Digitale Arbeit und Gesundheit
Durch die Digitalisierung ist die Arbeitsbelastung vielfach gestiegen. Eine neue EU-Kampagne will Anstöße für Verbesserungen liefern. Die Psychologin Univ.-Prof. Dr. Eva Traut-Mattausch hat für die Praxis innovative Beiträge für eine gesündere digitalisierte Arbeitswelt entwickelt: Ein neuartiges Diagnostik-Tool, um psychische Belastungen im Homeoffice zu erfassen und den Lehrgang „Supervision, Coaching & Mediation“, der Beraterinnen und Berater umfassend für die Begleitung von Menschen in herausfordernden beruflichen Arbeitssituationen ausbildet.
Bei einer im Juli 2022 in Österreich durchgeführten Umfrage zur Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung stimmten 34 Prozent der Befragten voll und ganz zu, dass die permanente digitale Erreichbarkeit zu einer höheren Arbeitsbelastung und zunehmendem Stress führt (Statista). Ähnliche Angaben machen Befragte auch in anderen Ländern.
Vor dem Hintergrund, dass die digitale Transformation als die größte Herausforderung in der aktuellen Arbeitswelt gilt, hat die EU im Oktober 2023 die Kampagne gestartet „Gesunde Arbeitsplätze 2023-2025. Sicher und gesund arbeiten in Zeiten der Digitalisierung“. Die Kampagne soll einen Betrag leisten, neue Gefahren frühzeitig zu erkennen und geeignete Präventionsmaßnahmen zu setzen.
Homeoffice. Neues Tool misst psychische Belastungen
Ein wichtiger Pfeiler der neuen digitalen Arbeitswelt ist das Homeoffice. Wie aber erfasst man konkret die Arbeitssituation im Homeoffice, um sie gegebenenfalls verbessern zu können? Es gibt kaum Tools für die Praxis, mit denen man z. B. erkennen kann, welche psychische Belastungen im Rahmen der digitalen Zusammenarbeit auftreten, wie sich die digitale Kommunikation zwischen Teammitgliedern und Führungskräften gestaltet und wie sich digitale Arbeitsprozesse auswirken, sagt Eva Traut-Mattausch, Professorin für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Paris Lodron Universität Salzburg.
Sie hat ein Diagnostik-Tool zur Evaluierung psychischer Belastungen im Homeoffice entwickelt. „Es ist innovativ, weil es nicht ein herkömmlicher Fragebogen mit Aussagen ist, sondern auf Comic-Bildern basiert. Dies ist ein neuer Ansatz, da bildbasierte Befragungsinstrumente in der Psychologie bisher kaum entwickelt wurden. Er soll die Motivation erhöhen, an der Befragung teilzunehmen und sich mit psychischen Belastungen auseinanderzusetzen.“
Jeder Aspekt wird mit zwei Comic-Bilder präsentiert. Das linke Comic-Bild zeigt die „ideale“ Arbeitssituation, wie sie präventiv gestaltet sein sollte. Das rechte Comic-Bild zeigt die gleiche Arbeitssituation, nun jedoch in der gefährdeten Ausprägung. Die Befragungsteilnehmer:innen werden gebeten anzugeben, auf einem 7-stufigen Antwortformat, wo sich zwischen den Bildern ihr Arbeitsplatz im Homeoffice einordnen lässt. Basierend auf den Ergebnissen können spezifische Maßnahmen entwickelt werden. Nächstes Jahr soll das neue Tool, dessen Entwicklung von der AK Salzburg finanziert wurde, in der Praxis eingesetzt werden.
„Gutes Team-Klima ist nicht umsonst zu haben“
Wichtig wäre aber auch eine kontinuierliche Begleitung von Menschen in Organisationen bei der digitalen Transformationswende, sagt Eva Traut-Mattausch. Unter anderem aus eigener Erfahrung als Prozess-Beraterin in Unternehmen weiß sie, dass ein gutes Arbeitsklima nicht umsonst zu haben ist.
„Wenn eine Organisation wirklich in Richtung gesunde Organisation im Rahmen der digitalen Transformation gehen möchte, braucht es professionelle Unterstützung: Für Führungskräfte können zum Beispiel Coachings förderlich sein auf dem Weg zu neuen digitalen Arbeitsprozessen, Teams könnten durch Supervision vor Burnout geschützt werden, und Konflikten aufgrund der neuen digitalen Arbeitsorganisation könnte man durch Mediation konstruktiv begegnen. Es geht also darum, insgesamt professionell begleitete Reflexionsräume zu eröffnen.“
Eva Traut- Mattausch hat, was einzigartig im deutschsprachigen Raum ist, einen berufsbegleitenden Lehrgang entwickelt, der alle drei Beratungsformate – Supervision, Coaching, Mediation – in einer Ausbildung vereint. Die Lehrenden, die sowohl theoretisch fundiert als auch praktisch erfolgreich sind im eigenen Feld der Beratung, bringen Erfahrungswissen und Handlungskompetenz in den Lehrgang, sagt Eva- Traut-Mattausch.
„Ich bin überzeugt, dass es für angehende Berater:innen ein großer Vorteil ist, wenn sie über theoretische und praktische Kompetenzen in allen Beratungsformaten verfügen, weil sie dann breiter und flexibler auf die Anliegen der auftraggebenden Unternehmen reagieren können. Es könnte zum Beispiel sein, dass bei einer Supervision klar wird, dass ein Konflikt in der Gruppe schon so eskaliert ist, dass er zunächst in einer Mediation bearbeitet werden muss.“
In jeder Organisation gibt es Konflikte. Gären diese ständig ungelöst weiter, wirkt sich das, wie Forschungsbefunde klar zeigen, nicht nur negativ auf die Gesundheit, sondern auch auf die Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden aus – zum Nachteil auch für die Organisation.
Informationen:
Lehrgang „Supervision, Coaching & Mediation“ | Beginn: September 2024 | Dauer: 7 Semester | Veranstaltungsort: Salzburg | Akademischer Abschluss: MSc (CE) | Leitung: Univ.-Prof. Dr. Eva Traut-Mattausch | www.plus.ac.at/supervision/
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