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Aus welcher sozialen Schicht kommen CEOs? 

Die Top Management-Positionen als CEO (Chief Executive Officer, dt. Geschäftsführer) sind in Branchen wie dem Finanzsektor oder in Versicherungs- und Immobilienunternehmen fast ausschließlich Menschen vorbehalten, die aus der etablierten Elite kommen. CEOs, die aus der Arbeiterklasse stammen, sind am ehesten in der verarbeitenden Industrie zu finden. Das zeigt eine Studie von Maximilian Göbel, Alexander Seymer und Dominik van Aaken, welche als interdisziplinäre Kollaboration an der PLUS entstand und für die sie 1500 Geschäftsführer befragt haben. Damit wurden erstmals branchenspezifische Unterschiede in der sozialen Klasse der CEOs aufgedeckt. Die Studie des Forscherteams ist auch für die Management-Praxis von Relevanz, weil sie neue Wege aufzeigt zur Erforschung des Prozesses der sozialen Selektion, durch den Unternehmenseliten definiert werden, so die Autoren.

Die Studie „Differences between CEOs: A Social Class Perspective on CEOs´ Industry Affiliation in Germanywurde im Journal „Academy of Management Discoveries“ publiziert.

Vorstandsvorsitzende bzw. Geschäftsführer*innen (CEOs) gehören zweifellos zur Elite jeder Gesellschaft, was ihr Einkommen betrifft und oft auch ihre Ausbildung. Doch die Gruppe ist sehr uneinheitlich, wie das Forscherteam Maximilian Göbel (LMU München), Alexander Seymer (PLUS) und Dominik van Aaken (CFPU Wien) zeigt. Aus den Daten ihrer Studie „Unterschiede zwischen CEOs“ wird ersichtlich, dass CEOs verschiedener sozialer Klassen tendenziell in unterschiedlichen Branchen zu finden sind.

Für ihre Untersuchung befragten die Forscher über 1.500 CEOs in Deutschland zu Merkmalen ihrer eigenen sozialen Klasse sowie der sozialen Klasse ihrer Eltern und identifizierten dementsprechend vier Gruppen: CEOs mit einem Arbeiterklasse-Hintergrund, CEOs aus der bürgerlichen Mittelschicht, CEOs mit gehobenem Bildungsniveau, CEOs aus der etablierten Elite.

„Wir haben uns auf eine Clusterung der CEOs in möglichst homogene Subgruppen fokussiert. Methodisch haben wir dafür die sogenannte latente Klassenanalyse angewendet. Unser differenzierender Ansatz ist innovativ, denn CEOs werden oft als eine homogene Elite der Gesellschaft wahrgenommen. Das stimmt so nicht. Wir konnten zeigen, dass es einen statistisch signifikanten Zusammenhang gibt zwischen der sozialen Klasse, aus der CEOs stammen, und der Branche, in der sie arbeiten“, unterstreicht der Soziologe Alexander Seymer von der Paris Lodron Universität Salzburg die Besonderheit der Analyse.

CEOs aus der etablierten Elite, d.h. akademisch sehr gut ausgebildete CEOs, die in Oberschichthaushalten aufgewachsen sind und heute mehr verdienen als ihre CEO-Kollegen und -Kolleginnen, sind überdurchschnittlich oft in der Unternehmensberatung vertreten, höchst selten hingegen etwa im Handelssektor. In der Unternehmensberatung tätig sind übrigens auch oft CEOs mit gehobenem Bildungsniveau (die Autoren bezeichnen diese als „upward educated“). Sie kommen zwar aus finanzschwachen Familien, weisen aber (zu 97 Prozent) überdurchschnittlich hohe Bildungsabschlüsse auf (vergleichbar den Vertretern aus der etablierten Elite). CEOs aus dem gehobenen Bildungsniveau sind häufiger im IT-, Maschinenbau-, Gesundheits-, Sozial- und Bildungssektor vertreten.

CEOs aus der Arbeiterklasse sind am häufigsten in der verarbeitenden Industrie (z.B. Metallerzeugung, Maschinenbau, Textil-, Ernährungsgewerbe) zu finden. Äußerst selten sind sie hingegen in Finanz-, Versicherungs- und Immobilienunternehmen tätig, was den Forschern zufolge darauf hinweist, dass die genannten Branchen undurchlässiger sind für soziale Aufsteiger. Auch in der Unternehmensberatung sind sie so gut wie nie vertreten. Nur knapp 40 Prozent der CEOs, die aus der Arbeiterklasse stammen, haben einen Hochschulabschluss (der in der verarbeitenden Industrie auch nicht gefordert ist). Der Frauenanteil ist mit 10 Prozent so niedrig wie in keiner anderen Kategorie, dafür ist der 9-Prozent-Anteil an CEOs mit Migrationshintergrund (die vorwiegend im Handelssektor arbeiten) hier so hoch wie in keiner anderen Kategorie. Rund ein Viertel aller CEOs stammen aus der Arbeiterklasse.

CEOs aus der bürgerlichen Mittelschicht kommen aus einem durchschnittlich begüterten Familienumfeld, ihr Bildungsniveau ist relativ niedrig im Vergleich zu anderen CEOs, vergleichbar dem ihrer Kolleg*innen aus der Arbeiterklasse. Der Frauenanteil ist hier (mit knapp 17 Prozent) so hoch wie in keiner anderen Kategorie, umgekehrt ist der Anteil mit Migrationshintergrund (mit knapp 4 Prozent) am niedrigsten.

„Mit dieser Analyse konnten wir empirisch zeigen, dass der Aufstieg bis an die Spitze von deutschen Unternehmen nicht nur eine Frage der individuellen Leistung ist, sondern auch von der sozialen Klasse abhängt und sich stark zwischen den Industrien unterscheidet“, fasst der Co-Autor Wirtschaftswissenschaftler Dominik van Aaken ein zentrales Ergebnis der Untersuchung zusammen. Van Aaken war am Beginn der Studie an der PLUS tätig, inzwischen ist er als Professor an der Charlotte Fresenius Privat Universität in Wien beschäftigt.

Aus der Studie gehe auch deutlich hervor, dass einige Branchen offener bzw. durchlässiger für einen sozialen Aufstieg sind als andere.

Die Erkenntnisse aus der Untersuchung haben auch Implikationen für die Managementpraxis, betonen die Forscher. „Hemmnisse für den Aufstieg auf der Karriereleiter in Unternehmen können aus der Einstellungspraxis von Unternehmen in Branchen resultieren, in denen der Auswahlprozess von der sozialen Klasse eines Kandidaten beeinflusst wird. Angesichts dieser Ergebnisse appellieren wir an Unternehmen, ihre onboarding-Praktiken neu zu gestalten, um zu vermeiden, dass sie Kandidat*innen auf der Grundlage elitärer Kriterien rekrutieren und damit die Vielfalt ihres Humankapitals einschränken“, sagt der Co-Autor Wirtschaftswissenschaftler Maximilian Göbel. Die Studie ist Teil seiner Promotion, welche er erfolgreich an der PLUS verteidigte.

Mit ihrer Analyse leisten die Forscher in einem bisher wenig untersuchten Bereich auch einen Beitrag zum Thema der Elitenrekrutierung. Elitenrekrutierung war lange Zeit gleichbedeutend mit der Rekrutierung von Mitarbeitern aus der oberen sozialen Schicht. Vor allem mit der Öffnung der Universitäten für alle sozialen Gruppen war vielfach die Hoffnung verbunden, dass sich die soziale Bandbreite der Elitenrekrutierung erweitern würde. Diese Annahme wurde von der meritokratischen Vorstellung der Leistungsgesellschaft getragen: wer sich anstrengt, schafft es an die Spitze. Viele Wissenschaftler*innen – allen voran der Soziologe und Elitenforscher Michael Hartmann –  argumentierten entschieden gegen den ihrer Ansicht nach bestehenden Leistungsmythos, indem sie nachwiesen, dass der berufliche Aufstieg eher von der sozialen Herkunft als von persönlichen Verdiensten abhängt.

Die Studienautoren Alexander Seymer, Dominik van Aaken und Maximilian Gröbel kommen insgesamt zu einem differenzierten Fazit: „Wir finden zwar Belege dafür, dass in einigen Branchen die CEO-Auswahlprozesse denjenigen Chancen bieten, die überdurchschnittliche Leistungen erbringen. Bei solchen Fällen stimmt die Rede von der Leistungsgesellschaft. Aber gleichzeitig zeigen unsere Analysen auch, dass es trotz Leistungsprinzip Benachteiligungen vor allem für Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund gibt.“

Publikation:

 „Differences between CEOs: A Social Class Perspective on CEOs Industry Affiliation in Germany“ In: Academy of Management Discoveries

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Foto: © Andreas Kolarik | Dr. Dipl.-Soziol. Alexander Seymer (Fachbereich Politikwissenschaft und Soziologie)

 

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Dr. Dipl.Soz. Alexander Seymer MSc

Senior Scientist

PLUS | Department of Sociology and Human Geography 

Rudolfskai 42 | A-5020 Salzburg

Tel: +43 (0)662 8044-4116

E-Mail an Dr. Dipl.Soz. Alexander Seymer MSc

Foto: © Photo by Hunters Race on Unsplash