ABSCHLIESSENDE PRÄSENTATION DES PROJEKTES Ende Juni 2018 AN DER UNIVERSITÄT SALZBURG!

FWF Projekt „Montesquieu und das Römische Recht“
Projektleiter: Prof. J. Michael RAINER

Montesquieu
Das Projekt hatte zum Ziel, Montesquieu als die zentrale Mittlerfigur zwischen Antike und Moderne zu untersuchen. In diesem Zusammenhang wurde die große Expertise Montesquieus zur gesamten römischen Geschichte als Grundlage herangezogen und insbesondere seine Auseinandersetzungen mit Aufstieg und Untergang von Republik und Prinzipat. Im Mittelpunkt standen dabei Untersuchungen zur Mischverfassung des Polybios (6. Buch der Historien) und inwiefern die Mischverfassung des Polybios die Gewaltenteilungslehre Montesquieus geprägt hat. Als Mittler zur Moderne gilt Montesquieu insbesondere als eigentlicher geistiger Vater der amerikanischen Verfassung. In diesem Zusammenhang wurden insbesondere diejenigen Autoren herangezogen, die, wie Noah Webster, an der unmittelbaren Wiege der Verfassung standen sowie die von James Madison, Alexander Hamilton und John Jay verfassten Federalist Papers.
Rom und Montesquieu
Hier galt es zum einen auf der Grundlage der Considérations sur la grandeur des Romains et de leur décadence die verschiedenen Aspekte des römischen Staates herauszuarbeiten, die Montesquieu als tragende Elemente des Aufstiegs und Untergangs der Römer angesehen hatte. Es nimmt nicht wunder, dass auf das berühmte elfte Kapitel des sechsten Buches von Montesquieus Esprit des Lois (De la contitution de l’Angleterre) eine ganze lange Zahl von einschlägigen Kapiteln die tragenden Elemente der römischen Verfassung und damit des römischen Staatsrechts wiedergeben. Was hat Montesquieu den Römern entnommen: Grundsätzlich die Tatsache, dass Staatswesen, die sich nicht an bestimmte verfassungsmäßig gegebene Regeln halten, zugrunde gehen müssen. Dabei wurden Aspekte im Denken Montesquieus zumindest wiederentdeckt, wenn nicht erstmalig besonders hervorgehoben, wie etwa seine Abscheu vor in den Abgrund führendem Militarismus und die Bedeutung der Unterordnung des Militärs unter zivilen staatlichen Institutionen und Strukturen.
Die römische Mischverfassung der Republik
In der römischen Republik kamen den Volksversammlungen, dem Senat und den Amtsträgern jeweils bestimmte Funktionen zu. Die Volksversammlungen, insbesondere die Zenturiatskomitien, beschlossen die Gesetze (leges). Die Amtsträger, insbesondere jene cum imperio, Konsuln und Prätoren, nahmen die militärische, wie zivile Administration wahr. Sowohl als militärische Oberbefehlshaber, wie als jene die Polizeigewalt im Inneren ausführende Organe waren die Amtsträger nur durch Gesetze beschränkt. Dem Senat kam die Rolle der Steuerung der Politik und der Finanzen zu. Polybios hat in diesen staatlichen Institutionen das demokratische, aristokratische und monarchische Element erkannt. Im Gegensatz zu den griechischen Staaten, in denen entweder das eine oder andere Element ausschließlich oder doch vornehmlich geherrscht habe, hätten sich die Römer auf ein Gleichgewicht dieser drei Elemente verständigt. Das sei ihre eigentliche Stärke gewesen und sei auch der Grund gewesen, weshalb Rom die Vorherrschaft über Griechenland übernommen habe und letztlich eine in der Geschichte lange Zeit herrschen werde. Die römische Verfassung ist wohl, so Polybios, die einzig geeignete der Anakyclosis, dem zyklischen der Verfassungen zu entgehen. Diese Anazyclose führt zwangsläufig zum Untergang jeder Staatsform auf dem Wege des Übergangs von einer grundsätzlich positiven Staatsordnung Monarchie, Aristokratie, Demokratie, zu deren negativen Zerrbildern Tyrannis, Oligarchie und Ochlokratie. Diesen ewigen Kreislauf politischer Systeme könne nachhaltig nur eine Mischverfassung im Sinne der römischen Republik überwinden. Was Polybios nicht wissen konnte, die Modernen, aber sehr wohl – und somit auch Montesquieu und wir heutigen – ist, dass nur wenige Jahrzehnte nach seinen eigenen Ausführungen zur römischen Verfassung dieselbe in einer geradezu unvorstellbaren Weise gescheitert ist und sich neue, insbesondere monarchische Elemente durchsetzen konnten. Auf die Republik folgt der Prinzipat, auf den Prinzipat der Dominat. Montesquieu zog seine Schlüsse aus dem Debakel der römischen Republik und stellte das Problem der Korruption in den Vordergrund. Jede Art von Korruption müsse zum Ende von Staatswesen führen. Besonderes sei in der römischen Republik die Korruption durch die beständige Militarisierung des Staates angeheizt worden. Und schließlich sei das Verfassungsgleichgewicht infolge der immer uneingeschränkteren Macht militärischer Führer zusammengebrochen. Montesquieu zog aber auch seine Lehren für die Gegenwart und Zukunft. Nicht das Gleichgewicht aus monarchischen, aristokratischen und demokratischen Elementen könne Stabilität und Zeitlosigkeit den Staaten bedeuten, sondern vielmehr die strikte Gewaltenteilung und die damit verbundene Kontrolle. Nicht eine aristokratische, monarchische oder demokratische Staatsform schien Montesquieu per se erstrebenswert zu sein, sondern vielmehr die Trennung in exekutive, legislative und judikative Gewalt. Hatte noch Polybios vom Zusammenspiel und geradezu der Verquickung und Verschachtelung der einzelnen Institutionen gesprochen, so kam für Montesquieu als Garant der Beständigkeit und der Freiheit nur der Aufbau des Staates in die genannten Gewalten und die strikte Trennung der Gewalten von einander in Frage. Nur diese strikte Gewaltenteilung könne eine effektive Kontrolle bedeuten. Die amerikanischen Gründungsväter haben sich anlässlich der Konvention von Philadelphia, Frühherbst 1787 sehr intensiv mit Montesquieus Theorien auseinandergesetzt. Im Übrigen kannten sie, ebenso wie Montesquieu, die römische Geschichte und die republikanische Verfassung in und auswendig.
Montesquieu der Begründer moderner Staatslehre
Das Projekt konnte Montesquieu als bedeutenden Erneuerer, ja geradezu Gründungsvater einer modernen politischen Theorie und Staatswissenschaft beschreiben. Das römische Vorbild blieb zwar als wohl fundierter Untergrund, die Analysen und Folgerungen gehen jedoch weit über die polybianische Mischverfassung hinaus: Checks and Balances, das ist das neue von Montesquieu zur alleinigen Staatsräson erhobene Prinzip. Die Gewaltenteilung beruht nicht auf einer Mischung der verfassungsmäßigen Elemente von Monarchie, Aristokratie und Demokratie, sondern vielmehr auf der gleichen Stärke und Widerstandskraft der drei Gewalten, der Exekutive, der Legislative und der Gerichtsbarkeit. Noch bevor dann die Praxis der englischen Verfassung, hinter der sich in vieler Hinsicht römische Erfahrungen verbergen, vorgestellt wird, schreibt Montesquieu im vierten Kapitel des elften Buches: „Damit die Macht nicht missbraucht werden kann, ist es nötig, durch die Anordnung der Dinge zu bewirken, dass die Macht die Macht bremse“. Nie zuvor ist Montesquieu in einem derartigen Ausmaß als Mittler begriffen worden. Als Mittler, dessen enorme Tiefe des Verständnisses des römischen Staates, seiner Verfassung und seiner politischen Realität es ihm ermöglichte, für die Moderne die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, auf dass es zu keinem Machtmissbrauch kommen könne.
Montesquieu und die Moderne
Das Projekt hat sich auch mit dem Nachleben Montesquieus beschäftigt. In erster Linie sind dies Erkenntnisse zur amerikanischen Verfassung von 1787. Auf dem Tisch der Gründungsväter lag in zentraler Position der Esprit des Lois. So heisst es im 47. Essay der Federalist Papers: „The oracle who is always consulted and cited on this subject ist he celebrated Montesquieu“. Die Gewalten der amerikanischen Verfassung Präsident-Kongress-Supreme Court sind die Transformierung in eine verfassungsmäßige Realität der Theorien zur Gewaltenteilung und der Balance von Montesquieu. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Studien Merlinos zu Tocqueville, welcher bereits die Erkenntnisse des Niedergangs des französischen des Ancien Régimes und des Aufstiegs der amerikanischen Republik entsprechend bewerten konnte und so zu einem einmaligen Befürworter der Grundansichten Montesquieus werden konnte.
Montesquieus Theorien zur Gewaltenteilung
Montesquieus Vorstellungen vom Untergang, der Decandence, und von all jenen staatspolitischen Elementen, die einen derartigen Untergang verhindern können, sind vielfach unterschätzt worden. Je nach Epoche wurden ihm andere vorgezogen: Rousseau, Hegel, Marx und in neuerer und neuester Zeit andere und wieder andere. Montesquieus Erkenntnisse sind aber in vieler Hinsicht in tragischer Weise durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts, in welchem Gewaltenkonzentration, Tyrannis und Militarismus ihre abscheuliche Fratze zeigten, im vollen Ausmaße bestätigt worden. Gerade die Tragödie des 20. Jahrhunderts ist für uns Anlass einer Wiederbesinnung und warum nicht, einer Neubesinnung auf die Größe dieses Vaters der Moderne.
Verbreitung und Publikationen
Prof. Rainer hat in vielen Seminaren und Vorträgen seine Ergebnisse präsentiert. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang insbesondere der Eröffnungsvortrag der SIHDA vom 13. – 17. September 2016. In intensiver Seminartätigkeit an der Universität Salzburg unter Mitwirkung des Rechtsphilosophen Univ.-Prof. Dr. Stephan Kirste, in Vorträgen im Rahmen des Max Kaser Seminars, unter anderem vom bedeutenden Montesquieu-Experten, Univ.-Prof. Dr. Alfred Noll wurden die Ergebnisse vorgetragen und präzisiert. Das Projekt wurde immer wieder auch anlässlich von Tagungen der französischen Gesellschaft für Rechtsgeschichte (Société pour l’histoire du droit) vorgestellt, zuletzt anlässlich eines Vortrages in Tours im Juni 2017. Unter großem Publikumsandrang präsentierte Prof. Rainer die Projektergebnisse am 17. November 2017 am weltberühmten Institut de Droit Romain der Universität Paris II 

erschienene Publikationen im Rahmen des Projektes