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Aale in der Südsee. Dem Rätsel ihrer Fortpflanzung auf der Spur

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung des Salzburger Biologen Robert Schabetsberger hat die Tausende Kilometer lange Wanderung tropischer Aale zu ihren unbekannten Laichplätzen im Indopazifik untersucht und das Geheimnis ihrer Fortpflanzung ergründet. Ein Ergebnis: Verschiedene Aal-Arten paaren sich häufig miteinander. Die Hybridisierung (Entstehung von Nachkommen genetisch unterschiedlicher Eltern, die verschiedenen Arten angehören) scheint demnach – wie bei Pflanzen – auch im Tier

Das Sample ist riesig. Im Laufe von 17 Jahren haben Forscher aus Österreich, England, Norwegen, der Schweiz, Japan u.v.m. bei 14 Expeditionen im tropischen Indopazifik fast 500 Aal-Exemplare gesammelt. Die schlangenartigen Fische wurden im Feld morphologisch bestimmt und es wurden genetische Proben genommen. Im Labor wurden später die genauen Analysen  durchgeführt. 

Satellitengestützte Sender, die die Forscher an den Tieren anbrachten, lieferten Daten über die tausend Kilometer lange Wanderung der Tiere zu ihren Geburtsstätten im Ozean. Von den Seen und Flüssen im Regenwald, wo sie die meiste Zeit ihres Lebens verbringen, begeben sie sich auf eine Wanderung, die in ihrer Dimension keinen Vergleich im Tierreich hat. Die Laichplätzte sind bisher unbekannt. Nach dem Laichen sterben die Aale. Die Larven driften zurück und steigen als durchsichtige Glasaale wieder zu den Flussmündungen auf. Bisher konnte noch niemand die Aale bei der Fortpflanzung im Meer beobachten. Aale machen es genau umgekehrt wie Lachse, die zum Laichen vom Meer in die Flüsse zurückkehren. Die Aalwanderungen gehören zu den großen Rätseln der Biologie. 

Sieben verschiedene tropische Aal-Arten im Indopazifik haben die Forscher unter die Lupe genommen und  anhand genetischer Datensätze festgestellt, dass sie sich häufig untereinander paaren. Deutlich häufiger als im Tierreich üblich, sagt der Biologe und Aalforscher Robert Schabetsberger von der Universität Salzburg. „Wir haben in unserem Datensatz insgesamt knapp 6 Prozent Hybride, also Mischlinge, gefunden. Mehr als 22 Prozent waren es am Hybridisierungs-Hotspot Gaua, einer kleinen Vulkaninsel, die zum Archipel der Banks Inseln des pazifischen Inselstaates Vanuatu gehört. Diese Zahlen sind beachtlich, wenn man bedenkt, dass es bei den meisten Tierarten ungefähr 1 Prozent Hybriden gibt.“

Oft miteinander gepaart haben sich zum Beispiel die Aal-Arten Anguilla marmorata und Anguilla megastoma. Warum gerade auf der Insel Gaua die meisten Hybriden ankommen, wissen die Forscher nicht. Es könnte mit den Strömungen zusammenhängen, sagt Schabetsberger und verweist auf vergleichbare Erkenntnisse zum Europäischen und Amerikanischen Aal. Deren Hybriden sind – bedingt durch die Strömungen – vorwiegend auf Island zu finden. Die Arten überschneiden sich zum Laichen in der Sargassosee.

Dass die tropischen Aale hybridisieren, war den Forschern schon bekannt. Nicht bekannt war ihnen aber bisher das Ausmaß. „Dass die Aale in der Südsee über alle Artgrenzen hybridisieren, hat uns sehr überrascht“, sagt Schabetsberger. „Bisher wurde Hybridisierung im Tierreich eher als Unfall gesehen, wenn zum Beispiel der Mensch Verbreitungsgrenzen aufhebt. Hybridisierung ist die Entstehung von Nachkommen genetisch unterschiedlicher Eltern, die verschiedenen Arten angehören. Nun häufen sich Befunde auch aus anderen Tiergruppen, dass die Hybridisierung – wie bei Pflanzen – ein wichtiger Motor der Evolution sein kann, auch bei Arten die schon seit Jahrmillionen getrennt sind.“

Denn Fakt ist: Trotz Hybridisierung bleiben die Aal-Arten seit 10 Millionen Jahren getrennt. Wie ist das beim Vorhandensein von fortpflanzungsfähigen Mischlingen möglich? „Es gibt in den späteren Generationen offensichtlich einen Mechanismus, der diese Hybriden wieder eliminiert. Wir fanden nur erste Generation von Hybriden“, erklärt Schabetsberger.

Doch wie passt es zusammen, dass die Hybridisierung als ein Motor der Evolution betrachtet wird, wenn gleichzeitig keine langfristigen Nachkommen aus der Paarung unterschiedlicher Arten hervorgehen? „In unserem Fall werden die Nachkommen wieder wegselektioniert. Es kann aber sein, dass durch Introgression neue Arten entstehen, also durch die Bewegung eines Genes von einer Art auf eine andere Art. Dafür haben wir deutliche Hinweise  gefunden. Introgression kann sehr nützlich sein für die Anpassung an die Lebensbedingungen. Unsere Ergebnisse sind aber noch nicht endgültig,“  sagt Schabetsberger.

Mit seinen Forschungen zu den Aalwanderungen will Schabetsberger u.a. einen Beitrag zum Schutz der urtümlichen Tiere leisten. Sie sind vom Aussterben bedroht. Um sie schützen zu können, muss man ihren Lebensraum kennen und das ist großteils nicht der Fall, insbesonders im Meer, so der Aalforscher.

Publikation:  

Julia M.I. Barth, Chrysoula Gubili, Michael Matschiner, Ole K. Torresen, Shun Watanabe, Bernd Egger, Yu-San Han, Eric Feunteun, Ruben Sommaruga, Robert Jehle, Robert Schabetsberger: Stable species boundaries despite ten million years of hybridization in tropical eels. In: Nature Communications (2020) 11:1433 
  https://www.nature.com/articles/s41467-020-15099-x

Foto: Universität Salzburg

 

Übersicht Medienberichte: Aale

Mysteriöses Verschwinden der Mischlinge, diepresse.com vom 04.08.2020, Seite 2  
Häufige Fremdgeher: Das rätselhafte Sexleben der Aale, heute.at vom 04.08.2020, Seite 3  
Überraschung: Aale sind notorische Fremdgeher über Artgrenzen hinweg, derstandard.at vom 03.08.2020, Seite 4  
Mysteriöses Verschwinden der Mischlinge, Die Presse vom 01.08.2020 (Seite 33), Seite 5
Aale paaren sich erstaunlich oft über Artgrenzen hinweg, studium.at vom 27.07.2020, Seite 6
Aale paaren sich oft über Artgrenzen hinweg, orf.at vom 27.07.2020, Seite 7
Salzburger erforschen Aale im Pazifik, orf.at vom 27.07.2020, Seite 8  
Aale in der Südsee. Dem Rätsel ihrer Fortpflanzung auf der Spur, science.apa.at vom 27.07.2020, Seite 10 
Aale paaren sich erstaunlich oft über Artgrenzen hinweg, science.apa.at vom 27.07.2020, Seite 12 
Aale paaren sich über Artgrenzen hinweg, wienerzeitung.at vom 27.07.2020, Seite 13

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