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Kommen Gehen Bleiben. Migrationsstadt Salzburg 1960-1990

Bereits zum dritten Mal wird heuer der Makartsteg – eine Fußgängerbrücke mitten in Salzburg – zur Wissensbrücke über die Salzach. Ausstellung am Makartsteg von 23. Mai bis 6. Juli

Unter dem Motto „KOMMEN | GEHEN | BLEIBEN – Migrationsstadt Salzburg 1960-1990“ finden Interessierte, die über den Makartsteg spazieren, zwölf illustrierte und mit Texten versehene Tafeln in Deutsch und Englisch. Diese erzählen, wie die ersten sogenannten GastarbeiterInnen aus der Türkei und dem benachbarten Jugoslawien nach Salzburg kamen, hier Fuß fassten und EinwohnerInnen der Stadt wurden. Die diesjährige Ausstellung wurde von der Universität Salzburg und dem Stadtarchiv mit Unterstützung des städtischen Integrationsbüros gestaltet. Sie ist von 23. Mai bis 6. Juli 2014 zu sehen und in organisierten Spaziergängen zu erkunden.

Die erste Wissensbrücke im Jahr 2012 war thematisch dem Jubiläum der Universität Salzburg gewidmet. 2013 wurde die Migration in der Stadt Salzburg in früheren Jahrhunderten illustriert.  

„Österreich schloss im Jahr 1964 ein Anwerbeabkommen für Arbeitskräfte mit der Türkei und 1965/66 mit Jugoslawien. Die in den folgenden Jahren nach Österreich und nach Salzburg gekommenen Migranten trugen wesentlich zum Auf- und Ausbau des österreichischen Wohlfahrtsstaates bei. Viele von ihnen kehrten wieder in ihre Herkunftsorte zurück, andere holten ihre Familien nach und blieben. Gemeinsam mit ihren Kindern und Enkelkindern bereicherten sie in den vergangenen Jahrzehnten die Vielfalt unserer Gesellschaft und Kultur wie auch unserer Universität. Dass ihre Geschichte längst Teil unserer Geschichte ist, das soll mit der heurigen Ausstellung der Wissensbrücke am Makartsteg dokumentiert werden“, so Universitäts-Rektor Heinrich Schmidinger.  

„Für viele dieser Familien, ihre Kinder und Enkelkinder ist die Stadt Salzburg längst zu ihrem Lebensmittelpunkt und zur Heimat geworden. Sie tragen in unterschiedlichster Art zum Wohlstand und zur Vielfalt Salzburgs bei. Sie prägen Arbeit, Politik, Kultur, Gesellschaft und Religion der Stadt entscheidend mit. Ich möchte allen danken für ihren Mut, sich auf das Unbekannte einzulassen, für ihren Fleiß, mit dem sie zum Wohlstand Salzburgs beitragen und ihre Anstrengung, in der Stadt Salzburg heimisch zu werden. Die Stadt würdigt dies mit der Ausstellung und einem weiteren Vorhaben, das wir heute vorstellen wollen,“ betont Bürgermeister Heinz Schaden.  

„Gerade für das Thema Migration bietet sich der Makartsteg als perfekter Ort für eine Ausstellung an: Eine Brücke, die frei zugänglich ist, zwei Stadtteile verbindet, Menschen unterschiedlichster Herkunft den Weg über den Fluss an ein anderes Ufer ermöglicht und sie durch die Betrachtung der Ausstellung vielleicht einander näher bringt. Der Makartsteg, von Touristen und Salzburgern stark frequentiert, ist ein idealer Ort, um wissenschaftliche Arbeiten und Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zu kommunizieren“, erläutert Sylvia Hahn, Vizerektorin an der Universität Salzburg, Historikerin und Organisatorin der Ausstellung.

  Die beiden Ausstellungen „Migrationsstadt Salzburg“ von 2013 und 2014 erscheinen heuer erstmals auch gedruckt als Beiheft der Schriftenreihe des Stadtarchivs. Die Texte sind in deutscher und englischer sowie bosnisch/serbisch/kroatischer und türkischer Sprache verfasst. „Unser Anliegen ist es, auch die Vielfalt der Sprachen der Bevölkerung in Salzburg zu zeigen“,  betont die Historikerin Sabine Veits-Falk vom Stadtarchiv. Zwei weitere Publikationen sind in Planung.    

Spaziergänge zur Ausstellung für SalzburgerInnen und Schulklassen   „Bei Spaziergängen zur Ausstellung wollen wir SalzburgerInnen, aber auch ganzen Schulklassen die Möglichkeit bieten, ihren Blick auf die junge Geschichte der Stadt zu schärfen und zu erweitern“, so die für Integration zuständige Bürgermeister-Stellvertreterin Anja Hagenauer.

„Diese Ausstellung gibt einen kleinen Einblick in die Lebenssituation der sogenannten GastarbeiterInnen – ein Einblick, der berührt. Migration ist nicht nur in Salzburg nach wie vor ein aktuelles Thema. Die Menschen, die damals zugezogen sind und die wir längst schätzen lernten, können uns daran erinnern, dass sie Salzburgs Vielfalt mit ihrer Persönlichkeit bereichert haben. Sehr herzlich bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei allen zugewanderten SalzburgerInnen, die mit ihren Fotos und Interviews diese Ausstellung ermöglicht haben“, so Hagenauer. Das Integrationsbüro bietet begleitend Spaziergänge zur Ausstellung kostenlos für alle SalzburgerInnen und für Schulklassen an. Treffpunkt auf der linken Seite des Makartstegs (neben der Salzachinsel-Bar).

Die Teilnahme ist kostenlos, die Spaziergänge finden bei jedem Wetter statt. Dauer: ca. 90 min.

Migrationsarchiv der Stadt Salzburg im Aufbau  

Im Rahmen des Projekts „Wissensstadt“ wird derzeit die Einrichtung eines Migrationsarchivs im Stadtarchiv Salzburg in Zusammenarbeit mit der Universität Salzburg vorbereitet. „Wir sammeln Materialien, Fotos und Dokumente von MigrantInnen und führen dazu Interviews. In diesem Zusammenhang möchten wir dazu einladen und bitten, uns weitere Materialien, wie sie auch in der Ausstellung am Makartsteg zu sehen sind, vorübergehend zur Verfügung zu stellen. Die Kopien sollen ab 2015 auch im Stadtarchiv zugänglich gemacht werden und Eingang finden in Publikationen und Ausstellungen. Wir wollen damit stärker im öffentlichen Bewusstsein verankern, dass die Geschichte von Migration auch Teil unserer Stadtgeschichte ist. Damit nehmen wir auch österreichweit eine Vorreiter-Rolle ein“ sagt Ingrid Tröger-Gordon, Vorständin der Magistrats-Abteilung Kultur, Bildung und Wissen. Der Begriff „Migration“ werde dabei sehr weit gefasst – Schwerpunkte sind Arbeitsmigration nach Salzburg, Binnenwanderung innerhalb Salzburg, Österreich und Europa, aber auch Auswanderung aus Salzburg.  

60er Jahre: Abkommen mit der Türkei und Jugoslawien

Im 20. Jahrhundert erlebte Salzburg mehrere Phasen der Zu- und Abwanderung. Zielregionen vieler SalzburgerInnen waren damals Länder, wo es bessere und höhere Verdienste gab, wozu west- oder nordeuropäische Länder ebenso zählten wie Nordamerika oder Australien. Diese Auswanderungen führten zu einem deutlichen Mangel an Arbeitskräften in Österreich und dazu, dass zu Beginn der 1960er-Jahre Abkommen zur Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften zunächst mit Spanien, dann mit der Türkei (1964) und mit Jugoslawien (1965/66) geschlossen wurden.  

In Salzburg waren es vor allem industrielle Produktionsbetriebe (Schiproduktion, Bekleidungsindustrie) sowie das Bau- und Gastgewerbe, die Arbeitskräfte aus der Türkei und aus dem ehemaligen Jugoslawien für ihre Betriebe holten. Diese Anwerbungen waren zunächst auf zeitlich begrenzten Arbeitseinsatz ausgerichtet. Nicht selten jedoch waren die ArbeitgeberInnen mit den Arbeitskräften sehr zufrieden und forderten diese auf, weitere Verwandte und Bekannte aus ihren Herkunftsorten nach Österreich zu holen. Diese sogenannten Selbstanwerbungen, Kettenmigrationen und Familiennachzüge waren für die 1970er und 1980er Jahre charakteristisch. Für einen Großteil der ArbeitsmigrantInnen war und blieb damit über lange Zeit die Rückkehr das vorrangige Ziel: dafür wurde gespart und auch in der Herkunftsregion – z.B. durch den Bau eines eigenen Hauses – investiert. Viele Jahre waren daher geprägt von einem saisonalen bzw. temporären „Pendeln“ zwischen dem ehemaligen Herkunfts- und dem neuen Zielgebiet, einem permanenten Leben zwischen zwei Kulturen und zwei Heimaten.  

Dieses Kommen und Gehen konnte sich auch nach der Gründung einer Familie fortsetzen. Nicht selten sahen sich zugewanderte Eltern mit Kindern, wenn sie beide berufstätig waren, aufgrund fehlender Kinderbetreuungseinrichtungen gezwungen, ihre Kinder zu den Verwandten im Herkunftsland zu bringen. Auch mussten Eltern aufgrund der oft prekären wirtschaftlichen Erwerbs-, und unsicheren aufenthaltsrechtlichen Situation gut überlegen, wo sie ihre Kinder einschulen wollten. Trotz solcher Schwierigkeiten entschlossen sich viele dieser ehemaligen ArbeitsmigrantInnen, hier zu bleiben und Salzburg zu ihrem Lebens- und Arbeitsmittelpunkt zu machen.  

Salzburgs Vielfalt heute   Aktuell haben in der Stadt Salzburg fast 148.000 BürgerInnen aus über 140 Ländern ihren Hauptwohnsitz. Heute leben 33.380 BürgerInnen mit anderer Staatsangehörigkeit in der Mozartstadt, das sind 22,2 Prozent der SalzburgerInnen. Sie kommen vor allem aus Deutschland, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Türkei und Kroatien. Einen türkischen Pass haben 2.240 SalzburgerInnen, einen Pass eines Nachfolgestaates von Ex-Jugoslawien – 13.200 BürgerInnen. Viele der Zugewanderten sind schon längst österreichische StaatsbürgerInnen und in eigens gegründeten Vereinen und Religionsgemeinden aktiv. Einen Überblick dazu bieten Folder von Integrationsbüro der Stadt Salzburg „MigrantInnenvereine“ und „Kirchen- und Religionsgemeinden“, s. www.stadt-salzburg.at / integration.

Foto: Pressegespräch zum Thema „Ausstellung Migrationsstadt Salzburg“ mit Sylvia Hahn, Heinrich Schmidinger, Heinz Schaden, Anja Hagenauer, Sabine Veits Falk (v.l.n.r.) | © Kolarik/Leo

Pressegespräch zum Thema "Ausstellung Migrationsstadt Salzburg"