Sprachbox als mehrdimensionaler Prozess
Am Anfang standen ein durchwegs komplexer Arbeitsauftrag und ein Begriff: Die PLUS benötigte einen neuen „Sprachleitfaden“ der die bestehende Geschlechtervielfalt (1) (2) in den Blick nimmt. Ein Leitfaden, der eine (simple) Auflistung geschlechtervielfältiger Sprachempfehlungen enthält, konnte dem Thema nicht gerecht werden. Neben der Kategorie Geschlecht bestimmen noch viele weitere Faktoren unseren alltäglichen Sprachgebrauch. Aus dieser intersektionalen Perspektive erweiterte sich der Fokus der Sprachbox, sodass neben Geschlechtervielfalt auch die Themenfelder Barrierefreiheit und Mehrsprachigkeit einen zentralen Platz in der Sprachbox einnehmen sollten. Grundlegend für die Erarbeitung der Sprachbox war auch, dass die Inhalte den konkreten Arbeitsalltag an der PLUS sowie damit verbundene (Denk-)Strukturen reflektieren und hinterfragen. Zu nennen sind hier etwa ein respektvoller und diskriminierungskritischer Umgang in der Lehre, IT-Infrastrukturen und Datenerhebungen, die auf einer zweigeschlechtlichen Perspektive basieren, Formulare, die in großer Anzahl vorhanden sind, der Außenauftritt über die PLUS-Website oder auch das Bibliothekssystem. Eine vielfältige Palette an Herausforderungen, deren Bearbeitung sich im Prozessverlauf weiter ausdifferenziert hat und die mit der Präsentation der Sprachbox im Juni 2023 nicht abgeschlossen sein wird.
Partizipativer Prozess
Ein für das Gelingen dieses Projekts wesentlicher Ansatz ist, die Arbeit an der Sprachbox als partizipativen Prozess zu gestalten, in dem Angehörige der PLUS aus der Verwaltung, der Lehre und Forschung sowie Studierende mitarbeiten. Eine Arbeitsgrundlage aus der Praxis für die Praxis, die gut nachvollziehbar ins Thema einführt, aber auch der inhaltlichen Komplexität und Dynamik des Themenfeldes gewachsen ist, sollte entwickelt werden. Diese Überlegungen spielten bei der Zusammensetzung der Arbeitsgruppe eine zentrale Rolle und veranlassten uns, den Schwerpunkt auf die Administration zu legen, um die konkreten Anforderungen im Arbeitsalltag kennen zu lernen und auf dieser Basis Empfehlungen entwickeln zu können, die möglichst nahe an der täglichen Praxis sind.
Der Sprachbox-Kick-Off fand im Februar 2022 noch online statt. Erst gegen Sommer konnten die ersten AG-Treffen in Präsenz abgewickelt werden. Die AG-Mitglieder arbeiteten in einem Zeitraum von über einem Jahr hinweg intensiv an den Inhalten der Box und glichen diese mit den bestehenden Praxen und Dokumenten an der PLUS ab. Dass das Entwickeln einer Arbeitsgrundlage für einen inklusiveren Sprachgebrauch gleichermaßen eine Reflexion über bestehende Mechanismen der Exklusion erfordert, zeigen die Ergebnisse eines ersten Brainstormings. Der Zusammenhang zwischen Sprache und bestehenden gesellschaftlichen Machtstrukturen, die auch im universitären Kontext wirken, wurde ebenso thematisiert, wie die Notwendigkeit des Handelns in konkreten Diskriminierungsfällen an der PLUS. Es gilt Vielfalt als reichhaltige Ressource anzuerkennen, Uneindeutigkeiten zuzulassen, sich offenen Fragen zu stellen, Überschneidungen zu unterschiedlichen Themenfeldern zu erkennen und nicht zuletzt, die durchwegs komplexen Inhalte in eine gut nachvollziehbare und leicht erfassbare Form zu gießen. In Anerkennung dieser Anforderungen entstand die Idee einer wachsenden Toolbox, die online und in gedruckter Version, neben den Empfehlungen für einen inklusiveren und diskriminierungskritischen Sprachgebrauch, eine Kurzanleitung in Plakatform, Literaturhinweise zur Vertiefung, Anlaufstellen an der PLUS, externe Informations- und Beratungsstellen und nicht zuletzt einen kurzen Erklärfilm enthalten soll.
Das Kernelement der Sprachbox, die Empfehlungen für einen inklusiveren Sprachgebrauch, lagen mit Ende des Sommers 2022 in einer Erstversion vor. Sie wurden im September 2022 im Rahmen des Dialogforums sowie im Rektorat vorgestellt. Daran anschließend wurden sie im Rahmen einer Feedbackphase an Dekanate, Fachbereiche, Abteilungen, die ÖH sowie an die Gruppe der FGDD-Beauftragten ausgesendet. Für die zahlreichen, konstruktiven Rückmeldungen und Hinweise möchten wir uns an dieser Stelle sehr herzlich bedanken! Sie haben zur finalen Version einen wichtigen Beitrag geleistet. Nicht zuletzt war es uns ein Anliegen, dass sich Vielfalt und der Gedanke der Inklusion auch im Design widerspiegeln. Keine stereotypen Darstellungen zu reproduzieren, war uns ebenso wichtig, wie eine Schriftgröße und ein Zeilenabstand, die ein einfaches Erfassen der Inhalte ermöglichen. Jedes Themenfeld wird durch eine individuelle Farbgebung und Illustrationen repräsentiert, die zu inhaltlichen Querverbindungen innerhalb der Sprachbox, weiterleiten.
Finale Version
Die finale Version der Sprachbox besteht nun aus fünf Broschüren, die Texte, die Texte und weiterführende Ressourcen zu unterschiedlichen Themengebieten enthält. „Sprache & Diversität zur Einführung“ enthält Texte zur Einbettung der Sprachbox in die Diversity-Strategie der PLUS, dem Prozess zur Entwicklung der Sprachbox sowie zur Entstehung von geschlechtervielfältigen Sprachformen, zu den AG-Mitgliedern, den Fördergeber*innen und nicht zuletzt Danksagungen.
„Sprache & Diversität: Grundlagen und Anwendungen“ enthält das Kernelement der Sprachbox die „Empfehlungen für einen inklusiveren Sprachgebrauch an der PLUS“. Eingearbeitet wurden an dieser Stelle zahlreiche Praxisbeispiele, die einen leicht erfassbaren zugleich aber fundierten Einblick in die Möglichkeiten geschlechtervielfältiger, diskriminierungskritischer Sprache geben. Die Empfehlungen sind in Standard- und Einfacher deutscher Sprache als auch auf Englisch nachzulesen. Begleitend zur Broschüre gibt es ein Plakat, auf dem die wichtigsten Inhalte in kurz gefasster Form, zum schnellen Nachschauen im Arbeitsalltag, visualisiert werden.
„Sprache & Diversität in der Lehrpraxis“ widmet sich dem Bereich der Lehre aus drei unterschiedlichen Perspektiven. Es werden Anregungen für eine barrierereduzierte Lehrveranstaltungs-Architektur gegeben, die die unterschiedlichen Lebenslagen von Studierenden mit Behinderungen (3) oder chronischen Erkrankungen berücksichtigt. Gerade an der Universität ist das Thema Mehrsprachigkeit angesichts internationaler Studierender und Lehrender groß. Der Umgang damit bietet ein großes Potenzial, wenn das Miteinander von Menschen mit vielfältigen sprachlichen und kulturellen Repertoires wertgeschätzt und entsprechend genutzt wird. Nicht zuletzt wird der Frage nachgegangen, wie in Lernräumen respektvoll mit Geschlechtervielfalt umgegangen werden kann, auch wenn sich diese nicht bloß in Form von „Rezepten“ oder Dos & Don’ts beantworten lässt. Denn zusätzlich sollte darüber nachgedacht werden, wie einschränkende, zweigeschlechtliche Muster sich im Umgang miteinander, in didaktischen Methoden und in Lehrinhalten niederschlagen können.
„Sprache & Diversität in der Wissenschaft“ enthält Literatur-Empfehlungen aus verschiedenen Disziplinen, die veranschaulichen, wie Diversität und diskriminierungskritischer Sprachgebrauch in unterschiedlichen Fachgebieten gehandhabt werden. Unter anderem finden sich darin Texte, die beleuchten, wie mit diskriminierender Terminologie in Archivsystemen und Bibliotheken umgegangen werden kann sowie Texte, die die unterschiedlichen Aspekte geschlechtlicher Vielfalt in Biologie, Pädagogik und Didaktik sowie Politik- und Rechtswissenschaften erläutern.
„Sprache & Diversität: Ressourcen“ bündelt weiterführende Informationen zu den Themen Gleichstellung und Diskriminierung, Geschlechtervielfalt und dem Abbau von Barrieren. Der erste Teil enthält eine Auflistung verschiedener Anlauf- und Beratungsstellen. Im zweiten Teil präsentieren wir eine Übersicht über die wichtigsten Rechtsgrundlagen in den Bereichen Gleichstellung, Geschlechtervielfalt und Menschen mit Behinderungen. Die Sammlung soll einen Überblick über die aktuelle Rechtslage in Österreich und auf internationaler Ebene bieten, die die Grundlage für alle Aktivitäten im Bemühen um Gleichbehandlung darstellt.
Analog zur Druckversion werden die Inhalte der Sprachbox auf der FGDD-Website abgebildet, begleitet von einem kurzen Erklärfilm, der in das Thema inklusiverer Sprachgebrauch einführt.
Bereits zu Beginn des Sprachbox-Prozesses waren Workshops angedacht, die genug Raum für Fragen geben und den Bezug zur Arbeitspraxis an der PLUS berücksichtigen. Diese Workshop-Reihe ist bereits im Frühjahr 2023 angelaufen und erfreut sich großer Nachfrage. Es werden bereits Formate zum Erfahrungsaustausch sowie zur Vertiefung der Inhalte angefragt, was uns sehr freut. Dass die Sprachbox weiterwachsen soll, trägt dem Umstand Rechnung, dass die Gesellschaft und so auch die Sprache, einem kontinuierlichen Wandel unterliegen. Dies betrifft die rechtlichen Rahmenbedingungen, neue Begriffe und Formulierungen, zwischenmenschliche Umgangsformen, Maßnahmen der Antidiskriminierung und vieles mehr. Zugleich bedeutet dies, dass wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Abgeschlossenheit erheben, sondern vielmehr davon ausgehen, dass kontinuierlich Erweiterungen veröffentlicht werden.
In diesem Sinne freuen wir uns über Hinweise und Ergänzungen zum bestehenden Pool an Inhalten und wünschen ein gutes Arbeiten mit den Inhalten der Sprachbox.
S. Bruckner
Sprachbox-Projektleitung
FGDD/gendup-Gleichstellung und Diversität
(1) Die Vorstellung, dass nur zwei Geschlechter (Frau und Mann) existieren würden, lässt sich aus der Perspektive der Geschlechterforschung, als dominante und durchwegs folgenreiche Erzählung moderner Gesellschaften bestimmen. Bezugnahmen zu Natur oder Natürlichkeit verstärken zudem den Eindruck, dass es sich hierbei um einen unveränderlichen Zustand handeln würde (vgl Voß 2010: 11), obwohl es ein „Konstrukt des 18 Jahrhunderts“ (Herbst 2015: 25) ist.
(2) Die rechtlichen Grundlagen bilden verfassungsgerichtliche Urteile, aus den Jahren 2018 und 2020, die den Geschlechtseintrag im Zentralen Personenstandsregisterauf 6 Optionen erweiterten. Neben den binären Kategorien „weiblich“ und „männlich“ sind nunmehr auch „inter“,„divers“, „offen“ und „kein Geschlechtseintrag“ möglich. Ein weiteres Urteil, das am Verwaltungsgericht Wien im Jänner 2023 entschieden wurde, ermöglicht zudem den Geschlechtseintrag „nichtbinär“ (siehe Broschüre 05, S 27)
(3) Mit „Behinderungen“ meinen wir die systematische Benachteiligung und Ausgrenzung von Menschen mit Beeinträchtigung(en). Grundlage ist das soziale Modell von Behinderung Diese Sichtweise grenzt sich von der medizinischen Auffassung ab, dass Behinderung ein Defizit einesKörpers sei (vlg DISTA Disability Studies Austria, dista.uniability.org/glossar/soziales-modell-von-behiderung/)