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Lehrveranstaltungen barriereärmer gestalten

von Christine Steger und Sebastian Mraczny

 

Einleitung
Die Lebenslagen Studierender sind sehr unterschiedlich, das gilt insbesondere für Studierende mit Behinderungen. Es gibt keine Lösung, die für alle passt, deshalb sind einständiger Austausch und Anpassungen nötig – wie in den meisten Situation im Leben.

Eine barrierereduzierte Lehrveranstaltungs-Architektur kommt allen Studierenden zugute. Im Folgenden haben wir einige Hinweise versammelt, wie Sie als Lehrperson Barrieren reduzieren können. Dabei wird auch das Thema studieren mit Kindern / familiären Verpflichtungen berücksichtigt.

Illustration Sprechblasen HINWEIS: Eine ausführlichere Version dieses Textes finden Sie im Internet unter www.plus.ac.at/wp-content/uploads/2021/12/Barrierefreie-Lehre-Eine-Handreichung-FGDD.pdf

 

Lernen in eigener Geschwindigkeit: virtuelle Lehr- und Lernformen
Studierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen können, wie auch andere Studierende in besonderen Lebenslagen, das vom Studienplan vorgegebene Tempo häufig nicht einhalten. Manche sind gezwungen, das Studium für eine Weile zu unterbrechen.

Sie alle profitieren von Maßnahmen, die ein Studium in eigener Geschwindigkeit unterstützen Dazu gehören beispielsweise virtuelle Lehr- und Lernformen. Chronisch kranke und psychisch beeinträchtigte Studierende, die vielleicht zeitweise am Hochschulleben vor Ort nicht oder nur eingeschränkt teilnehmen können, können damit dem Unterricht besser folgen.

 

Unterstützung des Selbststudiums
Mehr als andere sind Studierende mit Behinderungen darauf angewiesen, dass Literatur, Studienmaterial, Skripten, Mitschriften und ähnliches in für sie nutzbarer Form zur Verfügung stehen. Achten Sie darauf, alte Scans durch für Screenreader lesbarere PDF-Dokumente (z.B. aus der Universitätsbibliothek) zu ersetzen. Häufig sind sauber digitalisierte Kapitel aus Büchern online verfügbar. Ermöglichen Sie Studierenden mit Hörbehinderungen oder auch Legasthenie, Veranstaltungen aufzuzeichnen und/oder Mitschriften von Mitstudierenden zu bekommen.

 

Online-Lehre/Hybrid-Lehre/Lehre on Demand
Planen Sie Ihre Lehrveranstaltungen mit verschiedenen Zielgruppen vor Augen. Wenn Sie Ihre Lehrveranstaltungen aufzeichnen lassen, können zeitlich unabhängig verschiedene Gruppen darauf zugreifen. Denn Studierende mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen, Studierende mit Kinderbetreuungspflichten und erwerbstätige Studierende profitieren von einer zeitlichen und räumlichen Entzerrung von Lehrveranstaltungen. Achten Sie bei Online-Lehrveranstaltungen zusätzlich auf Möglichkeiten zur automatischen Untertitelung in der jeweiligen Software.

 

Bewertung und Gewichtung von Teilleistungen
Wenn Sie in Ihrer Lehrveranstaltung zur Leistungsüberprüfung Teilleistungen geplant haben, variieren Sie diese. Gewichten Sie unterschiedliche Leistungen so, dass am Ende der Lehrveranstaltung eine faire Leistungsüberprüfung für alle Studierende entsteht. Neben einem Referat als einem Teil der Benotung, können die Studierenden z.B. auch einen Mini-Clip oder eine kleine Hausarbeit einreichen oder relevante Zusatzliteratur exzerpieren.

 

Angemessene Vorkehrungen in Präsenzveranstaltungen
Prinzipiell ist es wichtig, die individuellen Bedürfnisse, die mit Behinderungen, Betreuungspflichten und Erwerbsarbeit einhergehen, so gut wie möglich zu berücksichtigen. Dabei sind respektvolle gegenseitige Rücksichtnahme und Kompromissbereitschaft Voraussetzungen, wenn berechtigte Interessen aufeinandertreffen.

Eine frühzeitige Planung und Involvierung der Abteilung FGDD Family, Gender, Diversity & Disability hilft, Probleme zu vermeiden.

Je klarer Sie die Ziele der Lehrveranstaltung formulieren, desto flexibler können Sie arbeiten. Dies erleichtert auch abweichende Prüfungsmodi.

Stellen Sie Lernmaterial zeitgerecht vor den Lehrveranstaltungsterminen in die jeweilige Lernplattform und dokumentieren sie den Unterrichtstoff. Achten Sie bei der Erstellung von Dokumenten auf Barrierefreiheit. Mehr Informationen dazu finden Sie im Text „Barrierefreiheit in digitalen Dokumenten“.

Bei der Raumplanung auf Zugänglichkeit achten. Evtl. ist eine Vorab-Begehung/-Befahrung der Räumlichkeiten mit dem*der Studierenden nötig.

Ermöglichen Sie bei Bedarf Pausen und günstige Sitzplätzefür die, die sie brauchen.

Behinderte Studierende haben oft unverrückbare (medizinische)Termine. Vertrauen Sie auf die Angemessenheit der Anliegen Ihrer Studierenden und berücksichtigen Sie ihre Wünsche.

Bei Sinnesbehinderungen ist auf das „Zwei-Sinne-Prinzip“ zu achten (Hören–Sehen–Tasten: zwei davon müssen verfügbar sein). Verwenden Sie schriftliche Unterlagen zusätzlich zum gesprochenen Vortrag oder fügen Sie Bildbeschreibungen zu Grafiken hinzu, um sie mit Screenreadern „hörbar“ zu machen.

Achten Sie auf Akustik: Nutzen Sie Mikrofone und sorgen Sie für Ruhe.

Ermöglichen Sie Studierenden mit Behinderungen, ihr eigenes Equipment zu nutzen und passen Sie die Sitzplatzverteilung an (z.B. wird eine Steckdose benötigt?).

 

Assistenzen in Lehrveranstaltungen
Einige Studierende sind auf Studien- oder Kommunikationsassistenz angewiesen. In der Regel ist es Sache der Studierenden für die Finanzierung und Organisation ihrer Unterstützung zu sorgen. In einigen Fällen kann eine Assistenz, z.B. durch Mitstudierende, von FGDD finanziert werden. Lehrende können sich hier als Vermittler*innen einbringen. Sorgen Sie für Platz im Raum und eine gute Arbeitsumgebung für die Studierenden und ihre Assistenz. Kosten für Gebärdendolmetschung können unter Umständen ebenfalls von FGDD übernommen werden.

 

Legasthenie – Technische und personelle Unterstützung
Studierende mit Legasthenie (Lese-Rechtschreibstörung) haben Schwierigkeiten mit der Aufnahme und dem Verfassenvon Texten. Diese durch die WHO anerkannte Behinderung steht in keinem Zusammenhang mit den intellektuellen Fähigkeiten einer Person. Zumeist möchten Studierende mit Legasthenie möglichst wenig auffallen. Für Lehrende und Studierende ist das Thema immer noch ein Tabu. Die Studierenden fühlen sich nicht als behindert und fürchten Benachteiligung durch ein Outing. Unterstützung erhalten Studierende mit Legasthenie durch Sprachausgabe und automatische Rechtschreibprüfung von geschriebenen Texten sowie Mitschriften und Audiomitschnitte von gesprochener Sprache.

Weitere Informationen zum Thema barrierearme Lehrveranstaltungen finden Sie hier: www.plus.ac.at/disability-diversity/

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