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Die bedrohte Stadt. Strategien für menschengerechtes Bauen in Salzburg.

Salzburg war die erste Stadt in Österreich, deren Altstadt durch ein Altstadterhaltungsgesetz weitgehend bewahrt werden konnte. Jüngste Entwicklungen – die Auslöser für dieses Buch waren – lassen berechtigte Zweifel aufkommen, ob dieser Schutz ausreichend wirksam ist. Eine Reihe von Bauprojekten steht an bzw. wurde von der Baubehörde bereits bewilligt. Sie bedrohen ernsthaft die Echtheit und die Unversehrtheit des Welterbes, wie UNESCO-Gutachter kritisierten. Dieses Buch diskutiert diese Projekte und macht Vorschläge für den Schutz des Welterbes und die zukünftige Stadtentwicklung.

Bauen im Welterbe, im geschützten historischen Altstadtbereich, führt oft zu Konflikten zwischen den Bewahrern des kulturellen Erbes, den kritischen Bürgern, den Stadtplanern, Architekten, Bauherren und Investoren. Moderne Architektur, die sich nicht in den historischen Raum einfügt, setzt die Integrität des Bestehenden aufs Spiel. Es gibt gute Gründe, weshalb ein städtebaulich wertvolles Ensemble erhalten werden soll: Für die Einheimischen bildet es einen Erinnerungsraum, der Identität und Zugehörigkeit zu einer Stadt oder einer ganzen Region ausformt. Für den Kultur- und Städtetourismus sind Altstädte attraktive Destinationen mit einem erheblichen wirtschaftlichen Potenzial. In der emotionalen Aneignung des Raumes durch Besucher wie Bewohner kommt höchste Wertschätzung für die außerordentliche kulturelle Leistung eines Ortes zum Ausdruck. „Mit seinem historisch einzigartigen Ensemble hat Salzburg nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal im Kultur- und Städtetourismus, sondern auch eine Verpflichtung, dieses zu erhalten“, findet Kurt Luger in seinem Beitrag. Schon aus ökonomischem Kalkül heraus sollte dies eine Selbstverständlichkeit sein, denn touristisch gesehen ist die Altstadt die größte Attraktion und der überragende Imagefaktor – „das Wertvollste, was Salzburg überhaupt besitzt“ (Hans Sedlmayr).

Als Lebensraum wie als Shopping Mall kann sie sich ebenfalls behaupten, trotz der vom Standpunkt der Verkehrsanbindung bevorzugten Wohngebiete und Einkaufszentren an der Peripherie. Salzburg war die erste Stadt in Österreich, deren Altstadt durch ein Altstadterhaltungsgesetz weitge-hend bewahrt werden konnte. Sie hat dies dem Kunsthistoriker Hans Sedlmayr von der Universität Salzburg zu verdanken, der vor 50 Jahren durch seine Publikationen die Politiker wachrüttelte. Erhaltungs- und Umbauten wurden in den vergangenen Dekaden mit Bedacht vorgenommen, mit Respekt vor dem kulturellen Erbe.

1996 wurde dann die historische Altstadt von Salzburg wegen ihres außerordentlichen Wertes von der UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichnet und damit dem Schutz der gesamten Menschheit überantwortet. Jüngste Entwicklungen lassen berechtigte Zweifel aufkommen, ob dieser Schutz ausreichend wirksam ist. Eine Reihe von Bauprojekten steht an bzw. wurde von der Baubehörde bereits bewilligt. Sie bedrohen ernsthaft die Echtheit und die Unversehrtheit des Welterbes, wie UNESCO-Gutachter kritisierten. Sie lösten aber auch heftige Bürgerproteste aus. Die Kritik manifestierte sich in mehr als 26 000 Unterschriften gegen die ins Auge gefasste Bebauung des Franz Rehrl Platzes in der Kernzone des Welter¬bes. „Der vorgesehene Baukörper von der Größe des Salzburger Domes widerspricht allen Kriterien der Welterbekonvention wie den Paragraphen des Altstadterhaltungsgesetzes, weil er jeg-liche Maßstäblichkeit vermissen lässt und sich nicht in die Umgebung einfügt“ argumentiert Christoph Ferch. Dieser Vorwurf trifft in ähnlicher Weise auch auf andere Projekte zu, die im Buch diskutiert werden. Die Autoren zeigen an etlichen Beispielen auf, dass die Stadt den Altstadtschutz zu nachlässig handhabt und damit den Bauherren und ihren Architekten selbst im bestgeschützten Gebiet freie Hand lässt.

Durch die präzise Aufarbeitung einzelner Beispiele, durch wissenschaftliche Analyse und Stellung-nahmen ermöglicht das Buch einen fundierten Diskurs über die Projekte, die Bedeutung des kultu-rellen Erbes, und über die Frage, wie angemessenes Bauen im historischen Ambiente aussehen könnte. Es trägt dazu bei, die öffentliche Diskussion auf ein höheres Niveau zu heben und setzt auf Argumente statt auf Emotion. Das übergeordnete Thema dieses Buches ist die Schönheit einer historischen Stadt, die durch Speku-lation und unpassende Verbauung davon bedroht ist, ihr Gesicht zu verlieren. Daher enthält es über die Aufdeckung von Missständen hinaus eine Fülle von Überlegungen und profunden Stellungnahmen von Bürgern, Architekten, Raumplanern, Journalisten, Welterbe-Experten und Wissenschaftlern aus mehreren Disziplinen, die konkrete Vorschläge für den Schutz des Welterbes und die zukünf¬tige Stadtentwicklung liefern. Sie allen können dazu beitragen, die Einzigartigkeit der historischen Altstadt mit ihrer Architektur zu bewahren und den urbanen Raum um sie herum lebenswert zu gestalten.

Kurt Luger/Christoph Ferch (Hg.): Die bedrohte Stadt. Strategien für menschengerechtes Bauen in Salzburg. StudienVerlag Innsbruck-Wien, 366 Seiten, Euro 29.90

Die Herausgeber

Kurt Luger ist Professor für Transkulturelle Kommunikation am Fachbereich Kommunikations-wissenschaft der Universität Salzburg und Inhaber des UNESCO-Lehrstuhls „Kulturelles Erbe und Tourismus“.

Christoph Ferch ist Kulturmanager und unterstützt über den Kulturverein Neustein junge Künstler mit Fernseh-Produktionen. Er ist Mitgründer des Komitees für eine verträgliche Bebauung des Dr. Franz Rehrl Platzes und Obmann des Vereins „Bürger für Salzburg“.

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