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RINGVORLESUNG „Pygmalion“: Manfred Kern

Künstliche Körper und lebende Statuen in den Künsten

22. März bis 21. Juni 2023 | jeweils am Mittwoch 11.15 bis 12.45 Uhr | UNIPARK Nonntal | Erzabt Klotz-Straße 1 | HS 3 Georg Eisler (E.003)


Termin am 17. Mai 2023

Manfred Kern: Aphrodites Statuen und ihre Liebhaber. Eine Pathologie 

Um 350 v. Chr. hat der griechische Bildhauer Praxiteles für die Insel Knidos eine Aphroditestatue geschaffen. Bei dieser Knidia handelt es sich um den ersten bekannten weiblichen Vollakt in der griechischen Kunst, entsprechende Furore hat sie gemacht. Berthold Hinz hat der Knidia und ihrer Rezeptionsgeschichte ein ganzes Buch gewidmet, in dem er von einer „abendländischen Passion“ spricht. Man könnte schärfer noch von einer Pathologie sprechen, die Ästhetik und Erotik in gleicher Weise betrifft und verschränkt. An die Knidia heften sich Legenden von Männern, die sich in sie, die Statue, verliebten und sich an ihr vergingen. Die Statuenliebe oder klar gesprochen der „Sex mit Marmor“ bildet ein Narrativ, das sich übers Mittelalter bis in die Moderen zieht. Der Vortrag widmet sich den bezeichnendsten Zeugnissen dieser pathogenen Konstellation. Ovids Pygmalion kann dabei als ein Ableger angesehen werden, der selbst wieder seine eigene Wirkungsgeschichte erzeugte.

Manfred Kern ist Professor für Ältere deutsche Literatur und Sprache an der Paris Lodron Universität Salzburg. Er studierte Studium der Germanistik und Gräzistik in Wien, promovierte 1997 in Wien mit einer Arbeit zur Antikerezeption in der mittelalterlichen Literatur und habilitierte sich 2006 zu Poetik und Poesie der Vergänglichkeit in der weltlichen Dichtung des 12.-15. Jahrhundert. Zu seinen Forschungsinteressen zählen die komparatistische und germanistische Mediävistik, Antikerezeption im Mittelalter sowie Vergänglichkeitsdiskurse und -topoi in Mittelalter und Früher Neuzeit.


PROGRAMM der Ringvorlesung (PDF)


Seitdem Pygmalion die von ihm gemachte Statue durch sein Begehren mit göttlicher Hilfe verlebendigte, beschäftigen sich die Künste mit der Materialität des menschlichen Körpers zwischen Leben und Tod, Natürlichkeit und Künstlichkeit, Verlebendigung und Animismus. An Pygmalion und insbesondere an Galatea reflektieren sie sich in ihrem Kunststatus und in ihrem mimetischen Programm auch selbst. Pygmalions hypermimetisches Bild ist dabei vielleicht zugleich höchste Herausforderung wie schmählichste Kapitulation gegenüber der schärfsten Konkurrentin der Kunst, der Natur. Die Ringvorlesung verfolgt den Mythos, seine Tradierungen und seine Schichten der (Un-)Sinngebung von der Antike und bis in die Gegenwart. Ausgehend von der Meistererzählung Ovids und verwandter bildhafter Verwandlungen wie die von Narziss oder der Propoetiden geht es um künstlich hergestellte Statuen, die lebende Körper imitieren (die in der imaginativen Sphäre der Literatur oder Kunst selbst künstlich sind).

Die Ringvorlesung fragt nach dem Verhältnis des Körpers als materielles, unbelebtes Artefakt und als lebendiges Subjekt. Die künstlichen Objekte imitieren lebende Körper, sie können gesehen und berührt werden. Die Instrumente ihrer Wahrnehmung sind die Körper der Betrachter. In der Pygmalion-Variante des Typus durchläuft das materielle, unbelebte Körperobjekt eine Metamorphose, die es zu einem lebendigen Körpersubjekt macht, das freilich die Sphäre der künstlerischen Imaginiertheit nicht zu überschreiten vermag. Der Übergang zwischen dem Körper als (materielles) Objekt und als (handelndes) Subjekt ist fließend. Im Rahmen der Ringvorlesung werden Vertreter*innen der verschiedensten kulturwissenschaftlichen Disziplinen diese Spannung von Nachahmung und Beseelung, Imagination und Materialität, Körper und Körperfiktion, nicht zuletzt aber auch die Genderfrage zwischen Schöpfung und Schöpfenden beleuchten.


Konzeption, LV-Leitung: Manfred Kern, Romana Sammern

Weitere Informationen:  https://w-k.sbg.ac.at/veranstaltung/ringvorlesung-pygmalion-kuenstliche-koerper-und-lebende-statuen-in-den-kuensten-manfred-kern/

Jean-Léon Gérôme (1824–1904): Pygmalion und Galatea, um 1890. Öl/Leinwand, 88,9 × 68,6 cm

Mag. Silvia Amberger

Programmbereichsreferentin

Paris Lodron Universität Salzburg | Interuniversitäre Einrichung Wissenschaft und Kunst / Programmbereich "Figurationen des Übergangs"

Bergstraße 12a | 5020 Salzburg | Austria

Tel: +43 662 8044 2377

E-Mail an Mag. Silvia Amberger

Foto: Jean-Léon Gérôme (1824–1904): Pygmalion und Galatea, um 1890. Öl/Leinwand, 88,9 × 68,6 cm. | © The Metropolitan Museum of Art, New York. Foto: The Metropolitan Museum of Art