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Erdbeben ändern Flussverläufe

Ein internationales Wissenschaftsteam unter Beteiligung des Salzburger Geologen Christoph von Hagke hat herausgefunden, dass vor rund 2500 Jahren ein Erdbeben den Lauf des Ganges (Indien) abrupt geändert hat. Durch das Naturereignis wurde der Hauptkanal des Ganges im heutigen Bangladesch umgeleitet, d. h. eine sogenannte Fluss-Avulsion hervorgerufen, die das damalige Landschaftbild drastisch verändert hat. Ein vergleichbares Beben heute wäre eine Katastrophe für die Region. Die Ergebnisse helfen, künftig bessere Vorhersagen von Naturgefahren und deren Auswirkungen zu treffen. Die Studie ist soeben in der Zeitschrift Nature Communications erschienen.

„Erdbeben gehören zu den am besten untersuchten Georisiken“, sagt Christoph von Hagke, Geologe an der Paris Lodron Universität Salzburg. Ebenso bekannt ist, dass Störungen des Flusssystems, wie der Zusammenbruch von Dämmen, katastrophale Folgen nach sich ziehen können. „Noch weitgehend unbekannt war jedoch, dass Erdbeben zu Fluss-Avulsionen, also zu Veränderungen von Flussverläufen insbesondere in Deltamündungen führen können. Und dies bei einem so großen Fluss wie dem Ganges“, so von Hagke. Bangladesch ist eine der am dichtest besiedelten Landschaften der Erde. Ein neuerliches Erdbeben solchen Ausmaßes könnte Überschwemmungen und eine weitreichende Aufweichung von Sandablagerungen, sowie Bodenerschütterungen mit sich bringen. Dies könnte sich dramatisch auf Millionen von Menschen auswirken, die heute im Überschwemmungsgebiet des Ganges leben.

Sandgänge im Sediment verraten altes Erdbeben

Das Erdbeben und die Fluss-Avulsion wurden durch die Analyse von Sedimenten rekonstruiert. Anhaltende Erschütterungen während eines Erdbebens können in der Tiefe unter Druck stehenden Sand in darüber liegende Tonschichten pressen. Dieses Phänomen ist in den weichen Sedimenten von Deltamündungen als vertikale Sandgänge oder „Seismite“ zu beobachten. Ähnliche Beispiele finden sich überall auf der Welt.

Das Ausmaß des Erdbebens wurde über die Korrelation von der Breite des Sandgangs und der Entfernung zum möglichen Erdbebenherd bestimmt. Mit Hilfe der optisch stimulierten Lumineszenzdatierung konnte der Zeitpunkt des Bebens ermittelt werden. „In diesem Fall fanden wir ausgedehnte 30-40 Zentimeter breite Sandgänge, die eine 3-4 Meter dicke überlagernde Tonschicht durchbrochen haben. Das Ausmaß dieser Sandgänge und ihre Lage mehr als 180 km von den nächstgelegenen wahrscheinlichen seismogenen Zonen entfernt, deuten auf ein prähistorisches Erdbeben hin, das wahrscheinlich in der Erdbebenskala Stärke 7-8 erreicht hat“, so von Hagke. Um das herauszufinden, war ein interdisziplinär ausgerichtetes Team von Wissenschaftler:innen nötig, die Expertise in Strukturgeologie, Tektonik, Sedimentologie, Altersdatierungen und regionalgeologischem Verständnis zusammenbringen. Es hat sich also um ein sehr starkes Erdbeben gehandelt und sich entsprechend auf das bengalische Delta ausgewirkt.

Landschaftsrekonstruktionen ermöglichen Blick in die Vergangenheit

Neben den Sandgängen entdeckten die Wissenschaftler:innen einen 1,5 km breiten, verlassenen Flussarm, der ebenfalls auf ein Alter von 2.500 Jahren datiert wurde. „Die Größe und die Chemie der Flussarmablagerungen zeigen, dass dies der Hauptarm des Ganges war, der plötzlich aufgegeben wurde“, sagt von Hagke. Landschaftsrekonstruktionen seien ein Rätsel mit vielen Unbekannten, aber sie haben den großen Vorteil, dass sie einen Blick in die Vergangenheit ermöglichen. Dadurch können Prozesse und Dynamiken auf der Erdoberfläche erkannt werden, die sich über sehr lange Zeiträume und in Intervallen mit geringer Wiederholung abspielen, die in modernen und historischen Aufzeichnungen nicht enthalten sind. Ein Paradebeispiel dafür ist diese durch ein Erdbeben ausgelöste Fluss-Avulsion.

Bessere Vorhersage von Naturgefahren und deren Auswirkungen

Geologische Verschiebungen können erhebliche Schäden verursachen, wie beispielsweise der durch ein unterseeisches Erdbeben ausgelöste Tsunami im Indischen Ozean im Jahr 2004 mit rund 230.000 Todesopfern. „In Indonesien existierten zwar Archive über prähistorische Tsunamis, die jedoch noch nicht ausreichend ausgewertet wurden, um rechtzeitig vor dem Tsunami zu warnen“, so von Hagke. „Diese Studie zeigt deutlich, wie die Grundlagenforschung unsere Fähigkeit zur Vorhersage von Naturgefahren und deren Auswirkungen verbessern kann“, sagt Justin Lawrence, Programmbeauftragter bei der U.S. National Science Foundation, die diese Arbeit finanziert hat.

Die Forschungsarbeiten wurden in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität Dhaka, der Bangladesh Open University, der Bangladesh University of Professionals, der Universität Köln und der Paris Lodron Universität Salzburg durchgeführt. Zusätzliche Mittel wurden vom U.S. National Center for Earth Surface Dynamics und der Graduate School for Production Ecology & Resource Conservation der Wageningen University & Research bereitgestellt.

Studie:  Cascading hazards of a major Bengal basin earthquake and abrupt avulsion of the Ganges River.

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Foto: Blick auf eine Sandspalte | © Chamberlain

Kontakt: Univ.-Prof. Dr. Christoph von Hagke | Leiter Geologie | Paris Lodron Universität Salzburg | Fachbereich Umwelt und Biodiversität | Abteilung Geologie und Physische Geographie | Tel.: +43 662 8044 5401 | www.plus.ac.at | Twitter: @StrucGeology

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