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Barbara Stelzl-Marx: Besatzungskinder in Österreich

Die mehr oder weniger zufälligen Wechsel der Geschichte haben es mit sich gebracht, dass aus heutiger Sicht die Kulturen und Gebiete im Osten Europas meist in einer Differenzbeziehung zu den mittel- und westeuropäischen gesehen werden. Kulturelle Unterscheidungen haben viel mit Erfahrungen, Erzählungen und Traditionen zu tun,damit, was einem eher vertraut und nahe oder eher unbekannt, fremd, unverständlich erscheint.
Stellte man Österreicher vor die Alternative, ihr Land entweder in Ost- oder in Westeuropa zu lokalisieren, weil die vorteilhafte Positionsbestimmung als mitteleuropäisch aufgegeben werden müsse, erklärten die meisten wohl Österreich zum westlichen Europa zugehörig. Für Osteuropa würden wohl nur wenige votieren.
Um kulturgeographische Positionsbestimmungen weniger einsinnig, sondern offener zu gestalten, werden in der vom Fachbereich Slawistik organisierten Vorlesungsreihe „Ost-West-Passagen“ ausgewiesene Fachleute aktuelle Aspekte beleuchten, die Österreich mit Kulturen des östlichen Europa verbindet. Die exklusiv für die Vorlesungen verfassten Beiträge bieten dem Publikum die Gelegenheit, gleichsam im Vorbeigehen Ausschnitte aus dem großen Kulturraum präsentiert zu bekommen, der Osteuropa heißt und gar nicht weit entfernt liegt.
Barbara Stelzl-Marx (Historikerin, Stellvertr. Leiterin des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung) über Besatzungskinder in Österreich: „Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen in Österreich tausende Besatzungskinder auf die Welt: als Folge von Liebesbeziehungen, kurzen Affären, „Überlebensprostitution“, aber auch nach Vergewaltigungen. Sie galten als „Kinder des Feindes“, obwohl ihre Väter offiziell keine Feinde mehr waren. Häufig waren sie – gemeinsam mit ihren Müttern –Diskriminierung und Stigmatisierung ausgesetzt.“