CSI war gestern – der Interfakultäre Fachbereich Gerichtsmedizin und Forensische Neuropsychiatrie


Gerichtsmedizin Vitrine Skelettschädel

Was haben die Serien CSI, Dexter und Bones gemeinsam? Klar, visuelle Effekte und überspitzte Dramaturgie frei nach Hollywood. Abgesehen davon thematisieren derartige Serienformate die Aufklärung unnatürlicher Todesfälle durch Methoden der forensischen Gerichtsmedizin. Ein Themengebiet, welches an der Universität Salzburg durch den Interfakultären Fachbereich Gerichtsmedizin und Forensische Neuropsychiatrie behandelt wird. Hervorragende Expertise, internationale Forschungsprojekte und ergänzende Studienangebote bilden dabei die Grundpfeiler des Fachbereichs.

Ob ein Knochenbruch, ein Bluterguss oder aber ein Millimeter dünnes Haar – es gibt viele Möglichkeiten die Hintergründe einer Straftat, eines Unfalls oder eines Suizids zu ermitteln. Wichtig sind vor allem die Todesursache sowie der Todeszeitpunkt. Um dies zu bestimmen, braucht es Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Gerichtsmedizin.

Der Interfakultäre Fachbereich Gerichtsmedizin und Forensische Neuropsychiatrie

Um die einzelnen Aufgabengebiete, Forschungsbereiche und Studienangebote des Fachbereichs bestmöglich darstellen zu können, haben wir uns mit dem Fachbereichsleiter Univ.Prof. Dr.med. Fabio C. Monticelli für ein Interview getroffen.

Gerichtsmedizin Interview Fachbereichsleiter Univ.Prof. Dr.med. Fabio C. Monticelli

Abteilungen des Interfakultären Fachbereichs Gerichtsmedizin und Forensische Neuropsychiatrie

Der Interfakultäre Fachbereich Gerichtsmedizin und Forensische Neuropsychiatrie (IFFB) gliedert sich in drei core facilities, wie Herr Monticelli gleich zu Beginn des Gesprächs anmerkt. Mit jedem Bereich gehen unterschiedliche Themenschwerpunkte, Forschungsrichtungen und Handlungsfelder einher.

Gerichtsmedizin:

  • Thanatologie (= psychologisch und soziologisch angesetzte Wissenschaft rund um die Themen Sterben, Tod und Bestattung1)
  • Morphologie (= Lehre von biologischen Formen und Strukturen von Organismen2)
  • forensische Traumatologie (= Erforschung von Gewalteinwirkungen, Biomechanik und Tathergängen3)
  • Blutspurenmusterverteilungsanalyse
  • medizinische Begutachtungskunde
  • Fotografie & neue Medien

Forensische Molekularbiologie:

  • Abstammungsbegutachtung
  • Untersuchung biologischer Spuren
  • DNA-Datenbank
  • Y-chromosomale Marker (= geschlechtsspezifisches DNA-Material4)
  • Identifizierung unbekannter Toter
  • Cold Cases (= Verfahren und Fälle von Schwerkriminalität ohne Ergebnis5)
  • Molekulare Archäologie (= untersucht Erbmaterial, Speisereste, Giftrückstände, etc.6)

Forensische Toxikologie:

  • Forensische Toxikologie bei Obduktionen
  • Alkohol- und Drogendiagnostik im Straßenverkehr
  • Analyse von Substanzen vom Tatort (= Reinheitsanalysen)
  • Nachweis von Drogen und Alkoholmetaboliten im Harn

Lehrauftrag an der Universität Salzburg

An der Universität Salzburg existiert keine medizinische Fakultät. Dank dem Lehrangebot des IFFBs erhalten Studierende jedoch die Möglichkeit, fachspezifische Einzeldisziplinen aus den Themengebieten der forensischen Gerichtsmedizin kennenzulernen. Dies geschieht in diesem Fall in Form von Wahlfächern.

Gerichtsmedizin Hörsaal

Angebotene Lehrveranstaltungen werden von wissenschaftlichen Lehrbeauftragten betreut und bieten nicht nur für Jurist*innen (Stichwort Strafrecht) einen studienrelevanten Zugang, sondern auch für andere Disziplinen (Biologie, Molekulare Biowissenschaften, Psychologie u.v.m.). Studierende sollen somit auch außerhalb ihres Fachbereichs Erfahrungen sammeln und über den Tellerrand hinausblicken. Zudem soll der Mehrwert einzelner Fachgebiete und der damit verbundene, gesellschaftspolitische Auftrag erkenntlich werden: die Aufklärung von Straftaten und die Verbesserung der Rechtssicherheit.

Mitarbeiter*innen und Lehrkräfte des Fachbereichs agieren darüber hinaus in Ringvorlesungen, Teildisziplinen des Uni 55-PLUS Programms und im Rahmen von Forschungsprojekten an der Natur- und Lebenswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg.

Lehre außerhalb der Universität Salzburg

Fachkenntnisse einzelner Lehrpersonen des Fachbereichs werden nicht ausschließlich nur für universitätsinterne Lehrangebote genutzt, sondern dienen auch der Fortbildung von Einsatzkräften der Exekutive oder Staatsanwaltschaft. Was die Lehre der Gerichtsmedizin im Detail betrifft, so ist diese fester Bestandteil der Ausbildung an der  Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU).

Gerichtsmedizin Instrumente

Ergänzend dazu übernehmen die Fachkräfte der Gerichtsmedizin des IFFBs auch die Lehre angehender Jurist*innen und Mediziner*innen an der  Johannes Kepler Universität Linz (JKU). In Ober- und Niederösterreich sind Mitarbeiter*innen des Fachbereichs der Universität Salzburg ebenfalls aktiv, indem sie vor Ort gerichtsmedizinische Untersuchungen koordinieren.

Diese umfassende Form der Vernetzung dient in weiterem Sinne der Erarbeitung neuer Lehrmethoden. Darüber hinaus ermöglicht die Zusammenarbeit mit anderen Ausbildungsstätten und Fachinstituten die Erweiterung bestehender Fachexpertise.

Forschung und Internationalität

Ein essentieller Part des Fachbereichs ist die Forschung. So untersuchen beispielsweise das Forschungsteam rund um Stefan Pittner den biologischen Zerfallprozess anhand der Verwesung toter Körper. Bisher gewonnene Erkenntnisse in diesem Bereich dienen einer genaueren Bestimmung von Todeszeitpunkten. Dies geschieht auf Grundlage der Degradation von Proteinen im Skelettmuskel, wie es Herr Monticelli beschreibt. Mittlerweile existiert bereits ein ganzer Katalog an gesammelten Degradationsmustern, die mithilfe der Untersuchung von Tiermodellen und auch menschlichen Gewebsproben zustande kamen.

Gerichtsmedizin Untersuchungsproben

Ein weiteres Projekt soll auf dem Gebiet der Molekularbiologie aufzeigen, bis zu welchem postmortalem Fäulnisgrad es noch möglich ist, anhand des Gewebes und der Organe einen genetischen Fingerabdruck zu bestimmen.

Für seine Forschungsprojekte unterhält der Fachbereich eine Vielzahl an Kooperationen mit intrauniversitären Abteilungen (z.B. FB Altertumswissenschaften, FB Biowissenschaften, FB Mathematik), aber auch internationalen Partnern in Europa. Dazu zählt unter anderem die Rechtsmedizin der  Ludwigs-Maximilian-Universität München (LMU). Das gemeinsame Projekt befasst sich im Bereich der Biomechanik mit der Untersuchung von Krafteinwirkung bei stumpfer Gewalt.

Wichtige Kooperationspartner sind außerdem die  Goethe-Universität Frankfurt, die  Università degli Studi del Molise und das  Kantonsspital St. Gallen. Internationale Kooperationspartner sind unter anderem die  Chungnam National University und die  Michigan State University. Mit letztgenanntem Partner erforscht das Team der Universität Salzburg das Mikrobiom. Dabei handelt es sich um ein Konglomerat an Bakterien, das sich in jedem Organismus findet und welches sich auch noch postmortal nach einem bestimmten Schema ändern kann.

Gerichtsmedizin Mikroskop

Anmerkung: Um euch selbst ein Bild zu machen, schaut euch am besten das Kursangebot des Wintersemesters 2019/20 in PLUSonline an. Dieses findet ihr unter Interfaktuläre Fachbereiche > IFFB Gerichtsmedizin und Forensische Neuropsychiatrie.

Euer commUNIty-Redaktionsteam

 

Quellen:
1Duden (2019): Thanatologie. Online unter  https://www.duden.de/rechtschreibung/Thanatologie (30.07.2019).
2Osche, Günther (2019): Morphologie. Online unter  https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/morphologie/44060 (30.07.2019).
3Buchta M., Höper D.W., Sönnichsen A. (2004): Forensische Traumatologie. In: Buchta M., Höper D.W., Sönnichsen A. (Hg.): Das Zweite StEx. Basiswissen Klinische Medizin für Examen und Praxis. 2., Aufl. Berlin (u. a.): Springer, S. 1262.
4Roewer, Lutz (u. a.) (2014): Forensische Molekularbiologie. Das Y-Chromosom als forensischer und genealogischer Marker. Online unter  https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs12268-014-0497-z.pdf (30.07.2019).
5Merriam Webster (2019): Cold Case. Online unter  https://www.merriam-webster.com/dictionary/cold%20case (30.07.2019).
6Stamadiadis-Smidt H., Hausen H.Z. (1998): Molekulare Archäologie. In: Stamadiadis-Smidt H., Hausen H.Z. (Hg.): Das Genom-Puzzle. Berlin (u. a.): Springer, S. 247-252.