Im Ausland bleiben oder zurück nach Österreich? Wie Erasmus-Studierende die Corona-Zeit erleben.


Im Ausland bleiben oder zurück nach Österreich? Diese Frage mussten sich Erasmus-Studierende der Uni Salzburg, die für dieses Semester einen Auslandsaufenthalt  angetreten haben, stellen. Manche machten sich auf den Heimweg nach Österreich. Andere wiederum haben sich für`s Bleiben entschieden. Wie geht es den Studierenden nun im Ausland? Wie hat sich die Reise für diejenigen gestaltet, die nach Österreich zurückgekehrt sind? Und wie geht es ihnen mit dem etwas ungewöhnlichen Auslandssemester, denn klar ist: Ein Erasmus-Programm stellt man sich anders vor…

Keine Züge und keine Flüge mehr: Für Anna war der Weg zu Fuß die einzige Möglichkeit um von der Schweiz nach Hause zu kommen. Nadine und Theresa sind in Frankreich geblieben und warten nun vor Ort die Lage ab. Eva hofft, dass sie ihr Auslandssemester in Spanien im „Normalzustand“ beenden kann. Und Lisa kann dank engagierten Professorinnen und Professoren ihr gestartetes Erasmus-Semester in Tschechien von Österreich aus abschließen. Seid gespannt, was Erasmus-Studierende über die letzten Wochen zu berichten haben.

Nadine und Theresa*, Universität Caen / Frankreich

Nadine und Theresa absolvieren ihr Erasmus-Semester an der Universität Caen in Frankreich. Sie sind gemeinsam dortgeblieben. Vor einigen Tagen hat uns ihr Lagebericht aus der Normandie erreicht:

„…und dann ging alles plötzlich ganz schnell. Von einem Tag auf den anderen mussten wir uns von unseren Freundinnen und Freunden trennen, teils mit Verabschiedung, teils ohne. Am 16. März wurde schließlich von Macron eine Ausgangsbeschränkung verhängt, durch die wir nun nur mehr für das Notwendigste und ausgestattet mit einer Bescheinigung das Haus verlassen dürfen. Wir haben uns für’s Bleiben entschieden. Einerseits aufgrund der Ungewissheit hinsichtlich Prüfungen, Einschränkungen sowie Entwicklungen, andererseits um unsere Liebsten vor potenziell eingeschleppten Viren zu bewahren.

Unsere Zeit verbringen wir nun mit Online-Kursen der Uni, Sport, Kochen, Musik, Lesen, Tanzen, Videoanrufen usw. Und das sowohl im Heim als auch im Vorgarten, gemeinsam mit den verbleibenden Studierenden. Trotz vieler Veränderungen genießen wird unsere Zeit in Frankreich, rücken näher zusammen und bleiben optimistisch – #RestonsChezSoi“

Lisa*, Masaryk-Universität Brünn / Tschechien

Anders als Nadine und Theresa hat sich Lisa entschieden, nach Hause zu reisen. Und das ziemlich überstürzt. Doch lest selbst, was sie zu erzählen hat:

„Mein Erasmusaufenthalt war ab September 2019 für insgesamt zwei Semester an der philosophischen Fakultät der MUNI-Universität in Brünn geplant. Alle Unis in Brünn wurden am Nachmittag des 10. März überraschend geschlossen. Erasmus-Studierende wurden daraufhin, und insbesondere in den ersten Tagen, täglich per Email von der sehr engagierten Koordinatorin Frau Zemkova bestens informiert.

„Alle sind unglaublich bemüht“

Ich bin dann am 12. März ziemlich überstürzt nach Österreich gereist, nachdem bekannt wurde, dass die Sperrung der Grenze ansteht. Bis heute bin ich in engem Kontakt mit Frau Zemkova und mit meiner Fakultät. Dank der unglaublich engagierten Lehrenden, werden nun Online-Kurse per Skype und Microsoft angeboten. Außerdem wird per E-Mail Lernmaterial zur eigenen Aneignung übermittelt und es werden Korrekturen für die abzugebenden Essays angeboten. Es ist mir noch nicht klar, wie die Abschlussprüfungen vor sich gehen werden. Ich gehe aber davon aus, dass auch dafür eine machbare Strategie entwickelt wird.

Bis heute (27. März) erhalten wir regelmäßig organisatorische E-Mails von ihr. Alle sind unglaublich bemüht. Sie wollen Erasmus-Studierende bestmöglich informieren und unterstützen. Ich habe den Aufenthalt nicht ab-, sondern unterbrochen und hoffe, dass ich das Semester auf diese Art und Weise erfolgreich abschließen kann.“

Eva*, Universität Málaga / Spanien

Für das Auslandssemester ging es für Eva nach Málaga im sonnigen Andalusien. Sie hat sich für das Bleiben entschieden und erzählt uns diese Geschichte:

„Wir wussten alle, dass das Coronavirus existiert aber beunruhigt hat uns das anfangs nicht. In der zweiten Märzwoche begann dann doch langsam etwas Panik. Die Situation in Italien verschlimmerte sich täglich und auch an unserer Uni in Málaga wurden die ersten Fälle gemeldet. Innerhalb weniger Tage gab es keine Desinfektionsmittel mehr und manche Regale in den Supermärkten waren komplett leer. Wir wunderten uns, wie lange es noch dauert bis die Uni dicht macht. Am 12. März, kurz vor Mitternacht, kam dann eine Flut an Mails.

Bis Ende März sind sämtliche Präsenzaktivitäten eingestellt. Die Regierung gab wenige Tage später bekannt, dass man nur noch zum Einkaufen, für den Arzt oder für die Arbeit raus darf. Spazieren gehen dürfen wir nicht mehr. Die Polizei überprüft das und fährt durch die Stadt. Ich habe beschlossen nicht heimzufliegen, da ich so wenig wie möglich fliegen wollte, ich hier noch meinen Mietvertrag bis Juli habe und ich nach Hause zu meinen Eltern hätte müssen. Und wer von uns will – nachdem man alleine gewohnt hat – Wochen mit seinen Eltern eingeschlossen sein? Kleiner Scherz, natürlich habe ich sie lieb. 🙂

„Man muss sich das mal vorstellen…“

Meine MitbewohnerInnen und ich zogen am Wochenende vor der Sperre noch einmal los, kauften einige Sachen (wie z.B. Wein) und machten abends eine kleine Party zu dritt. Dann habe ich für komplette sieben Tage das Haus nicht mehr verlassen. Die Ausgangssperre wurde vor einigen Tagen bis zum 12. April verlängert. Insgesamt also für vier Wochen.

Momentan sind wir nur noch zu zweit. Eine Mitbewohnerin ist nach Italien zurückgekehrt, ein Mitbewohner ist zurück nach Deutschland. Es ist schwer zu sagen, aber ich schätze, etwa die Hälfte der Erasmus-Studierenden ist in ihr Heimatland zurückgereist. Ich merke den sozialen Entzug sehr stark. Man muss sich das mal vorstellen: Weg von mehrmals die Woche ausgehen, am Strand liegen, in die Uni fahren und zusammen Essen gehen hin zu ein bis maximal zwei Personen innerhalb zwei Wochen sehen. Das ist ein extremer Unterschied. Die Straßen sind deutlich leerer als zuvor, aber dennoch sieht man noch viele Menschen. Die meisten tragen Masken und Handschuhe, doch das lockere spanische Lebensgefühl sickert noch immer, wenn auch getrübt, ein bisschen durch.

Letztendlich bleibt bei uns Erasmus-Studierenden Unsicherheit, Enttäuschung und Wut. Es sollte doch das beste halbe Jahr unseres Lebens werden. Mir bleiben aber auch schöne Erinnerungen, die wir zusammen in der WG erleben. Wir spielen jeden Abend Spiele, schauen Filme oder machen Mini-Partys. Zu mir sagte letztens jemand: ‚Ich denke, dass die Wochen in Quarantäne letztendlich diejenigen sind, die im Nachhinein die lustigsten und besten waren.‘ Zusammen ‚eingesperrt‘ zu sein, schweißt ja doch irgendwie zusammen und man wird wahnsinnig kreativ. Momentan versuche ich das Beste aus der Situation zu machen und hoffe, dass mir am Ende wenigstens noch ein paar Monate des typischen Erasmus-Lebens bleiben.“

Anna*, Universität Neuenburg / Schweiz

Anna war in der französischsprachigen Schweiz auf Auslandssemester. Weil weder Züge noch Flüge von der Schweiz nach Österreich durften, musste sie ihren Heimweg zu Fuß antreten. Wie sie die 13-stündige Reise über die Grenze erlebte, lest ihr nun:

„Zu Beginn berichteten die italienischen Erasmus-Studierenden über das Coronavirus in Italien. Viele wurden daraufhin sehr hektisch, die meisten aber lebten ihr Leben weiter wie zuvor. Einige Tage später brach dann das Chaos aus. Die Unis wurden über Nacht geschlossen, sowie alle Geschäfte, bis auf die Lebensmittelmärkte. Ähnlich also wie in Österreich. Die italienischen Studierenden wurden über den letzten Zug nach Italien informiert. Dieser fuhr am darauffolgenden Tag um 5:00 Uhr morgens ab. Eine große, hektische Aufbruchsstimmung machte sich unter allen Studierenden breit. Wir wollten alle einfach nur nachhause zu unseren Familien.

Zu Fuß über die Grenze nach Österreich

Für mich gestaltete es sich allerdings schwierig. Bereits seit einigen Tagen gab es weder einen Zug noch ein Flugzeug nach Österreich. Ich dachte, dass ich die einzige bin, die in der Schweiz bleiben muss. In einem kleinen Zimmer im Studierendenwohnheim, wo nicht wirklich auf die (Hygiene-) Maßnahmen gegen das Virus eingegangen wurde.

Also rief ich bei der Botschaft an, die mir erklärte, dass mein Weg zurück nach Österreich zu Fuß sei. Um nicht alleine in der Schweiz bleiben zu müssen, setzte ich mich also zwei Tage später in einen Zug nach St. Margrethen, eine kleine Stadt nahe der österreichischen Grenze. Von dort aus marschierte ich mit meinem ganzen Gepäck ca. 15 Minuten zur Grenze. Dort angekommen, wurde ich von der Polizei kontrolliert. Ich war nicht die einzige Österreicherin, die zurück wollte. Ich musste mich also anstellen, um über die Grenze gehen zu dürfen. Natürlich mit zwei Meter Abstand. 😉

Über die Grenze geschafft, wanderte ich ungefähr eine Stunde zum nächsten Bahnhof in Lustenau. Wohlgemerkt mit meinem ganzen Gepäck. Von Lustenau nahm ich dann eine S-Bahn nach Bregenz, in der ich komplett alleine saß. In Bregenz verfrachtete ich mich selbst und mein Gepäck in einen Railjet. Auch dieser Zug war menschenleer. Nach meiner Reise von 13 Stunden kam ich endlich zu Hause an und begab mich in eine zweiwöchige Quarantäne.“

 

* Wir wollen die Privatsphäre der Studierenden schützen, weshalb alle Namen von der Redaktion geändert wurden.

alles in allem…

Bis die Welt wieder zur Normalität zurückkehrt wird es noch eine Weile dauern, trotzdem könnt ihr für die Zukunft ein Erasmus-Semester planen. Ihr braucht Inspiration? Am Blog findet ihr zum Beispiel einen mehrteiligen Erfahrungsbericht zum Auslandsaufenthalt in Istanbul und einen Bericht zum Auslandssemester in Lund. Vielleicht hast du bereits – oder bis dahin – deinen Bachelor-Abschluss in der Tasche und überlegst im Zuge deines Master-Studiums ein Auslandssemester zu absolvieren. Dann könnte der Erasmus Mundus Joint Master das Richtige für dich sein! Lies dir dazu den Erfahrungsbericht von Student Nelson durch.

Alles Gute und bleibt gesund.

Eure Marlene

 

 

 

 

Photo-Credits:
Brünno, Tschechien:  Leonhard Niederwimmer auf  pixabay
Málaga, Spanien:  Christian Moller auf  Unsplash
Caen, Frankreich:  janeb13 auf  pixabay
Titelbild:  Fabian Steinmetz auf  pixabay