Gedenkpyramide erinnert an jüdische Flüchtlinge nach 1945 in Salzburg
Am 11. April 2025 wurde im Salzburger Preuschenpark, Stadtteil Parsch, im Beisein zahlreicher Ehrengäste eine „Gedenkpyramide“ enthüllt. Das Mahnmal soll an das lange vergessene Lager „New Palestine“ erinnern.
Zehntausende Menschen, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs heimat- oder staatenlos geworden waren, sogenannte Displaced Persons (DPs), strandeten ab Sommer 1945 auch in Salzburg. Darunter waren zahlreiche Menschen jüdischer Herkunft, die Terror und Verfolgung des nationalsozialistischen Regimes überlebt hatten. Heute erinnert kaum noch etwas an die sieben Lager, die damals für jüdische Flüchtlinge in der Stadt Salzburg eingerichtet wurden.
Lager New Palestine in Parsch
Im Salzburger Stadtteil Parsch befand sich das DP-Lager „New Palestine“. Direkt nach Kriegsende wurden in der Weichselbaumsiedlung, westlich des heutigen S-Bahnhofs Parsch, Wohnungen für Displaced Persons bereit gestellt. Die sehr beengten Wohnverhältnisse erforderten bald Handlungsbedarf. So wurden nördlich der Apothekerhofstraße weitere Holzbaracken und kleine Blockhäuser errichtet, die rund 450 Menschen Platz boten. Das Areal erhielt den Namen „New Palestine“. Obwohl viele Bewohner*innen oft nur kurz im Lager verblieben, entwickelte sich eine Gemeinschaft unter den gestrandeten Menschen.
Uni-Projekt ortet Forschungslücke
Das Lager New Palestine wurde erst in den 1960er Jahren rückgebaut, dennoch lassen sich heute nur noch wenige Informationen über die Salzburger DP-Lager recherchieren. Ein Team von Historiker*innen an der Universität Salzburg hat die Geschichte des Lagers nun erstmals grundlegend erforscht. Das Projekt ist aus einer Lehrveranstaltung unter der Leitung der Zeithistoriker Johannes Dafinger und Robert Obermair vom Fachbereich Geschichte hervorgegangen. In akribischer Kleinarbeit haben drei angehende Historiker*innen, Julia Brunner, Florian Huber und Loris Franz, die Geschichte des Lagers rekonstruiert. „Es war eine Art von Detektivarbeit, wie man sie sich als Historikerin oder Historiker häufiger wünschen würde. Auf diese Weise konnten wir einen verborgenen Aspekt der Stadtgeschichte offenlegen. Die gemeinsame Arbeit hat uns auch über die Uni hinaus zusammengeschweißt“, so die Forscher*innen. Durch intensive Archivarbeit konnten fehlende Informationen zum genauen Standort, zur Größe des Lagers und demographische Daten über die Bewohner*innen ermittelt werden.
Die beiden Lehrveranstaltungsleiter zeigten sich sehr zufrieden: „Wir wollten Studierenden mit unserer Lehrveranstaltung praktische Erfahrungen in der geschichtswissenschaftlichen Arbeit ermöglichen. Das jetzt präsentierte Projekt freut uns sehr, da es grundlegende Forschungsarbeit mit einer öffentlichkeitswirksamen Präsentation historischer Inhalte verknüpft.“
Gemeinsames Erinnern im öffentlichen Raum
Die Salzburger Bevölkerung stand den jüdischen Flüchtlingen nach Kriegsende ambivalent gegenüber. Angesichts der schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung – es fehlte an grundlegender Versorgung und vor allem auch an Wohnraum – wurden die Displaced Persons oft als Konkurrenten für das eigene Fortkommen gesehen.
Einige Zeitzeug*innen, die heute in Kanada oder Australien leben, tauschen sich bis heute auf online Foren auch über ihre Zeit in Salzburg aus und erinnern sich lebhaft an das Lager New Palestine in Parsch. In Salzburg hingegen war dieser Teil der Stadtgeschichte bislang weitgehend unbekannt und unerforscht. „Die intensive Recherchearbeit von Studierenden an der Universität Salzburg zur Geschichte des jüdischen DP-Lagers ‚New Palestine‘ in Parsch ist ein bedeutender Beitrag zur Erinnerungskultur unserer Stadt. Durch ihr Engagement und der Kooperation mit der Stadt Salzburg sowie zahlreicher Institutionen ist nun ein Gedenkzeichen entstanden, das ein wichtiges Stück Stadtgeschichte sichtbar macht und für kommende Generationen bewahrt“, so Bürgermeister Bernhard Auinger.
Die Gedenkpyramide, finanziert von Stadt Salzburg und Land Salzburg, ist in enger Zusammenarbeit mit dem Verein Alpine Peace Crossing entstanden. Mit diesem Gedenkzeichen wird die Erinnerung an das jüdische Leben in der Nachkriegszeit in das öffentliche Bewusstsein zurückgeholt und damit ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen gesetzt.
Vizerektorin Barbara Romauer unterstrich den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Auftrag der Universität Salzburg, als Ort der Aufklärung, der Erinnerung und des Dialogs. „Es ist unsere Pflicht, das Wissen um die Geschichten, die hier stattfanden, wachzuhalten und ihnen einen sichtbaren Platz zu geben – gerade in diesen Zeiten. Dieser Ort, an dem einst das jüdische DP-Camp „New Palestine“ bestand, erinnert uns an eine Zeit des Übergangs – an das Warten, das Hoffen und auch das Weitergehen vieler Überlebender der Shoah. Er steht zugleich für gelebte Geschichte, für mutige Lebenswege und für eine Realität, die nach 1945 oft vergessen, verdrängt wurden. Dass Studierende unseres Fachbereichs Geschichte mit so viel Engagement an der Aufarbeitung dieses vergessenen Kapitels mitgewirkt haben, erfüllt uns mit besonderem Stolz“, so die Vizerektorin.
Tipp zum Nachhören:
SN-Podcast Schattenorte: „Ein vergessenes Lager in Salzburg-Parsch und warum es vor dem Elmo-Kino einst zu Ausschreitungen kam“
Zum Schicksal jüdischer Überlebender, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Salzburg strandeten und in den DP-Lagern auf die Weiterreise nach Palästina oder in die USA warteten.
Kontakte:
Dr. Robert Obermair | Universität Salzburg | Fachbereich Geschichte | robe-zO.rt.obeY519rmair@P-zOplus.ac.at | +43rtc3 66UDiB2 8044 4744ukma
Dr. Johannes Dafinger | Universität Salzburg | Fachbereich Geschichte | 7lajoha936nnes.d936afingFNver@pluJ_Zs.ac.aePVt | PVs+43 6zKF62 8044 4YWH742Li8