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Digitalisierung des sozialen Lebens – neue Theorie entwickelt

Mit dem neu erschienenen Buch „Social Digitalisation. Persistent Transformations Beyond Digital Technology“ liegt erstmalig eine umfassende Theorie zur digitalen Transformation vor. Mit dieser Theorie wird die aktuelle Digitalisierung des sozialen Lebens grundlegender analysiert als ausgehend von neu eingeführter digitaler Technologie. Damit ist die Theorie besonders zur Anwendung in empirischen Projekten relevant, die die gesellschaftlichen Folgen von digitaler Technologie untersuchen.

Wir erleben keinen disruptiven, sondern einen langfristigen Digitalisierungsprozess.

Kornelia Hahn, Professorin für Soziologische Theorie an der PLUS, hat unter dem neuen Begriff der Sozialen Digitalisierung eine Theorie entwickelt, die die digitale Transformation aus einem langwährenden gesellschaftlichen Prozess erklärt, in den sich die heutige digitale Technologie perfekt einpassen ließ. Soziale Digitalisierung bezieht sich damit auf eine umfassende Entwicklung, die in modernen Gesellschaften seit dem 18. Jahrhundert zu beobachten ist und die mit alleinigem Bezug auf digitale Technologie oft vorschnell als disruptiv und revolutionär bezeichnet wird.

Was bedeutet Digitalisierung überhaupt, jenseits des Einsatzes digitaler Technologie?

Die These ist, dass das soziale Leben in der Moderne immer wieder gemäß einer Logik der Digitalisierung neu organisiert worden ist. Diese Logik besteht in der gleichzeitigen Organisation von Diskontinuitäten und Kontinuitäten. Diskontinuitäten entstehen durch die Bildung von neuen, formalisierten Einheiten wie zum Beispiel immer weiter spezialisierte Warenwelten, immer exakter kalkulierte Arbeits- und Produktionsschritte oder immer weiter umfassende Zahlendokumentationen. Nur aufgrund dieser vorgängigen Formalisierung lassen sich solche Einheiten dann zu kontinuierlich bestehenden Ablaufprogrammen wie Märkte, bürgerliches Privatleben oder Bürokratien zusammenschließen, die die moderne Kultur ausmachen.

Was ist neu am Leben in digitalen Gesellschaften?

Alle digitalisierten Ablaufprogramme sind auf die sinnhafte Co-Programmierung durch Akteur*innen angewiesen, um zu funktionieren. Im Prozess der Sozialen Digitalisierung müssen Akteur*innen diese Co-Programmierung zwangsläufig lernen und leisten, damit sie die Effizienz der digitalen Logik nutzen können – auch wenn sich die Neuorganisation des sozialen Lebens durch Digitalisierung für die Akteur*innen selbst durchaus nicht in jedem Fall als positiv erweist.

Die Theorie der Sozialen Digitalisierung ist bei Palgrave Macmillan, einem der international renommiertesten Wissenschaftsverlage erschienen. Das Buch ist ein spannender Beitrag zur Grundlagenforschung im Bereich des PLUS Leitmotivs Digital Life.

Kornelia Hahn

Kornelia Hahn

Univ.-Prof. Dr., MA

FB Politikwissenschaft und Soziologie

Foto: © Kolarik