Mission durch Musik?
Musik und Klänge in der europäischen Missionierung Hispanoamerikas im 17. und 18. Jahrhundert
Vortrag von Jutta Toelle von der Hochschule für Musik und Theater Hamburg im Rahmen der
öffentlichen Ringvorlesung in der Reihe „ Musik & Migration„ an der PLUS.
Donnerstag, 28. November 2024 | 11:15 Uhr | ONLINE (Zugangsdaten siehe Website)
Spektakuläre Nachrichten drangen im Laufe des 17. Jahrhunderts aus den Missionsstationen der Jesuiten, vor allem aus der Provinz Paraguay, nach Europa: Unter Anleitung der Missionare spielten indigene Menschen dort in Orchestern europäische Musik, sie stellten Instrumente, sogar Orgeln, selbst her und sangen, angeblich besser als in der Alten Welt. Dies ist das Narrativ von Mission durch Musik: Missionare wandten ihre europäischen Denkmuster – Musikpraxis als Hinführung zu einer vermeintlich höheren zivilisatorischen Stufe – im kolonialen Kontext Hispanoamerikas an, ohne indigene Traditionen, Sitten oder Musiken zu beachten. Sie etablierten die Musikpraxis vor Ort, mit allen Folgen, und berichteten diese „Erfolgsgeschichte“ zurück nach Europa, um die Wirkung ihrer Arbeit zu beweisen: denn je mehr und je bessere europäische Musik gespielt wurde, desto christlicher mussten die Menschen vor Ort wohl sein. Der Vortrag kontextualisiert die in den Berichten der Missionare völlig ungebrochene Erzählung von Mission durch Musik und zeigt auch die Nachwirkungen bis in die heutige Zeit auf.
Jutta Toelle ist seit Oktober 2024 Professorin für Musikwissenschaft an der HfMT Hamburg. Zuvor war sie in Klagenfurt, Österreich, und am Max- Planck-Institut für Empirische Ästhetik in Frankfurt am Main tätig. Sie hat in Berlin und Venedig Musikwissenschaft und Geschichte studiert, an der HU Berlin promoviert und ein Jahr an der University of Chicago als Visiting Scholar verbracht. Sie forscht u.a. über die italienische Opernindustrie, das Narrativ von Mission durch Musik und das Phänomen Applaus; derzeit beschäftigt sie sich mit allen Aspekten der musikalischen Live-Performance, mit Musiker:innen, Publikum und dem Erlebnis von Live-Musik.
Zur Ringvorlesung
Das in den kultur- und kunstwissenschaftlichen Disziplinen schon seit Langem existierende Interesse für das Wechselverhältnis zwischen den Kunst- und Migrationsphänomenen wurde durch aktuelle Fluchtbewegungen neu angefacht und inspiriert. Aktuelle Themen des Forschungsfeldes Musik und Migration werden in den Vorträgen aus einer interdisziplinären Perspektive nähergebracht.
Veranstaltet von Programmbereich InterMediation. Musik – Wirkung – Analyse der Interuniversitären Einrichtung Wissenschaft und Kunst in Kooperation mit dem Fachbereich Kunst-, Musik- und Tanzwissenschaft der Paris Lodron Universität Salzburg.