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DIE WIRTSCHAFTLICHEN FOLGEN EINES WEITEREN LOCKDOWNS

Neben den offensichtlichen, negativen gesundheitlichen Konsequenzen birgt diese Entwicklung auch ein großes Risiko für die heimische Wirtschaft im Zusammenhang mit der Notwendigkeit eines weiteren umfassenden Lockdowns, wie wir in diesem Artikel auf Basis einiger Berechnungen argumentieren.
Die Ergebnisse deuten auf die Notwendigkeit verstärkter präventiver Maßnahmen auf öffentlicher Seite und verantwortungsbewussten Handelns auf der individuellen Ebene hin. Hiermit sollen die ökonomischen Risiken eines weiteren, breitflächigen Ausbruchs des Virus, der im Hinblick auf die Gesundheit der Bevölkerung zwangsläufig zu weitgreifenden Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens im Kontext eines umfassenden Lockdowns führt, minimiert werden.
Um Aussagen über die Auswirkungen eines zweiten Lockdowns treffen zu können, verwenden wir ein dynamisches Zeitreihenmodell. In diesem Modell setzen wir wöchentliche Zeitreihen für einen Social Distancing-Index als Maß für die Lockdown-Maßnahmen und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Beziehung. Diese Art der Modellierung ermöglicht es, einen angenommenen Pfad für den Social Distancing Indikator vorzugeben, und die Auswirkungen dieses hypothetischen Szenarios auf die Wirtschaftsleistung im Herbst 2020 abzuschätzen.
Wir konstruieren hierfür zwei Szenarien: das erste Szenario nimmt eine Entwicklung des Social Distancing-Index an, die dem ersten Lockdown im März 2020 entspricht. Dieses Szenario kann demnach als ein weitreichender Einschnitt gesehen werden. Das zweite Szenario skizziert moderate Maßnahmen im Herbst 2020, die im weiteren Verlauf leicht abflachen.
Szenario eines weitreichenden Lockdowns im Herbst: Erneuter BIP-Einbruch um -7 Prozent
Unsere Schätzungen zeigen, dass das erste Szenario (ein weitreichender Lockdown) zu einem erneuten, schweren und persistenten Einbruch des BIP führt (von rund -7 Prozent). Das Niveau vor der Einführung der hypothetischen Maßnahmen wird bis zum Ende des prognostizierten Horizonts nicht wieder erreicht. Ein solches Szenario sollte aus wirtschaftspolitischer Sicht in jedem Fall vermieden werden, da derartige Einbrüche der wirtschaftlichen Aktivität zudem schwerwiegende negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. In weiterer Folge würde das Preisniveau negativ beeinflusst werden, was in Anbetracht des bereits limitierten Rahmens der Möglichkeiten der Geldpolitik für Zentralbanken eine ernstzunehmende Abwärtsspirale darstellt.
Das zweite, moderate Szenario (ein um etwa ein Drittel abgeschwächter Lockdown) führt zu einem weniger abrupten Einbruch der Wirtschaftsleistung (–3.5 Prozent zum Höhepunkt dieses Lockdowns), und kehrt nach zwei Monaten beinahe wieder zum Ausgangswert vor der Einführung des hypothetischen Lockdowns zurück. Bei diesem Szenario ist mit einer vergleichsweisen stabileren Entwicklung des BIP zu rechnen.
Da diese Analyse einige Herausforderung für die statistische Modellierung mit sich bringt, ist zu betonen, dass unsere Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden sollten. Ein zentrales Problem stellt die hochfrequente Messung der Wirtschaftsleistung dar, denn das BIP wird meist nur mit einer Zeitverzögerung monatlich oder auf Quartalsebene veröffentlicht. In Folge interpolieren wir fehlende Datenpunkte zwischen zwei Quartalen anhand von täglich oder wöchentlich verfügbaren Indikatoren mit neusten statistischen Methoden, um akkuratere Aussagen auf wöchentlicher Basis treffen zu können.
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Niko Hauzenberger (*1991 in Linz) ist Post-Doc Forscher an der Universität Salzburg. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Analyse makroökonomischer Zeitreihen mit einem Fokus auf Prognosemodelle.
Michael Pfarrhofer (*1993 in Linz) ist Post-Doc Forscher an der Universität Salzburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Bayesianische Ökonometrie im Kontext der Makroökonomie und Finanzwirtschaft, sowie Geldpolitik, Konjunkturzyklen und Prognosen.

Social Distancing. Fotonachweis: Pixabay.com