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Bakterien: Wie sie ihre „Tarnkappen“ gegen das Immunsystem anlegen

Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS) erforscht, wie Krankheitserreger eine Verbindung zwischen ihrer Zellaußenseite und ihren schützenden Kapseln herstellen. Diese Erkenntnisse könnten die Grundlage für neue Medikamente, zum Beispiel gegen Hirnhautentzündung, sein.

Bakterien haben unterschiedliche Strategien, um sich zu schützen. Einige bakterielle Krankheitserreger umgeben sich mit einer Hülle aus vielen dicht aneinander liegenden Zuckerketten, die auch als Kapselpolymere bezeichnet werden. Diese schützt die Bakterien vor Austrocknung und physischem Stress. Außerdem macht die Kapsel die Krankheitserreger für unsere körpereigene Abwehr „unsichtbar“ und hilft ihnen, im Körper zu überleben. Den Bau der Kapsel zu verhindern, würde die Bakterien entscheidend schwächen. Daher sind Enzyme, die solche Kapseln bauen, mögliche Angriffspunkte für Medikamente und wertvolle biotechnologische Werkzeuge für die Herstellung von Impfstoffen. Trotz ihrer Bedeutung war nach wie vor unbekannt, wie die – je nach Bakterienart sehr unterschiedlichen – Kapselpolymere an der Bakterienmembran befestigt sind.

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Dr. Timm Fiebig von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist der Aufdeckung dieses Rätsels nun einen wichtigen Schritt nähergekommen. Die Forschenden identifizierten die Verbindungskette zwischen der Verankerung auf der Bakterienoberfläche und der Kapsel. Zudem charakterisierten sie die Enzyme, die diese „Ankerkette“ herstellen, und fanden heraus, wie Kapselpolymerasen diese anschließend verlängern, um die Kapsel zu bauen.

Beteiligt an der „Tarnkappen“-Forschung ist auch Dr. Mario Schubert vom Fachbereich Biowissenschaften und Medizinische Biologie der Paris Lodron Universität Salzburg. Er identifizierte mit Hilfe eines 600 MHz Kernspinresonanzspektrometer – dem einzigen Großgerät dieser Art im Bundesland Salzburg – die genaue chemische Zusammensetzung der Ankerkette, die Bakterienkapsel und Membran verbindet.

Neue Medikamente gegen Hirnhautentzündung

Dr. Christa Litschko – ebenfalls von der MHH – fand mit ihrem Team außerdem heraus, dass bestimmte Enzyme, die für die Kapselbildung verantwortlich sind, in allen Bakterienarten an der gleichen Stelle im Erbgut vorkommen. Zudem stellten sie fest, dass der Linker, der die Kapsel an der Zellmembran befestigt, sich anders als bisher gedacht vom Kapselpolymer unterscheidet.

Neben wertvollen Erkenntnissen für die Grundlagenwissenschaft könnte die Entdeckung dieser neuen Details Ansätze für antibakterielle Wirkstoffe und Impfstoffe liefern und helfen, Medikamente zu entwickeln, die gegen verschiedene Bakterienstämme wirken, indem sie die Kapselbildung verhindern – beispielsweise gegen Bakterien, die Hirnhautentzündungen oder Harnwegsinfektionen verursachen. Auch wenn noch viel Forschung dazu nötig sein wird: Ein wichtiger Schritt, den Bakterien ihre „Tarnkappen“ abzunehmen, wurde getan.

Die Ergebnisse der Forschung wurden in „ Nature Chemical Biology“ veröffentlicht.

Text: Mario Schubert, Bearbeitung: Kirsten Pötzke (MHH Hanover) und PLUS Desk (PLUS)

Dr. Schubert

Dr. Mario Schubert

Paris Lodron Universität Salzburg | Fachbereich Biowissenschaften und Medizinische Biologie

Hellbrunner Straße 34 | 5020 Salzburg | Austria

E-Mail an Dr. Mario Schubert

Foto: Dr. Mario Schubert | © Bernd Wannenmacher