Neue-Musik-Festivals als Agorai: Ihre Genese und Wirkung seit 1980 beim Warschauer Herbst, beim Festival d’Automne in Paris und bei Wien Modern
Die These, dass Neue-Musik-Festivals die Entwicklungsgeschichte der Neuen Musik in den letzten Jahrzehnten stark beeinflussten, soll durch diese Studie belegt werden. Ausgangspunkt dieses Projekts ist die positive Wende bezüglich der öffentlichen Resonanz neuer Musik seit ca. 2000 in Europa, die auf erste Impulse in den 1980er Jahren zurückgehen dürfte. Nach einigen Nachkriegsjahrzehnten im defensiven Nischen-Status erweitern sich nun die Wirkungs-Radien dieser Musikszene, u.a. im Wirken von Neue-Musik-Festivals in Europa als zusehends offenen aktiven Foren, als Agorai. Wachsende Aktivitäten manifestieren sich seit den 1980er Jahren auch in vielen Gründungen von Neue-Musik-Festivals und Ensembles. West-Europa hat mit seinem hohen Ausmaß an Neue-Musik-Aktivitäten einen weltweiten Sonderstatus. Festivals in den Hauptstädten von drei verschiedenen europäischen Staaten und Sprachräumen, stehen – unter Berücksichtigung des osteuropäischen Sphäre – im Zentrum: das in Osteuropa wohl bedeutendste und auch schon vor Solidarnosc und vor der Wende 1989 internationalste osteuropäische Festival „Warschauer Herbst“ (Polen, erstmals 1956), das „Festival d’Automne“ in Paris (Frankreich, erstmals 1972, Neue Musik neben zeitgenössischem Theater und Tanz) sowie „Wien Modern“ (Österreich, erstmals 1988). Größe, Binnenstruktur und Hauptstadt-Status geben gerade diesen drei Festivals besonderes Gewicht. Neue-Musik-Feste sind ein signifikanter Teil des Musik-Marktes, etwa auch des Festival-Tourismus, geworden. Sie spiegeln zusehends den für Vieles offenen „postmodernen“ Zeitgeist, der auch alte kulturelle Grenzen verwischt. Pluralistische ästhetische und interdisziplinäre Öffnungen korrespondieren mit erhöhter Aufmerksamkeit für alternative Konzertformate und mit Professionalisierungen sowohl im Management, in der Öffentlichkeitsarbeit und den Medien, der Publikums-Bezogenheit als auch bezüglich der Musikvermittlung. Wesentlicher Teil des Erfolgs sind die Aktiven dieser Festivals, insbesondere ihre KuratorInnen, KomponistInnen und MusikerInnen, deren Lebenswege in ausgewählten biographischen Portraits näher analysiert würden.
Das Projekt beansprucht für sich, dem Thema „Neue-Musik-Festivals“ als erste musikwissenschaftlich verankerte methodisch vielschichtige Studie nachzuspüren. Es erforscht exemplarisch länderübergreifend die internationale – insbesondere die europäische – Szene der zeitgenösssischen (Kunst-)Musik nach etwa 1980 und vermittelt dabei auch, von Österreich aus, zwischen nationalen Kulturen der Musikforschung und deren Nachbardisziplinen.
Die Konzepte der „Cultural Turns“ eröffnen dazu eine flexible Zone für interdisziplinäre und interkulturelle Aktivitäten und erlauben, Musik als Praxis zu verstehen, eine Prämisse des Projekts. Das Spektrum der Ansätze reicht von dokumentarischer Archiv-Arbeit (Datenbank) über die Musiksoziologie (mithilfe von quantitativen Fragebögen und qualitativen Interviews), kulturwissenschaftliche, historiographische und biographische Zugriffe sowie Musikanalyse bis hin zu Untersuchungen in den Bereichen Musikvermittlung und Management.
Projektdauer: 09.2013–12.2016
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