Das Studium der deutschen Sprache, Literatur und Kultur ist von großer internationaler Bandbreite. Weltweit werden an Universitäten, Hochschulen und Sprachinstituten germanistische Gegenstände untersucht, erforscht und in der Lehre vermittelt. Dies garantiert nicht nur die Vielfalt der unterschiedlichen Zugänge zu Themen und Fragestellungen, mit denen sich Germanist:innen befassen, sondern eröffnet auch Studierenden und Absolvent:innen der Germanistik zahlreiche Perspektiven für kurz-, mittel- und längerfristige Auslandsaufenthalte. Die Reihe „Germanistik international“ präsentiert Einzelinterviews, in denen Angehörige unseres Fachbereichs (Studierende und Lehrende) von ihren persönlichen Auslandserfahrungen berichten. Viel Vergnügen bei der Lektüre!

Interview I: Deborah Holmes zur Mobilität in Studium und Forschung

Porträt Deborah Holmes
Deborah Holmes ist Assoziierte Professorin für Neuere deutsche Literatur am Fachbereich Germanistik und Erasmus+-Koordinatorin sowie Internationalisierungsbeauftragte.

Du bist für den FB Germanistik in Salzburg zuständig für internationale Kooperationen, unter anderem Erasmus+. Mit welchen Fragen und Anliegen zum Thema Internationalität und Mobilität kannst du weiterhelfen?
 
Ich bin Beauftragte für Internationales, das heißt, ich bin Auskunftsperson für die Möglichkeiten, die es gibt, während des Studiums Zeit im Ausland zu verbringen. Erasmus+ ist das größte Programm, das Studierenden Auslandsaufenthalte ermöglicht oder vielmehr erleichtert, finanziell und organisatorisch – hauptsächlich im EU-europäischen Raum. Aber auch bezüglich Fragen zu Auslandsaufenthalten in aller Welt, außerhalb von Erasmus+, bin ich die erste Ansprechpartnerin an der Germanistik und kann je nach Bedarf die entsprechenden Kontakte vermitteln. Während ich für allgemeine Fragen zur Verfügung stehe, übernehmen zudem diverse Kolleg:innen am Fachbereich die Zuständigkeit für den Austausch mit bestimmten Partneruniversitäten. Ich kenne mich also überall ein bisschen aus, aber wenn Studierende schon eine konkrete Partneruniversität ins Auge gefasst haben, dann empfiehlt es sich, sich an die jeweilige Ansprechperson zu wenden. In den allermeisten Fällen besteht hier ein direkter und persönlicher Kontakt zu den Kolleg:innen der Partneruniversitäten. Das ist natürlich optimal und ermöglicht den unmittelbaren Austausch darüber, wie es den Studierenden vor Ort geht.
Grundsätzlich gibt es sehr viele verschiedene Möglichkeiten für Auslandsaufenthalte – nicht nur Studienaufenthalte, sondern auch Praktika, Sommer- oder Winterschulen, kurzfristige Fachkurse usw. – es ist schwierig, das alles knapp zusammenzufassen. Jeder Fall ist ein bisschen anders und jede:r Studierende hat andere Anliegen, deswegen ist es gut, früh ein persönliches Gespräch zu suchen, in dem man gemeinsam herausfinden kann, was wirklich am besten zu den eigenen Interessen und Bedürfnissen passt. Ich stehe sehr gerne für allgemeine Sondierungsgespräche zur Verfügung, in denen es zunächst ganz einfach darum geht, herauszufinden, ob und wie man überhaupt ins Ausland gehen möchte. Ich bin auch nicht sauer, wenn dann nichts daraus wird – aber wenn’s was wird, freue ich mich natürlich!
 
Welche Möglichkeiten gibt es für Studierende des FB Germanistik, für einige Wochen oder Monate ins Ausland zu gehen und wie werden diese Möglichkeiten finanziell gefördert?
 
Das Hauptprogramm, mit dem Studierende ins Ausland geschickt werden, ist wie gesagt Erasmus+. Früher war das Erasmusprogramm jeweils auf ein Semester oder ein Studienjahr ausgerichtet, doch seit der Programmaktualisierung 2022 ist die zeitliche Regelung viel flexibler, man kann jetzt etwa für eine oder zwei Wochen oder für zwei, drei Monate ins Ausland gehen. Es besteht aber auch nach wie vor die Möglichkeit, im Rahmen von Erasmus+ ein ganzes Jahr im Ausland zu verbringen. Erasmus-Förderungen kann man mehr als einmal in Anspruch nehmen: Pro Studienzyklus (Bachelor, Master und Doktorat) gibt es ein bestimmtes Kontingent an Monaten, jeweils bis zu einem Jahr. Für die Schweiz gibt es ein eigenes Förderprogramm: SEMP (Swiss-European Mobility Programme). Es funktioniert sehr ähnlich wie Erasmus+.
Die PLUS vergibt auch eigene Stipendien für Auslandsaufenthalte, abseits von Erasmus+. Diese werden vom Büro für Internationale Beziehungen verwaltet (Ansprechperson in diesem Fall: Elona Memisha-Schnappinger). PLUS Auslandsstipendien können für Studienaufenthalte ab einer Dauer von einem Monat in Anspruch genommen werden. Kürzere Auslandsaufenthalte werden aber auch gefördert: für kurzfristige fachspezifische Kurse im Ausland gibt’s Unterstützung ab einer Aufenthaltsdauer von einer Woche. Diese bietet sich für spezielle Schulungen oder Sommerschulen im Ausland an.
Die PLUS ist noch dazu Mitglied in einem großen europäischen Verbund von Universitäten namens CIVIS. Diese Partnerunis sollen eines Tages gemeinsam eine halb virtuelle, halb physische internationale Universität bilden. Hier sind auch zwei Universitäten in Ländern dabei, die keine EU-Mitglieder sind: Zum einen die Universität Glasgow und zum anderen die Universität Lausanne. Über CIVIS besteht damit auch die Möglichkeit eines Auslandsaufenthaltes außerhalb des EU-Raums. Im Rahmen von CIVIS gibt es die Blended Intensive Programmes (BIPs), dabei handelt es sich um Lehrveranstaltungen, in die ein Auslandsaufenthalt als Komponente eingebaut ist. Hier am Fachbereich nehmen wir gerade an einer davon teil, eine Lehrveranstaltung zur Migrations- und Exilliteratur an der Université libre de Bruxelles, an der Professor Michler beteiligt ist. Diese Lehrveranstaltungen setzen sich aus Online-Unterricht gemeinsam mit den Studierenden der anderen Partneruniversitäten und aus einer Begegnung in Präsenz zusammen, die eine Woche dauert und an einer der CIVIS-Universitäten in Europa abgehalten wird. Die Reise- und Aufenthaltskosten werden von CIVIS übernommen.
Neben Auslandsaufenthalten im Rahmen des Studiums können auch Auslandspraktika – vor allem im Rahmen von Erasmus+ – finanziell gefördert werden. Die Wahl des Praktikumsplatzes ist sehr offen, aber sie muss vom Fachbereich im weiteren Sinne als fachrelevant qualifiziert werden und das Praktikum muss mindestens zwei Monate dauern. Als Ort dafür kommen beispielsweise Betriebe wie Verlage, Kulturorganisationen, Archive, aber auch Schulen und andere Unis in Frage. Zur Absolvierung des Praktikums benötigt man lediglich eine Vereinbarung zwischen dem Fachbereich Germanistik und der betreffenden Einrichtung, die relativ formlos sein kann. Wichtig ist zu wissen, dass ein Praktikum mit Erasmus+ auch nach dem Studium absolviert werden kann. Es muss nur mindestens drei Monate vor Studienabschluss beantragt werden, dann kann man in diesem Rahmen für eine Dauer von bis zu einem Jahr nach Studienabschluss im Ausland bleiben. Wer während des Studiums keine Zeit für einen Auslandsaufenthalt findet, hat auf diese Weise die Gelegenheit, im Nachhinein Auslandserfahrungen zu sammeln. Zugleich ist das eine gute Option, um sich zu orientieren, wenn man unmittelbar nach dem Studium noch nicht genau weiß, wie es beruflich weitergehen soll.
Zu bedenken ist, dass Förderungen im Rahmen von Erasmus+, CIVIS oder durch die universitätseigenen Stipendien eine Form der Mitfinanzierung sind, die nicht alle aufenthaltsbezogenen Kosten abdecken kann. Man muss sich also immer gut überlegen, wie sich der Aufenthalt darüber hinaus finanzieren lässt. Aber sowohl im Rahmen von Erasmus+ als auch bei den eigenen Stipendien der Universität Salzburg gibt es neben der finanziellen Unterstützung der Lebens- und Unterhaltskosten auch einen Reisekostenzuschuss in Höhe von bis zu 700€. Eine weitere wichtige finanzielle Erleichterung ergibt sich hinsichtlich der Studiengebühren: In Österreich ist man ja gar nicht daran gewöhnt, mit hohen Studiengebühren zu kalkulieren. Das Schöne an den internationalen Studienprogrammen ist, dass Studiengebühren, die in Ländern wie etwa Großbritannien, den USA oder Australien sehr hoch sein können, auch innerhalb der Universitätspartnerschaften nicht bezahlt werden müssen. So verlangt etwa die Universität Melbourne, eine Partneruniversität der Germanistik, normalerweise horrende Summen an Studiengebühren, die für Austauschstudierende aus Salzburg komplett entfallen.
 
Welche Möglichkeiten eröffnen sich Lehrenden am FB Germanistik, einen Auslandsaufenthalt durchzuführen?
 
Einige universitätseigene Stipendien stehen auch Angestellten zur Verfügung, wenn sie aber mehr als 750€ im Monat an der Uni verdienen, erhalten sie nur die Hälfte des Geldes. Der Hintergedanke dabei ist, dass der Fachbereich, je nach seinen finanziellen Möglichkeiten, den Angestellten ebenfalls einen Zuschuss zukommen lassen kann. Innerhalb von Erasmus+ besteht die Möglichkeit einer finanziellen Förderung von Lehrendenaustausch: Wenn wir eine Woche oder zehn Tage lang an einer Partneruniversität an der Lehre von Kolleg:innen mitwirken, gibt es dafür relativ großzügige Finanzierungen. Man sollte idealerweise mindestens acht Stunden an Lehrveranstaltungen pro Woche im Ausland abhalten. Allerdings ist es auch möglich, zu diesen acht Stunden Arbeitsgespräche im Kontext der Lehrveranstaltungen oder einen Gastvortrag zu zählen. Das ist eine schöne Möglichkeit, Kolleg:innen der Partneruniversitäten besser kennenzulernen, die Bedingungen vor Ort persönlich zu erleben und Erfahrungen zu sammeln, die in weiterer Folge den Studierenden, die ein Auslandssemester an dieser Partneruniversität machen wollen, zugutekommen können. Ein Lehrendenaustausch muss aber während des Semesters gemacht werden, was bedeutet, dass die eigene Lehre zu Hause währenddessen irgendwie weitergehen muss!
Lehrende am Fachbereich haben auch die Möglichkeit, eigene Blended Intensive Programmes im Rahmen von CIVIS ins Leben zu rufen. Dabei handelt es sich um eine aufwendigere Aufgabe, die der Organisation und Vollbetreuung einer Lehrveranstaltung entspricht.
Außerdem gibt es Erasmus+ Key Action 171 – ein catchy Titel –, hierbei handelt es sich um Kooperationen mit Universitäten außerhalb Europas. Gefördert werden insbesondere Partnerschaften mit Nordafrika, Zentralasien etc.; weniger gefördert werden dagegen etwa Partnerschaften in den USA und anderen Gegenden der Welt, für die es ohnehin bereits ausgebaute Austauschprogramme gibt. Das Geld im Rahmen von Erasmus KA171 kann in einem relativ aufwendigen Prozess einmal im Jahr beantragt werden und wird für sehr spezifische, langfristige Projekte in der Lehre eingesetzt.
 
Wann ist ein günstiger Zeitpunkt im Laufe des Studiums, einen mehrmonatigen Auslandsaufenthalt zu absolvieren?
 
Grundsätzlich ist immer ein guter Zeitpunkt für einen Auslandsaufenthalt, mit einer kleinen Einschränkung: Im ersten Jahr oder den ersten anderthalb Jahren des Studiums ist es sinnvoll, zunächst einmal die Strukturen und Gegebenheiten der Heimatuniversität kennenzulernen. Ab dem dritten Semester kann aber jederzeit ein Auslandsaufenthalt im Rahmen der erwähnten vielfältigen Möglichkeiten durchgeführt werden. Nach oben hin sind die Grenzen offen: Man kann auch beispielsweise während des Abfassens der Masterarbeit ins Ausland gehen. Hierfür bietet sich etwa die Mitbetreuung durch eine:n Kolleg:in im Ausland an. Auch für Lehramtskandidat:innen gibt es verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel im Hinblick auf Praktika: Mittlerweile gibt es bereits erste Angebote, Unterrichtspraktika im Ausland durchzuführen und es wird daran gearbeitet, dieses Spektrum zu erweitern. Von manchen Partneruniversitäten werden auch Didaktikkurse abgedeckt, aber es können ebenso ausschließlich Fachkurse im Ausland belegt und die Didaktikkurse zuvor und danach an der Heimatuniversität gemacht werden. Wenn man schon in der Schule tätig ist, wird ein Auslandsaufenthalt freilich schwieriger. Eine bestens informierte Ansprechpartnerin für Lehramtstudierende ist Petra Siwek-Marcon (https://www.plus.ac.at/erziehungswissenschaft/fachbereich/abteilungen-und-arbeitsgruppen/biwi/team-2/siwek-marcon-petra/), die für Internationalität an der School of Education zuständig ist und gerne bereit ist, Fragen zu Auslandsaufenthalten zu beantworten. Für Internationales und Lehramt gibt es außerdem einen eigenen Newsletter von Frau Siwek-Marcon.
 
Welche drei größten Vorteile hat deiner Meinung nach ein mehrmonatiger Auslandsaufenthalt im Rahmen eines Studiums?
 
Da muss ich an meine eigenen Auslandserfahrungen während des Studiums denken: Ich habe Italienisch als Anfängerin ohne Vorkenntnisse studiert – das war eine schöne Herausforderung – und war in diesem Rahmen neun Monate lang Sprachassistentin für Englisch an einer Schule in Norditalien. Im Anschluss daran habe ich ein Praktikum in einem Kulturbetrieb in Deutschland absolviert und versucht, so auch der zweiten Fremdsprache meines Studiums gerecht zu werden. Der Lerneffekt war enorm und das scheinbar ohne besondere Bemühung (auch wenn tatsächlich natürlich ein hoher Aufwand damit verbunden ist). Man lernt nicht nur die Sprache und viele neue Menschen kennen, sondern man wird auch selbst gewissermaßen zu einer anderen Person. Sogar die eigene Stimme ist anders in einer Fremdsprache, die Gestik sowieso – ich habe mich selbst also neu kennengelernt und eine andere Perspektive auf den eigenen Lebensweg einnehmen können. Alles ist anders, und indem man damit fertig wird und lernt, damit zurechtzukommen, gewinnt man unermesslich viel an Selbstvertrauen. Das ist natürlich eine große Herausforderung, kann aber auch sehr befreiend sein. Später, als Doktorandin der Germanistik, war ich das erste Mal sechs Monate als Austauschstudierende an der PLUS. Hier studierte (und studiert) man ganz anders als ‚bei mir zu Hause‘ – da wurde mir zum ersten Mal klar, dass es im Ausland nicht nur über Land und Leute viel zu lernen gibt, sondern auch über das eigene Fach. Jede Universität hat ihre eigenen Schwerpunkte, an der Gastuniversität lernt man dadurch neue Perspektiven auf das Studium kennen und hat andere Möglichkeiten, zum Beispiel Lehrveranstaltungen zu besuchen, die an der Heimatuniversität nicht angeboten werden – das ist immer eine schöne Ergänzung. „Bereicherung“ klingt so klischeehaft, stimmt aber einfach. Wichtig ist nur, dass man die ersten Wochen übersteht. Manche sind zwar sofort begeistert, aber meistens dauert es ein wenig, bis man richtig angekommen ist, und da muss man Geduld haben. Die schwierige Phase ist aber verhältnismäßig kurz im Vergleich zu den langfristigen positiven Auswirkungen – am Ende zahlt es sich immer aus.

Interview II: Carlos Peter Reinelt über seine Japanaufenthalte während des Bachelor- und Masterstudiums Lehramt

Carlos Peter Reinelt studierte Deutsch und Philosophie & Psychologie auf Lehramt und ist inzwischen Doktorand am Fachbereich Germanistik. Während des Bachelorstudiums verbrachte er sechs Monate in Japan (Gakushūin-Universität, Tokio) und während des Masterstudiums ein weiteres Jahr (Waseda-Universität, Tokio). Im Interview erzählt er von diesen Japanaufenthalten.

Du warst im Rahmen deines Studiums und darüber hinaus mehrfach in Japan unterwegs. Mit welchem Programm bist du dorthin gegangen und wie hast du davon erfahren?

Ich war 2016 zum ersten Mal in Japan. Das Land hat mich sehr interessiert und daher habe ich dann geschaut, welche Partneruniversitäten die Uni Salzburg in Japan hat und welche Möglichkeiten es da gibt. Wir hatten zu der Zeit drei Partneruniversitäten in Japan, inzwischen sind es fünf (Liste der Universitätspartnerschaften weltweit: https://www.plus.ac.at/abteilung-fuer-internationale-beziehungen/buero-fuer-internationale-beziehungen/service-fuer-internationalisierung/kooperationspartner-netzwerke/universitaetspartnerschaften/). Die Universitäten und Programme habe ich über die Webseite der Uni Salzburg gefunden und mich anschließend mit Professor Elspaß als damaligem Partnerschaftskoordinator für Japan-Auslandsaufenthalte in Verbindung gesetzt. Ich habe auch Stipendienmöglichkeiten kennengelernt, damals hieß es Joint-Study-Stipendium, mittlerweile heißt es Study Abroad-Stipendium (https://www.plus.ac.at/abteilung-fuer-internationale-beziehungen/buero-fuer-internationale-beziehungen/service-fuer-studierende/ins-ausland/studienaufenthalte/study-abroad-stipendium/). Das ist ein Förderprogramm jenseits von Erasmus Plus für Länder außerhalb Europas. Es gibt großzügige Unterstützungen für Studienbeihilfenbezieher:innen, aber auch für diejenigen, die keine Studienbeihilfe bekommen, bietet die Abteilung für Internationale Beziehungen der Uni Salzburg hilfreiche Zuschüsse.

Wie war es für dich, die organisatorischen Fragen mit der Universität Salzburg und den Gastinstituten abzuwickeln? Hast du ein paar Tipps, wie man die notwendigen organisatorischen Aufgaben gut lösen kann? Welche wichtigen Anlaufstellen gibt es?

Mein Tipp ist vor allem: Nicht verzweifeln, die Dinge Schritt für Schritt angehen und genug Zeit dafür einplanen. Man ist natürlich nicht nur mit der Bürokratie seitens der Uni Salzburg, sondern auch mit jener der Gastuniversität beschäftigt. In Japan ist das bürokratische System noch viel ausgebauter als in Österreich und auch viel strenger. Es gibt dort keine Spielräume wie bei uns, wenn man beispielsweise Anmeldefristen verpasst. Deadlines sind in Japan auch wirkliche Deadlines. Aber dann gibt es natürlich auch die Suche nach dem Passierschein A38: Bei meinem zweiten Japanaufenthalt, im Rahmen des Masterstudiums, musste ich für die Zusage der Universität einen Nachweis vorlegen, dass ich genügend finanzielle Mittel habe, um diesen Aufenthalt zu bestreiten, und um das Stipendium für den Aufenthalt zu erhalten, musste ich wiederum bereits die Zusage der Universität haben. In solchen Fällen darf man sich nicht scheuen, kreative Lösungen zu finden. Allgemein würde ich drei Anlaufstellen empfehlen: Erstens die:den Partnerschaftskoordinator:in (in meinem Fall war das Prof. Elspaß), zweitens das International Office, drittens – am hilfreichsten – Leute, die das Programm zuvor schon gemacht haben. Die Koordinator:innen sind ja zugleich für mehrere Unis zuständig und jede Uni hat wieder ihre eigenen Regeln, sodass alles zunächst oft ein wenig undurchsichtig wirkt, und dann findet man teilweise die Informationen auch nur auf Japanisch. Daher ist es auf jeden Fall eine gute Idee, die:den Koordinator:in direkt darauf anzusprechen, wer das Programm schon gemacht hat, und sich die Kontaktdaten der Leute geben zu lassen.

Wie gestaltet sich die germanistische Forschung in Japan und welche Erfahrungen hast du damit gemacht?

Obwohl sich die japanische Germanistik, wie wohl allgemein die internationale Germanistik derzeit, in einem Schrumpfprozess befindet, ist sie immer noch riesig. Die japanische Gesellschaft für Germanistik hat mehr als 3.000 Mitglieder, zweimal jährlich erscheint seit 1947 die Zeitschrift der Gesellschaft, Neue Beiträge zur Germanistik. Es gibt auch ein eigenes Jahrbuch der österreichischen Sprach- und Literaturwissenschaft in Japan, das aber jünger ist. Sowohl japanische Forscher:innen als auch Forscher:innen aus dem deutschsprachigen Raum beschäftigen sich in Japan mit Themen, die den Rahmen der Germanistik, wie wir ihn gewohnt sind, übersteigen, und leisten damit eine großartige Arbeit, zum Beispiel im Bereich der interkulturellen Germanistik und zur Rezeptionsgeschichte in Japan bzw. Ostasien.

Welche Unterschiede gibt es im Vergleich zu einer österreichischen Universität (z.B. Lehrinhalte, Notensystem etc.)?

Ein großer Teil der Germanistik in Japan konzentriert sich – wie auch hierzulande beispielsweise die Romanistik und Slawistik – zunächst einmal darauf, den Studierenden die Sprache beizubringen. Das wird von Universität zu Universität unterschiedlich gehandhabt: Manche bieten von Grund auf, zunächst auf Chinesisch oder Japanisch, linguistische und literaturwissenschaftliche Seminare an, und erst später finden diese Seminare dann auf Deutsch statt. Andere Universitäten machen die ersten anderthalb oder zwei Jahre fast nur DaF-Unterricht und bieten dann im dritten und vierten Jahr viele literatur- und sprachwissenschaftliche Kurse auf Deutsch an. Das Notensystem in Japan besteht nicht aus Zahlen, sondern aus Buchstaben. An der Uni in Japan, an der ich war, gibt es außerdem noch „Plus“ und „Minus“. Im Gegensatz zu uns ist der GPA (Grade Point Average, Notendurchschnitt) sehr wichtig und wird bei Bewerbungen als Nachweis häufig verlangt. Gewisse Unis verlangen bestimmte Notendurchschnitte, und wenn diese nicht erreicht werden, kann man auch abgelehnt werden. Ich erinnere mich an einen Fall, als ein Student für sein Austauschjahr an der Waseda abgelehnt wurde, da sein Schnitt zu schlecht war. Als Muttersprachler:in kann man übrigens relativ leicht Tutorenstellen antreten bzw. Teaching Assistant werden. An der Waseda Universität war ich ein Jahr lang im Rahmen von vier Seminaren Teaching Assistant. Da bekommt man auch Geld dafür und abgesehen davon ist so eine Aufgabe natürlich gut für den Lebenslauf. Gleichzeitig lernt man bei dieser Arbeit auch die eigenen Grenzen kennen. Ich war unter anderem Teaching Assistant für ein historisches Seminar zu Deutschland im 20. Jahrhundert, da habe ich auch meine Wissenslücken gesehen, etwa in Bezug auf Formalia der Verträge im Anschluss an den Mauerfall 1989. Eine Gemeinsamkeit in der Forschung ist, dass auch in Asien häufig sehr spezifische Sachverhalte und Nischen beforscht werden: Ein ehemaliger Kollege von mir an der Fudan Universität in Shanghai, wo ich nach dem Master als OeAD-Lektor gearbeitet habe, beschäftigt sich zum Beispiel intensiv mit Gehbewegungen in den Texten von George und Hofmannsthal.

Was war für dich die größte Überraschung im Rahmen deiner Japan-Aufenthalte?

Als ich zum ersten Mal in Japan war, habe ich praktisch gar kein Japanisch gesprochen und war die ersten zwei Wochen extrem unsicher, konnte die Straßenzeichen nicht lesen, fühlte mich verloren und zweifelte bereits an dem gesamten Vorhaben… Inzwischen spreche ich fließend schlechtes Japanisch, Dönerbudenjapanisch, lese aber auch viel japanische Literatur, und das hätte ich mir früher nie erträumt. Wenn ich heute zum 24-jährigen Carlos sagen könnte, dass man das alles erleben und noch so viel lernen kann in dem Alter, dann würde er mir das wohl kaum glauben. In meinem Fall haben die Japanaufenthalte meinen gesamten Werdegang verändert, ich war nach diesen Studienaufenthalten dann noch längere Zeit in Ostasien und werde auch wieder dorthin zurückkehren. Das hat mich auf jeden Fall überrascht, damit hätte ich nicht gerechnet.