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Blaulichtfilter verringern teilweise negative Effekte abendlicher Smartphone-Nutzung

Wer am Abend vor dem Einschlafen sein Smartphone noch ausgiebig nutzt, erholt sich im Schlaf schlechter und ist am nächsten Morgen weniger aufmerksam. Blaulichtfilter können negative Effekte auf den Schlaf nur teilweise abschwächen. Das haben nun die beiden Psycholog*innen Sarah Schmid und Christopher Höhn unter Supervision der Salzburger Schlafforscherin Kerstin Hödlmoser in einer neuen Studie herausgefunden.

Die Studie wurde kürzlich als Titelgeschichte im Fachjournal “Clocks & Sleep“ publiziert.

Laptops, Smartphones, Tablets. Immer mehr – vorwiegend junge – Menschen nutzen gerade jetzt in Pandemie-Zeiten auch am Abend vor dem Einschlafen elektronische Medien. Damit die LED Displays der Mobilgeräte möglichst hell wirken, stimmen die meisten Hersteller sie auf eine kühlere Darstellung ab. Ein Großteil des emittierten Lichts fällt daher auf blaue Bereiche um 450 Nanometer (kurzwelliges Licht), die uns allerdings weiß erscheinen. Studien zeigen, dass insbesondere dieses Lichtspektrum das Einschlafen erschwert, weil es die Produktion des Schlafhormons Melatonin hemmt.

„Die Zirbeldrüse im Gehirn, die eine direkte Verbindung zu unseren Augen hat, produziert das Schlafhormon Melatonin. Wenn es dunkel wird, steigt die Melatonin-Produktion an, wir werden müde. Dringt nun helles Licht in die Augen, wird die Produktion von Melatonin gehemmt, der Schlaf-Wach-Rhythmus verschiebt sich. Am stärksten ist dieser Effekt bei blauem Licht um 450 Nanometer. Langwelliges rotes Licht hingegen wirkt sich nicht auf die Melatonin-Produktion aus“, erklärt die Psychologin und Schlafforscherin Kerstin Hödlmoser vom Zentrum für kognitive Neurowissenschaft der Universität Salzburg. Aus Studien ist bekannt, dass ein gestörter Schlafrhythmus die kognitiven Leistungen wie zum Beispiel die Aufmerksamkeit beeinflusst.

Umstritten ist bisher, ob Blaulichtfilter solche unerwünschten Effekte des kurzwelligen Lichts von Smartphone-Displays verhindern können. Viele Smartphones verfügen über einen Modus, der den Blaulichtanteil der Bildschirme verringert.

In einer Pilotstudie hat nun Kerstin Hödlmoser mit ihrem Team den Schlaf von 14 Probanden in jeweils vier Nächten im Schlaflabor der Universität Salzburg aufgezeichnet. Erstautor*innen der vom Österreichischen Forschungsfonds FWF finanzierten Studie sind Sarah Schmid und Christopher Höhn (shared first authorship). Es gab drei Testszenarien: Die Versuchspersonen mussten entweder für 90 Minuten auf einem Smartphone ohne Blaulichtfilter, auf einem Smartphone mit Blaulichtfilter, oder in einem Buch lesen. Dargeboten wurden jeweils dieselben Texte in etwa derselben Schriftgröße. „Dabei haben wir viele unterschiedliche Körperfunktionen kontinuierlich während der ganzen Nacht überwacht. Mittels sogenannter Polysomnographie haben wir die Gehirnströme, die Augenbewegungen und die Muskelaktivität gemessen, sowie die Körpertemperaturregulation und die hormonellen Veränderungen, konkret Cortisol und Melatonin, untersucht.“

Cortisol wird auch als Aufwachhormon bezeichnet, es ist quasi ein Gegenspieler des Schlafhormons Melatonin. Beide Hormone folgen einem zirkadianen Rhythmus, einer inneren Uhr. Auch die Muskelaktivität und die Körpertemperatur sind wichtige Parameter für den Schlafverlauf.

„Die Ergebnisse unserer Studie bestätigen bisherige Untersuchungen zu den negativen Einflüssen der abendlichen Smartphone-Nutzung auf den Schlaf, insbesondere auf die zirkadianen Parameter Cortisol, Melatonin, die Körpertemperaturregulation, sowie auf die Aufmerksamkeitsleistung. Darüber hinaus konnten wir zeigen, dass diese Einflüsse durch den Einsatz von Blaulichtfiltern teilweise abgeschwächt werden“, sagt Hödlmoser

Im Detail konnten Hödlmoser und ihre Kolleg*innen zum Beispiel belegen, dass der morgendliche Cortisolspiegel (Cortisol = „Aufwachhormon“) nach dem Lesen auf dem Smartphone ohne Blaulichtfilter erhöht war. Der Anstieg des Cortisols nach dem Aufwachen wurde untersucht (alle 30min wurde Cortisol gemessen) und dabei hat sich gezeigt, dass der natürliche Cortisol-Anstieg am nächsten Morgen nach der nächtlichen Lektüre am Handy ohne Blaulichtfilter verglichen zum Lesen mit Filter reduziert war (d.h. die Personen sind langsamer aufgewacht). Insgesamt lässt das darauf schließen, dass der Cortisolspiegel nach dem Lesen ohne Blaulichtfilter auch während der Nacht erhöht war, schlussfolgern die Forscher*innen.

„Wir konnten in der Studie klar sehen, dass die objektive Aufmerksamkeitsleistung am Morgen vor allem nach dem Lesen ohne Blaulichtfilter reduziert war. Reduziert war nach dem Lesen ohne Blaulichtfilter außerdem auch der Tiefschlaf im ersten Schlafviertel.  Der Schlaf der Smartphone-Leser war fragmentierter, die Probanden wachten in der Nacht öfter auf “, so Hödlmoser. 

Auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen scheinen die Befunde über die Aufmerksamkeit beim abendlichen Lesen auf dem Smartphone. Subjektiv war die Schläfrigkeit während des Lesens auf dem Smartphone verringert. Doch objektiv war keine gesteigerte Aufmerksamkeitsleistung (keine besseren Reaktionszeiten) zu beobachten.

Wenig überraschend: Der abendliche Melatonin-Spiegel war nach dem Lesen in einem Buch höher als nach dem Lesen auf dem Smartphone, ob mit oder ohne Blaulichtfilter. Und noch ein weiterer Entspannungsparameter war nach dem Lesen in einem Buch am größten: die Vasodilatation, die Erweiterung der Blutgefäße.

„Die Ergebnisse zeigen somit, dass kurzwelliges Licht nicht nur den zirkadianen Rhythmus und die abendliche Schläfrigkeit beeinflusst, sondern auch Auswirkungen auf die Schlafphysiologie hat, also Körper-Funktionen wie die Körpertemperatur oder das Hormonsystem während des Schlafs verändert. Und es beeinflusst die Aufmerksamkeit am nächsten Morgen. Es ist also nicht smart, mit dem Smartphone ins Bett zu gehen. Die gute Nachricht ist, dass die Verwendung eines Blaulichtfilters die negativen Auswirkungen zumindest abmildert. Insgesamt betonen unsere Ergebnisse die Wichtigkeit der Aufklärung über einen verantwortungsvollen Umgang der Smartphone Nutzung am Abend, um schlafstörende Effekte zu vermeiden und somit ein gesundes Schlafverhalten zu erhalten“, resümiert die Schlafforscherin Hödlmoser.

Praktische Tipps für Jugendliche zu Thema Schlaf und Smartphone gibt die neue Publikation „Genial im Schlaf“ (edition riedenburg) von Kerstin Hödlmoser und Sigrun Eder.   https://www.editionriedenburg.at/buecher/buchreihen/sowas/genial-im-schlaf-geheimnisse-aus-dem-schlaflabor-fuer-bestnoten-und-mehr-power-am-tag-sowas/

Publikation:

Christopher Höhn, Sarah Schmid, Christina Plamberger, Kathrin Bothe, Monika Angerer, Georg Gruber, Belinda Pletzer, Kerstin Hödlmoser: The Impact of Smartphone Use and Short-Wavelength Light during the Evening on Circadian Rhythm, Sleep and Alertness. In:  Clocks & Sleep 2021 3(1)   https://doi.org/10.3390/clockssleep3010005

  https://www.mdpi.com/2624-5175/3/1

Kontakt:
Assoc.-Prof. Dr. Kerstin Hödlmoser,
Fachbereich Psychologie
Centre for Cognitive Neuroscience (CCNS)
Laboratory for Sleep, Cognition & Consciousness Research
Universität Salzburg | Hellbrunnerstraße 34 | A-5020 Salzburg
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  https://ccns.sbg.ac.at/people/hoedlmoser/ 
Laboratory for Sleep & Consciousness Research

Kerstin Hoedlmoser | Foto: © Sleepscience_Portraits

Kerstin Hoedlmoser | Foto: Sleepscience_Portraits