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Datenschutz in der Corona-Krise

Von Professor Dietmar Jahnel, Fachbereich Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht der Universität Salzburg

Unbeschränkter Zugriff auf Handy-Daten, Tracking mittels Rotes-Kreuz-App, Analyse von Bewegungsprofilen. All das bedeutet erhebliche Eingriffe in unsere Grundrechte auf Privatsphäre und Datenschutz. Aber: Gesundheit geht vor Datenschutz, wird jeder Politiker an dieser Stelle sagen. Grundsätzlich zu Recht, aber dennoch ist Vorsicht geboten.

Dass das Grundrecht auf Datenschutz ein ganz wichtiges Element eines freien, liberalen Rechtsstaates bildet, ist nicht zuletzt durch die Datenschutz-Grundverordnung ins breite Bewusstsein der Menschen gerückt. In einem Krisenfall, wie dem jetzigen, ist die Gesundheit der Menschen zweifellos schützenswerter als deren Privatsphäre. Das war auch den Gesetzgebern bewusst, sowohl dem europäischen als auch dem österreichischen: So ist eine Einschränkung des österreichischen Grundrechts auf Datenschutz explizit möglich, va mit Einwilligung des Betroffenen oder aufgrund von Gesetzen, die zum Schutz der Gesundheit notwendig sind. Auch die Datenschutz-Grundverordnung erlaubt die Verarbeitung von Gesundheitsdaten mit Einwilligung, zur Behandlung im Gesundheitsbereich oder zum Schutz vor schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren.

Aber, und dieses aber ist die für einen Rechtsstaat entscheidende Einschränkung: Alle derartigen Eingriffe dürfen nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden. Das heißt, sie müssen zum jeweiligen Zeitpunkt nicht nur geeignet sein, dem Gesundheitsschutz zu dienen, sondern sie müssen auch erforderlich und verhältnismäßig sein. Darüber hinaus besteht eine strenge Zweckbindung: die einmal gesammelten Daten dürfen also nicht für andere Zwecke als die des Gesundheitsschutzes weiterverwendet werden. Mit anderen Worten: Die österreichische (und ebenso die europäische) Verfassung sieht eine laufende Kontrolle der Notwendigkeit der Grundrechtseinschränkungen vor und hat damit quasi ein Ablaufdatum der getroffenen Maßnahmen eingebaut. Ist der Zweck einmal erreicht, dann müssen diese wieder aufgehoben werden.

Würden Grundrechtsbeschränkungen nach Bewältigung der Corona-Krise uneingeschränkt weiter bestehen bleiben, würde der Verfassungsgerichtshof diese Gesetze umgehend beseitigen. So geschehen vor kurzem durch die Aufhebung der Ermächtigung der Sicherheitspolizei zur Installation sogenannter „Bundestrojaner“ auf Computern zum Abhören von verschlüsselten Nachrichten, noch ehe diese überhaupt wirksam geworden ist.

Fazit: In einer Krise wie der jetzigen sind notwendige und verhältnismäßige Grundrechtseingriffe durch den Staat zulässig. Nach Ende der Krise sind diese aber sofort wieder aufzuheben, auch wenn sich die Menschen möglicherweise an die eine oder andere Maßnahme gewöhnt haben sollten.

Kontakt:
Ao.Univ.-Prof. Dr. Dietmar Jahnel
Fachbereich Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht
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