Kontrolle ohne Vertrauen ist der falsche Weg
Die Salzburger Hochschulwochen 2024 standen unter dem Motto „Fragiles Vertrauen“ und endeten mit dem Festvortrag von Jutta Allmendinger. Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung plädierte für eine neue Politik des Zusammenhalts.
15 Prozent ihres beruflichen Alltags gehöre der Wissenschaft, der Rest sei Bürokratie, also Kontrolle, erzählte Jutta Allmendinger im Rahmen ihres Festvortrags zum Abschluss der Salzburger Hochschulwochen: „Wir können kontrollieren, aber das Vertrauen beiseite zu lassen, ist der falsche Weg.“ Dabei basiere eine Gesellschaft auf einigenden Voraussetzungen, beispielsweise dass man bei einer roten Ampel stehen bleibe oder dass ein Auto TÜV-geprüft ist. „Vertrauen ist immer ein interaktives Konzept“, sagte Allmendinger. Und zitierte den deutschen Soziologen Niklas Luhman, der Vertrauen als eine riskante Vorleistung beschrieben hat, auf dem Leben aufbaut. Würden sich alle daran halten, wäre das Leben einfacher und würde den Anteil ökonomischer Ressourcen rapide senken.
Dem zuwider läuft allerdings die gesellschaftliche Strömung, dass immer mehr Menschen sich freiwillig aus dem öffentlichen Leben zurückziehen. Kleinere Gruppen, die Orte der Begegnung sind und in denen Gedankenaustausch stattfindet, werden weniger und auch seltener von der öffentlichen Hand finanziert. Viele Menschen ziehen sich in die Familien zurück, die allerdings immer weniger divers werden. „Die Mitglieder haben die gleiche Bildung, ähnliche Freundeskreise und sind sehr homogen“, führt Allmendinger aus. Die Mobilitätskanäle, in denen man beispielsweise „nach oben geheiratet“ hat, gibt es kaum mehr. Das führt in weiterer Folge dazu, dass auch die Vermögensverteilung immer ungleicher wird. Ein Weg aus dieser „Blase“ könnte die Begegnung in Netzwerken sein, wo man Andersdenkende findet. Das Problem: „Auch die Netzwerke werden immer homogener. Und wenn wir einmal aus einer dieser Blasen hinaustreten, tun wir das nur mit Herzklopfen.“
Der deutsche Bundestag ist zu 90 Prozent mit Menschen akademischer Bildung bestückt und spiegelt in keiner Weise die Zusammensetzung der Bevölkerung wider. Die Gewerkschaften als Orte, wo sich Menschen unterschiedlicher Berufe und Schichten treffen können, leiden unter extremem Mitgliederschwund. Die Möglichkeit des Home Office nimmt vielen die Interaktionsfähigkeit mit Arbeitskolleg:innen. Und auch die Wohngebiete werden immer ähnlicher. Trotz dieser düsteren Analyse des Ist-Zustandes in vielen Bereichen des täglichen Lebens zeigt sich Allmendinger optimistisch: „Immer wieder finde ich Beispiele, wo neue Umgebungen gebaut werden, damit sich Menschen begegnen und Vorurteile abbauen können. Und nennt als solches das Freiwillige Soziale Jahr. In Österreich hat sich die Zahl der Teilnehmenden stark verändert. Absolvierten vor 2012 jährlich zwischen 300 und 400 Freiwillige ein Freiwilliges Sozialjahr, erhöhte sich diese Zahl in den letzten Jahren stetig. 2023 waren etwa 1300 in der Regel junge Menschen in einem FSJ-Einsatz.
Die Zuversicht lebt also. „Am Ende der Salzburger Hochschulwochen hoffe ich, dass die Teilnehmende mit wacherem Vertrauen und geöffneten Augen die Wirklichkeit entdecken werden,“ sagte Assoz. Prof. Dr. Martin Dürnberger, Obmann der Salzburger Hochschulwochen. Im kommenden Jahr steht die smarte Sommerfrische unter dem Titel „Was uns leben lässt … und was uns (vielleicht) vergiftet“ und findet von 4. bis 10. August 2025 statt.