Seminar an der PLUS: Philosophieren mit Kindern


Philosophieren mit Kindern

Mit Kindern und Jugendlichen philosophieren und diskutieren ist ein Bildungsansatz, der zur kritischen Urteils- und Reflexionsfähigkeit verhelfen soll. Diese Fähigkeit wird in komplexen und digitalisierten Demokratien immer essentieller, da von jungen Menschen immer früher verlangt wird, eigenständig Entscheidungen treffen zu können. Dazu passend gibt es an der PLUS das Seminar „Philosophieren mit Kindern“.

Bereits seit mehreren Semestern bietet die PLUS das Seminar „Philosophieren mit Kindern“ an, das auch Teil eines gleichnamigen Projekts der  Salzburger Bildungslabore ist. Der Kurs wird von Assoz.-Prof. Bettina Bussmann gemeinsam mit Sandra Prinz geleitet. Wir haben mit der LV-Leiterin Assoz.-Prof. Bettina Bussmann darüber gesprochen, wie das eigentlich geht – mit Kindern zu philosophieren und was Studierende in diesem Kurs erwartet.

Frau Bussmann stellt den Kurs „Philosophieren mit Kindern“ kurz vor

Was können sich die Studierenden erwarten, wenn sie den Kurs „Philosophieren mit Kindern“ besuchen?

Zunächst wird es für die Studierenden etwas ganz Neues sein. Philosophieren mit Kindern wird im deutschsprachigen Raum nicht an jeder Universität angeboten. Viele wissen gar nicht, dass man mit Kindern philosophieren kann und dass dies in vielen Ländern zunehmend an Schulen angeboten wird. Zweitens wird das, was die Studierenden im Kurs lernen auch in der Praxis ausprobiert. Das, was sie selber entwickelt haben, wird mit Kindern durchgeführt. Diese Erfahrungen reflektieren wir gemeinsam, das Konzept wird angepasst und eventuell noch einmal ausprobiert. Philosophieren zu können, ist ohnehin nicht einfach und in der Vorstellung der meistens noch herausfordernder, wenn man es mit Kindern tun soll. Kinder haben noch kein Wissen, auf das man aufbauen kann, außerdem sind sie sehr spontan. Genau das ist es, was den Studierenden ermöglicht, sich hundertprozentig auf das Denken der Kinder einzulassen und damit auf den Denkprozess an sich. Das geht mit Kindern viel besser, als mit Erwachsenen und man verliert die Angst vorm Philosophieren. Philosophieren ist ja etwas, was zunächst nicht so einfach zu erlernen ist.

Ab welchem Alter kann man eigentlich mit Kindern philosophieren?

Philosophieren mit Kindern ist in Deutschland und auch in vielen anderen Ländern schon ein Unterrichtsfach, zum Teil bereits in der Volksschule, sehr häufig in der Sekundarstufe 1. Prinzipiell kann man auch schon mit Kindergartenkindern philosophieren – hier würde ich es allerdings nicht Philosophieren nennen, sondern das Arbeiten mit Nachdenkfragen. Das Heranführen ans Philosophieren mit jüngeren Schüler:innen ist auch deshalb für Studierende eine besondere Herausforderung, weil man es dort gleichzeitig oft mit Disziplinfragen zu tun hat, Kinder sind sehr lebendig! Man kann also prüfen, inwieweit man in der Lage ist, eine Gruppe zu führen.

Wie schaut das Philosophieren mit Kindern aus? Was lernen die Kinder dort?

Es geht zunächst darum, dass man in der Lebenswelt der Kinder ansetzt. Wir lesen also nicht gemeinsam Aristoteles, sondern wir versuchen in unserem persönlichen Leben und in unserer Gesellschaft philosophische Fragen zu finden und zu bearbeiten. Zum Beispiel ethische Fragen nach dem gutem Handeln; metaphysische Fragen nach dem Sinn des Lebens oder erkenntnistheoretische Fragen, nach dem Wesen von Sprache. Das klingt schwieriger als es ist, aber Kinder stellen sich solche Fragen! Diese Fragen werden von Erwachsenen allerdings nur selten erkannt und nicht immer aufgenommen. Im Seminar erhalten die Studierenden das theoretische Fundament und die Methoden an die Hand, um diese Fragen aufzugreifen und so die Kinder an das Philosophieren heranzuführen.

Warum ist es für die Schule und Gesellschaft wichtig, dass Kinder Philosophieren lernen?

Wenn wir sehen, welche fundamentalen Probleme wir heute in der Gesellschaft haben – globale Herausforderungen, aber auch persönliche Orientierungsprobleme – erkennen wir, dass wir diese Probleme nicht mit mehr Technik oder mehr Wissen lösen können. Was Heranwachsende benötigen, sind  Reflexionskompetenzen, also die Fähigkeit, die Grundlagen von Handlungen, Werten, Erkenntnissen zu be- und hinterfragen. Auch der Dialog ist wichtig: sich mit anderen Menschen auszutauschen und das in einer toleranten und wertschätzenden Weise. Ebenso wichtig ist es, dass man sich in die Perspektiven anderer Menschen hineinversetzen kann. So etwas lernt man im Philosophie- und Ethikunterricht. Es geht auch darum, kritisches Denken zu schulen. Kritisches Denken heißt aber nicht, bestimmte Dinge z.B. einfach abzulehnen, sondern Gründe angeben zu können, warum man etwas ablehnt. Diese Gründe sind dann zum einen eine Selbstvergewisserung: Warum lehne ich das ab? Und zum anderen ein Dialogangebot: Ich gebe dir hier einen Grund, warum ich etwas ablehne, was hältst du von diesem Grund, überzeugt er dich? So kommt man in einen Diskurs und schaut, sind das gute Gründe, die ich habe, warum ich Dinge ablehne oder warum ich Dinge gut finde? Es geht darum, diese Praxis des philosophischen Diskurses, des wertschätzenden Diskurses zu üben.

Richtet sich der Kurs nur an Philosophiestudierende oder können auch andere mitmachen?

Ich denke, der Kurs ist aus zwei Gründen für alle Studierende interessant: Zum einen ist Philosophieren ein Unterrichtsprinzip. Wir philosophieren in anderen Fächern ja auch, wir bemerken nur nicht immer, dass wir es in dem Moment tun, und wir tun es nie systematisch und methodengeleitet. Nehmen wir z.B. Biologie: Dort gibt es tierethische Fragen, ökologische Fragen oder Umweltfragen. In der Oberstufe vielleicht sogar das Thema Tierversuche. Viele Fragen, die man in den einzelnen Fächern dann bespricht, berühren philosophische Aspekte. Und die werden dann immer nur so ein bisschen angerissen. Lehrkräfte fühlen sich vielleicht dabei überlastet. Andere würden gerne mit den Schüler:innen philosophieren und denken vielleicht: Das ist ja nicht mein Fach. Und dann machen sie es nicht. In diesem Seminar kann man lernen, wie man die Chance,  über Fragen im eigenen Fach zu philosophieren, aufnehmen kann.

Zum anderen – und das ist meine persönliche Vision von Bildung – bin ich davon überzeugt, dass wir nicht mehr in Fächern denken sollten. Die heutigen Probleme unserer Gesellschaft sind inter- und transdisziplinärer Natur und wir arbeiten in Teams an deren Lösungen. Auch die Schule wird darauf Rücksicht nehmen müssen. Und wenn wir trans-, inter- oder multidisziplinär arbeiten, benötigen wir philosophische Kompetenzen. Und von daher ist das Philosophieren für alle, die in der Schule sind, von Interesse. Wir lernen hier, philosophische Diskussionen zu leiten und zu führen. Das ist das Schwierigste und das bleibt es auch bis zur Universität. Je früher man damit anfängt – z.B. mit Kindern, die lebendig philosophieren – umso besser!

Fallen ihnen Momente aus den letzten Semestern ein, die ihnen in Erinnerung geblieben sind?

Da muss ich nachdenken. Ich habe jetzt keine Anekdote, aber der Kurs läuft jetzt zum vierten Mal und ich glaube, es wird nie so viel gelacht, wie in diesem Kurs, wir haben richtig Spaß. Es ist ein Blockseminar und selbst nach den vier Stunden ist keiner müde, wir müssen immer abbrechen. Die Leute waren immer super motiviert und wir lachen sehr viel. Das gefällt mit besonders.

Wir haben auch zwei Studierende, Lisa und Simon, nach ihren Erfahrungen gefragt.

 

 

 

 

 

 

Was hat euch dazu bewogen, den Kurs zu besuchen?

Lisa: Die Lehrveranstaltung „Philosophieren mit Kindern“ war für mich eine weitere Möglichkeit, praktische Erfahrung zu sammeln. Wir hatten die Freiheit, ein Thema selbst zu wählen und dieses nicht nur theoretisch aufzubereiten, sondern auch in Kleingruppen an einer Schule auszuprobieren.

Simon: Ich habe den Kurs besucht, weil es eines der wenigen Seminar ist, in welchem man sich nicht nur im theoretischen Bereich aufhält, sondern die Überlegungen und Ideen auch in der Praxis testen kann. Viele Lehrveranstaltungen enden nämlich mit dem Verfassen einer Stundenplanung, die sich zwar auf dem Papier gut anhört, aber ob sie im tatsächlichen Unterricht auch Früchte tragen würde, bleibt meistens unerforscht. Die Lehrveranstaltung „Philosophieren mit Kindern“ stellt diesbezüglich eine Ausnahme dar, weil wir unsere Unterrichtsideen während einer realen Unterrichtseinheit mit Volksschulkindern auf die Probe stellen durften.

Inwiefern profitiert ihr davon für die eigene Unterrichtstätigkeit?

Lisa: Ein großer Pluspunkt war für mich die Praxisbezogenheit. Jedoch haben wir auch in der Vorbereitungsphase verschiedene Methoden, um philosophische Probleme aufzubereiten, kennengelernt, welche meiner Meinung nach nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Jugendlichen und Erwachsenen hervorragend funktionieren. Zudem ist es eine weitere Möglichkeit, um in einem geschützten Rahmen Unterrichtsideen auszuprobieren und diese für die spätere Lehrtätigkeit in der nachfolgenden Reflexion zu optimieren.

Simon: Wie bereits erwähnt, hat der hohe Praxisbezug dieser Lehrveranstaltung einen positiven Einfluss auf die eigene Unterrichtstätigkeit, da man diese meines Erachtens nur mithilfe praktischer Erfahrungen weiterentwickeln kann. Diesbezüglich möchte ich nochmals den Umstand hervorheben, dass man seinen Unterrichtsentwurf nicht mithilfe der Mitstudierenden, sondern tatsächlicher Schüler:innen erproben darf. Meiner Meinung nach kann man nämlich die Dynamik im Hörsaal nicht mit der einer realen Klasse vergleichen. Philosophieren mit Kindern ist also wie ein kleines, zusätzliches Unterrichtspraktikum, in welchem man wertvolle praktische Erfahrungen sammeln kann.

Was ist euch besonders in Erinnerung geblieben?

Lisa: Ich durfte erfahren, dass absolut jeder philosophieren kann und dies nicht nur für die „großen Köpfe“ vorbehalten ist. Außerdem habe ich Methoden kennengelernt, die mir seither bei jedem anderen Kurs an der Universität immer wieder als mögliche Unterrichtsidee in den Sinn kommen. Zudem durfte ich als Studentin von unseren Professorinnen sowie auch von den Student:innen sehr viel Wertschätzung erfahren.

Simon: Mir persönlich ist am stärksten in Erinnerung geblieben, dass viele „Ängste“, die manche Lehramtsstudenten:innen haben, da wir auf verhältnismäßig wenig praktische Erfahrung zurückgreifen können, in der Regel unbegründet sind. So sorgten sich Kursteilnehmer:innen, ob man beispielsweise genügend Unterrichtsmaterialien vorbereitet hat, ob die Schüler:innen mitarbeiten, ob der Unterricht fachlich unter- oder überfordernd ist und ob die Lernenden in der Lage sind, eine philosophische Fragstellung zu diskutieren. Mit diesen Problemen wird man in der Theorie nicht konfrontiert, da man bspw. In einer Stundenplanung einfach festhalten kann: „Nun folgt eine 20-minütige Diskussion über die eben besprochenen erkenntnistheoretischen Probleme.“, aber ob die Debatte tatsächlich „gelingt“, erfährt man nur in der Praxis. Diese Lehrveranstaltung hat mir also gewisse „Ängste“ und somit auch Nervosität genommen, weshalb ich zukünftig mit weniger Anspannung und „mehr Freude“ unterrichten konnte.

Wenn ihr mehr über das Seminar erfahren wollt könnt ihr euch gerne weiter auf PLUSonline informieren.  Hier geht es zur Kursbeschreibung auf PLUSonline

Philosophieren mit Kindern ist Teil der Salzburger Bildungslabore, ein Kooperationsprojekt der PLUS und der PH Salzburg. Weitere Informationen zu den Salzburger Bildungslaboren findet ihr unter www.salzburger-bildungslabore.at.

Photo Credits:
Titelbild: Mosaik.Schule
Studierende: Privat