AUF DEM WEG ZU „SMARTEN“ COCHLEA-IMPLANTATEN
Mittels Hörnerv-Messungen will ein Forschungsteam der Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS) elektronische Hörprothesen verbessern.
Hörverlust ist in der Allgemeinbevölkerung, nicht nur in Österreich, ein großes Problem. Laut dem von der Weltgesundheitsorganisation WHO 2021 veröffentlichten “World Report on Hearing” verursacht Hörverlust weltweit fast eine Billion Dollar an Kosten.
Gehörlosigkeit kann angeboren sein oder – etwa durch einen Hörsturz – auch in späteren Lebensjahren auftreten. Um den Hörnerv zu stimulieren und somit Hören wieder zu ermöglichen werden inzwischen häufig sogenannte Cochlea-Implantate (CI) verwendet.
Cochlea-Implantate: Forschung für ein verbessertes Hörerlebnis
Diese Geräte bestehen aus einer in der Hörschnecke platzierten Elektrode, einem unter der Haut befindlichen Implantat mit Magneten und dem darauf haftenden Außenteil, welcher mit einem Audioprozessor verbunden ist.
Das CI wandelt Töne in elektrische Impulse um. Hören wird wieder möglich, wenngleich das Hörempfinden ein anderes als bei Normalhörenden ist. Daher wird viel Geld in die Forschung und die stetige Verbesserung der Geräte investiert.
Meilenstein im Projekt „Smart Cis“
Ein Ansatz für die Verbesserung der Geräte konzentriert sich dabei auf hörrelevante Prozesse, die vom Gehirn ausgesteuert werden. Am Centre for Cognitive Neuroscience (CCNS) an der PLUS wird aktuell in dem Projekt “Smart CIs” an diesem Ansatz geforscht. Das Projekt wird von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft und dem Innsbrucker Unternehmen MED-EL, einem der weltweit führenden Hersteller von CIs, finanziert.
Dem Salzburger Forschungsteam (Quirin Gehmacher, Patrick Reisinger, Thomas Hartmann und Nathan Weisz) und Konrad Schwarz (MED-EL) gelang nun ein Meilenstein: Sie luden CI-Benutzer*innen zu einem Experiment ein, bei dem sie sich entweder auf etwas gleichzeitig zu Hörendes oder zu Sehendes konzentrieren mussten. Während die Studienteilnehmer*innen auf das Erscheinen der audiovisuellen Reize warteten, wurden Messungen vorgenommen.
Dabei konnte das Forschungsteam diese fokussierte (selektive) Aufmerksamkeit weltweit erstmals direkt mittels der CI-Elektrode am Hörnerv messen. Die Erkenntnisse wurden nun im renommierten “Journal of Neuroscience” veröffentlicht.
Das Ziel: besser hören in schwierigen Hörsituationen
Neben anderen neuen Einsichten konnte das Forschungsteam zudem eine künstliche Intelligenz erfolgreich darauf trainieren, anhand der Messungen zu unterscheiden, ob sich die Personen auf etwas zu Hörendes oder zu Sehendes konzentrierten. Gerade diese Erkenntnis hat bedeutende Auswirkungen auf “smart Cis“. Diese können sich in Echtzeit an Hörsituationen anpassen.
Beispielsweise soll es in Zukunft möglich sein, dass die Geräte automatisch anhand solcher Messungen erkennen können, auf welche Person sich eine CI-Nutzerin oder ein CI-Nutzer gerade konzentriert. Das Gerät soll dann in Echtzeit die Sprache dieser Person verstärken und gerade an lauten Orten, wie etwa einem vollen Lokal, alle anderen Geräuschquellen unterdrücken. Das kann CI-Nutzer*innen das Verstehen von Sprache in schwierigen Hörsituationen deutlich erleichtern.
MED-EL, führender Hersteller von implantierbaren Hörlösungen, hat es sich zum vorrangigen Ziel gesetzt, Hörverlust als Kommunikationsbarriere zu überwinden. Das österreichische Familienunternehmen wurde von den Branchenpionieren Ingeborg und Erwin Hochmair gegründet, deren richtungsweisende Forschung zur Entwicklung des ersten mikroelektronischen, mehrkanaligen CI führte, das 1977 implantiert wurde und die Basis für das moderne CI von heute bildet. Damit war der Grundstein für das erfolgreiche Unternehmen gelegt, das 1990 die ersten Mitarbeiter*innen aufnahm. Heute beschäftigt MED-EL weltweit mehr als 2300 Personen aus rund 80 Nationen in 30 Niederlassungen.
Weiterführende Informationen
- Publikation “Direct Cochlear Recordings in Humans Show a Theta Rhythmic Modulation of Auditory Nerve Activity by Selective Attention”
- Website MED-EL