg
Proband Patrick Eibenberger – im Bild auf dem speziell angefertigten Inversionsfahrrad – hat als Sportwissenschaftler seine Diplomarbeit dem Thema Bewegungslernen im Schlaf gewidmet.
Ob im Job, in der Schule, im Alltag – den ganzen Tag über sammeln wir Informationen. Wenn unsere Augen schwer werden und wir glauben, keinen klaren Gedanken mehr fassen zu können – erst dann läuft unser Gehirn zur Hochform auf. Während dieser Ruhephase sind alle äußeren Reize abgeschaltet und wir werfen unnötigen „Ballast“ ab, um tatsächlich wichtige Informationen zu festigen. „Schlafen spielt für das motorische Lernen eine funktionelle Rolle. Die bisherige Forschung zeigt, dass unser Gedächtnis im Schlaf kleinmotorische Aufgaben wie zum Beispiel beim spiegelverkehrten Zeichnen verarbeitet. Mit speziellen Tests möchten wir jetzt herausfinden, wie das bei großmotorischen Aufgaben wie Rad- oder Schifahren funktioniert. Dazu gibt es noch kaum Befunde“, so Psychologin Kerstin Hödlmoser von der Universität Salzburg, die dieses Projekt gemeinsam mit Sportwissenschaftler Jürgen Birklbauer leitet.
Radfahren andersrum
In ersten Pilotversuchen wurden Schulkinder und Erwachsene auf dem speziell angefertigten „Inversionsfahrrad“ getestet. Jürgen Birklbauer erklärt: „Das ist ein Fahrrad mit einer gegengleichen Lenkung. Lenkt man also nach links, fährt es nach rechts. Unsere Testpersonen mussten 30 Meter geradeaus zurücklegen, ohne mit den Füßen den Boden zu berühren.“ Dafür benötigten die Erwachsenen rund eineinhalb Stunden. Allerdings konnte keines der 16 Kinder im Alter von neun und zehn Jahren diese Aufgabe nach zwei Stunden bewältigen. „Wir wollten aber nicht nur wissen, ob und wie gut Kinder und Erwachsene das Fahrrad mit dem verkehrten Lenker beherrschen, sondern was dabei im Gehirn passiert“, ergänzt Schlafforscherin Kerstin Hödlmoser. „Unsere Probanden kamen entweder am Vormittag oder am Nachmittag ins Labor. Nach zwei Stunden auf dem Inversionsfahrrad konnten wir mithilfe von Sensoren auf dem Rad messen, wie gut sie gerade aus oder Slalom fahren und wie viel sie dafür lenken müssen. Die Vormittagsgruppe hatte abends noch einen zweiten Test, die Nachmittagsgruppe erst am nächsten Morgen“, so die Psychologin weiter. Die Gehirnströme der schlafenden Probanden wurden mittels Elektroenzephalografie (EEG) gemessen. „Das hat uns gezeigt, wie aktiv bestimmte Hirnregionen sind. So finden wir heraus, wie der Schlaf die Lernleistung verändert. Und auch, wie das Lernen die Gehirnaktivität in einzelnen Schlafphasen beeinflusst“, so Birklbauer. Die Vormittagsgruppe der Radfahrer schnitt nach einem nochmaligen Test nach zwölf Stunden schlechter ab als jene, die geschlafen hatte. „Sie mussten wesentlich weniger lenken als die anderen“, weiß der Motorikforscher. Ob der Schlaf auch auf großmotorische Lernaufgaben von Kindern positive Auswirkungen hat, soll in den nächsten Studien untersucht werden. „Fakt ist, dass Kinder bei feinmotorischen Aufgabenstellungen im Schlaf unbewusst gelernte Gedächtnisinhalte so verfestigen, dass daraus bewusstes Wissen werden kann“, so Birklbauer. Anders als Erwachsene können Kinder auch im Wachzustand Lerninhalte festigen. „Schlaf ist deshalb aber nicht weniger wichtig. Die Wirkung liegt ja nicht nur in der Erholung, sondern in den Leistungen des Gehirns“, betont der Forscher der Universität Salzburg.
Schlaf reinigt menschliche „Festplatte“
Aufgrund der bisherigen Ergebnisse nehmen die Projektleiter an, dass die positive Wirkung des Schlafs bei großmotorischen Bewegungen noch stärker ist: „Die Anforderungen an das Nervensystem nehmen deutlich zu, je mehr Gelenke und Muskeln am Bewegungsablauf beteiligt sind.“ Frühere Studien belegen, dass die REM-Phase (Rapid Eye Movement) bei Menschen, die am Vortag eine großmotorische Bewegung erlernten, länger dauert. „In den nächsten zwei Jahren werden wir noch viele Daten sammeln müssen. Wir wollen herausfinden, ob auch andere Schlafstadien für das Bewegungslernen wichtig sind. Dafür setzen wir tragbare EEG-Geräte mit Elektroden für Aktivmessungen ein. Und natürlich möchten wir einen Vergleich zwischen Erwachsenen und Kindern herstellen können“, ergänzt Hödlmoser. Also: Für´s Lernen ist Schlaf die beste Medizin!
Kontakt
Universität Salzburg
Hellbrunnerstraße 34, 5020 Salzburg
Mag. Dr. rer.nat. Kerstin Hödlmoser
Fachbereich Psychologie
Tel. 0662/8044-5143
Web: www.uni-salzburg.at