Kennst Du das Land, in dem die Zitronen blühen?
Botanik-Exkursion zum Gardasee
Als Goethe 1786 während seiner Italienreise in Malcesine Station machte, genoss er den Ausblick auf unzählige Zitrus-Gewächshäuser, sogenannte Limonaie, die entlang des Gardasee-Westufers an den Berghängen bis ins 19.Jhd. sehr verbreitet waren. Einige wenige, wie die Limonaia del Castel in Limone, sind heute als Museum zu besichtigen. Kulturgeschichte, Biologie und die Vielzahl der dort angebauten Arten beeindruckten uns nicht weniger als das Bauwerk selbst, in dem die Bäume unter optimalen, von Menschenhand geschaffenen Bedingungen wachsen können. Wir haben z.B. Mandarine (Citrus reticulata) und Pampelmuse (Citrus maxima), die Eltern unserer Orangen (Citrus x sinensis) kennengelernt. Um Zitronen zu erhalten, musste man zusätzlich noch die Cedratzitrone einkreuzen. Diese Kulturen waren bis ins 19. Jahrhundert die wirtschaftliche Grundlage der Region. Limone bietet aber noch mehr, nämlich den Percorso della natura. Entlang dieses Weges fanden wir im unteren Bereich viele weitere Nutzpflanzen, wie Feige, Lorbeer, Esskastanie, sowie mediterrane Florenelemente, wie Judasbaum, Hopfenbuche, Mannaesche und Wollmispel. Hopfenbuche und Mannaesche haben uns als südliche Pflanzen die gesamte Zeit über begleitet.
Während unseres Exkursionstages an den Ledrosee, der ca. 600m höher liegt als der Gardasee, konnten wir beobachten, dass viel weniger südliche, wärmeliebende und dafür mehr kälteliebende Pflanzen, wie Fichten und Föhren vorkommen. Auch Rotbuche und unsere heimische, Gemeine Esche finden wir häufig. Die Zusammensetzung der Vegetation ändert sich also nicht nur von Nord nach Süd, sondern auch mit zunehmender Höhe. Am Ledrosee lernten wir außerdem im Rahmen einer fundierten Führung ein Pfahlbaudorf und das Leben der Menschen, die dort vor ca. 4000 Jahren lebten, kennen. Pflanzen waren die Nahrungs- und Lebensgrundlage, insbesondere Einkorn, Hirse, Haselnüsse, Bucheckern und Gemüse. Lein wurde zu Stoffen mit sehr schönen geometrischen Mustern verarbeitet.
Die Änderung der Vegetation mit steigender Höhe konnten wir auch an unserem Monte Baldo-Tag erleben. Wir fuhren mit der Seilbahn von Malcesine (ca. 87m ü.NN) in nur 14 Minuten Fahrzeit zur Bergstation (1760m ü.NN). Von der Gondel aus konnten wir Olivenhaine in Seenähe sehen, weiter oben Steineichen, die hier ihre nördliche Verbreitungsgrenze erreichen und ganz oben Almen. Von der Bergstation wanderten wir nach Süden und erreichten bald Felsstandorte. Wir waren fasziniert von den Polster- und Rosettenpflanzen, wie z.B. Steinbrecharten – manche davon sind steinhart, weil sie Kalk ausscheiden, der auf den Blättern verbleibt. Hauswurzarten haben wir genauso gefunden wie verschiedene Enziane, z.B. den Frühlingsenzian, den Bayrischen und sogar den Gelben Enzian, aus dessen Wurzeln der Enzianschnaps gebrannt wird. Trollblumen recken ihre Blüten wie gelbe Kugeln in die Höhe. Ihre Blütenblätter öffnen sich nie ganz, weil sie kleinen Käfern Schutz vor Kälte und Wind bieten wollen. Im Gegenzug bestäuben die Insekten die Blüten, sodass sich Samen bilden können. Auch Schlüsselblume und Alpenglöckchen, eine Pflanze, die dann blüht, wenn gerade der Schnee abgetaut ist, haben noch geblüht! Am Monte Baldo war also noch Frühling! Die Vegetation startet in dieser Höhe erst im Juni und muss sich sehr beeilen, damit Früchte und Samen reif werden können, bevor wieder Winter wird – im Oktober. Auf diesem hohen Berg, der während der Eiszeit im Gipfelbereich nicht vereist war, konnten Pflanzen diese Kälteperiode überdauern. Einige davon kommen heute nur noch auf dem Monte Baldo und/oder im Gardaseegebiet vor, wie die Monte Baldo Segge, ein Sauergras.
Rosettenpflanzen haben wir auch auf dem Monte Brione entdeckt. Dieser Berg ist zwar nur 376m hoch, aber sehr trocken. Rosettenwuchs ist also einerseits eine Anpassung an größere Höhen (Monte Baldo) und andererseits an Trockenheit. Der Monte Brione ist unglaublich artenreich, weil er Standorte mit sehr unterschiedlichen Bedingungen bietet. Er liegt an der Nordküste des Gardasees am Ausgang des Sarcatales. Er ist also an seiner Südseite den warmen Südwinden (mediterrane Vegetation) und an seiner Nordseite den Nordwinden aus den Alpen ausgesetzt. Der niedrige mediterrane Buschwald beim Aufstieg besteht vor allen aus Steineichen, Zistrosen, Mäusedorn und noch viel mehr Arten aus dem sonnigen Süden. Auf dem Berg gibt es auch ca. 20 Orchideen-Arten, Besonderheiten, von denen wir die Hummelragwurz, den Violetten Dingel, das Kleine und das Breitblättrige Knabenkraut gesehen haben. Die senkrechte 300m hohe Felswand bietet vielen Felspflanzen Heimat und an der flachen Westseite befinden sich Olivenhaine – die nördlichsten für lange Zeit. Erst jetzt, im Zuge der Klimaerwärmung, wird versucht noch weiter nördlich Oliven in größerem Maßstab zu kultivieren. Die produzierten Öle aus dem Gardaseegebiet sind von sehr hoher Qualität. Über Oliven und deren Verarbeitung hörten wir in einer Führung durch einen Olivenhain und die Wirtschaftsgebäude der dazugehörenden Ölmühle. Wir könnten sogar einige Öle und Weine verkosten.
Eine wunderbare Exkursionswoche mit vielen Highlights sowohl botanisch, erdzeitgeschichtlich als auch historisch ist nun wieder vorbei. Wir werden diese außergewöhnliche Reise bestimmt immer in Erinnerung behalten. Vielen herzlichen Dank für die perfekte Organisation dieser Reise an unser „Dream-Trio“ Frau Dr. Gartner, Herrn Prof. Peer und natürlich Timmy, der auf unsere Gruppe immer aufgepasst hat.