Jenny Maria-Amancay Senior Scientist, Dissertantin
- Beginn des Doktoratstudiums
Das Dissertationsprojekt – erste Idee und Forschungsinteresse
Arbeitstitel: Bildet Banden!
Ein kritischen-analytischen Blick auf die Geschichte der Erziehungswissenschaft erlaubt es, insbesondere Genderaspekten in den Mittelpunkt zu rücken.
Auf einen ersten Blick, erscheint „Gender“ als neues Denkmuster, seit ca. Mitte der 1980 Jahre, Einzug in den Erziehungswissenschaften zu halten. Ursprünglich unter dem Schlagwort „Frauenforschung“, kristallisierten sich die „Genderdebatte“ bzw. konkrete Thematiken und Fragestellungen aus einer geschlechtsbewussten Perspektive nach und nach im erziehungswissenschaftlichen Kontext heraus. Dabei führte die immer präsenter werdende Berücksichtigung der Kategorie „Gender“, vor allem seit den 1980er und 1990er Jahren, zu einem grundlegenden Perspektivenwechsel in den Erziehungswissenschaften und zu einer Veränderung sowohl theoretischer Perspektiven wie auch pädagogischer Arbeitsansätze (vgl. Friebertshäuser, Jakob & Klees Möller, 1997, S. 9 f).
Damit könnte die „Genderthematik“, als eine jüngere bzw. neue Entwicklung im erziehungswissenschaftlichen Feld positioniert werden. Allerdings erlaubt es eine differenzierte Betrachtung, nicht nur das Aufkommen dieser Fragestellungen und Thematiken schon lange Jahrzehnte vorher zu verorten, sondern eine tiefe Verschränkung der klassischen erziehungswissenschaftlichen Diskursfelder mit Genderthematiken und den dazu gehörenden sozialen Bewegungen, nach zu zeichnen.
Beispielsweise kann an Hand des Konzeptes „Bildung“ aufgezeigt werden, dass spätestens seit der Einführung des Schulsystems im 18. Jahrhundert, die Kategorie „Geschlecht“ eine implizite oder explizite zentrale Rolle einnimmt, sei es unter dem Postulat der „Geschlechtertrennung“ oder später der „Koedukation“ (vgl. Bütow, 2012, S. 143).
Seit den 80er Jahren zeigte sich die Entwicklung einer konkret auf die Schule bezogene Geschlechterforschung, die vor allem im Kontext mit autonomen Organisationen und Bewegungen angestoßen wurde. Diese Organisationen suchten diskriminierende Strukturen im schulischen Kontext aufzudecken und zu bearbeiten. (vgl. Kaiser, 20009). Autonome Frauenbewegungen der 1970er Jahre hatten auch erheblichen Einfluss in der Etablierung von, geschlechtsreflexiven Bildungsangeboten in der außerschulischen Jugendhilfe und auch in der Erwachsenenbildung.
Ebenso zeigt die Debatte rund um die Professionalisierung und Qualifizierung von pädagogischen Handlungsfeldern (nursing, teaching, caring, helping etc.) deutliche Verstrickungen mit der Genderthematik. Die konstante Positionierung der pädagogischen Arbeitsfelder als Semi-Profession, die damit einhergehende geringe gesellschaftliche Anerkennung, sowie die ökonomische Konsequenzen, lassen sich auch, unter der Berücksichtigung von Geschlecht als Strukturkategorie, erklären und analysieren (vgl. Ehlert & Funk, 2008).
Auch die Herausbildung bestimmter pädagogischer Handlungsfelder und wissenschaftlicher Disziplinen können nicht ohne ihre Verschränkung mit sozialen Frauenbewegungen beschrieben werden. (vgl. Maurer, 1997 & Großmaß 2008)
Trotz dieser anscheinend wechselseitigen Beziehung zwischen sozialen (Frauen-)Bewegungen und Pädagogik scheint es aber kaum eine spezifische historische Gesamtbetrachtung aus Genderperspektive zu geben.
Selten wird eine Betrachtung des Zusammenspiels zwischen theoretischen und empirischen Entwicklungen im pädagogischen Feld mit sozialen (Frauen-)Bewegungen aufgegriffen. Vielmehr zeigt sich die Kategorie „Gender“ sowohl hinsichtlich der pädagogischen Praxis, wie auch in der pädagogischen Forschung kaum strukturell eingebunden, sondern findet vielmehr eine „Sonderbehandlung“ in spezifischen Institutionen, vereinzelten Projekten oder speziellen, meist interdisziplinären, Fachdiskursen statt.
Auch für das spezifische Feld der Sozialpädagogik zeigt sich diese Verwobenheit mit den Frauenbewegungen noch deutlicher, sowohl in der Praxis wie auch in der Forschung und Wissenschaft. Die Entstehungsgeschichte und Etablierung der Sozialpädagogik ist durch Impulse, Anregungen und theoretischen Grundlagen, die aus Frauenbewegungen heraus entstanden verknüpft und noch weitgehend unerforscht. So ist die historische Entwicklung der (Sozial-)Pädagogik/Sozialer Arbeit, unter besonderer Berücksichtigung ihrer Verstrickung mit Genderaspekten auch in der Aktualität immer wieder Thema von Forschungsprojekten (z.B. Historische Soziale Arbeit und die bürgerliche Frauenbewegung, Prof. Dr. Sabine Toppe, Laufzeit 2018-2019)
Das angestrebte Dissertationsprojekt möchte in diese Richtung weiterdenken, und sowohl die historischen wie auch die aktuellen Verknüpfungen beleuchten. Dabei soll auch der Verbundenheit von sozialen Bewegungen als Lernorte aus einer spezifisch sozialpädagogischen Perspektive nachgegangen werden. Es ist auch angedacht, diese Muster im internationalen Raum zu vergleichen, hier soll der spanischsprachige Raum als Gegenfolie der Überlegungen dienen.